Videoüberwachung und Exkommunikationsdrohung

Das Konklave, das den neuen Papst wählt, tritt in einem "nervösen" Klima zusammen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit gestern ist Josef Ratzinger nicht mehr Papst, sondern emeritierter Papst. Über seine Nachfolge entscheidet das Konklave, eine Versammlung aller Kardinäle, die nicht älter als 80 sind. Am Montag hatte Ratzinger als eine seiner letzten Amtshandlungen ein Apostolisches Schreiben veröffentlicht, in dem er allen Teilnehmern am Konklave die Exkommunikation androht, wenn sie sich öffentlich zur Papstwahl äußern. Der italienischen Wochenzeitschrift Panorama zufolge ist dieses Sprechverbot aber nicht der einzige Grund, warum unter den Kardinälen derzeit ein "nervöses" Klima herrscht:

In seiner gestrigen Ausgabe behauptet das Magazin, dass Kardinalsstaatssekretär Tarcisio Bertone im Rahmen der Bemühungen zur Aufklärung der Vatileaks-Affäre eine Art On- und Offline-Vorratsdatenspeicherung installieren ließ, in deren Rahmen zahlreiche Videokameras und andere Gerätschaften überwachen, wer sich mit wem trifft, wer mit wem telefoniert und wer wem eine E-Mail schreibt. Die Vatikansprecher Federico Lombardi und Thomas Rosica dementierten diese Vorwürfe nur zum Teil: Ihnen zufolge "könnten" im Zuge der Vatileaks-Affäre Überwachungsmaßnahmen genehmigt worden sein – aber wenn, dann beträfen sie lediglich wenige Personen.

Spekulationen gibt es trotz des "nervösen" Klimas vor dem Konklave. Italienische Medien trennen derzeit zwischen drei großen Freundeskreisen: Zentrum des wichtigsten ist der skandalumwitterte Tarcisio Bertone, der sich angeblich selbst Chancen auf die Papstwürde ausrechnet. Als Organisator der Gegner Bertones gilt der 85-jährige Angelo Sodano, der selbst nicht mitwählen darf, aber als Kardinaldekan die Generalkongregation leitet. Eine dritte Gruppe kristallisiert sich angeblich um den 66-jährigen Genueser Kurienkardinal Mauro Piacenza, der eine "neue Evangelisierung" für eine "entchristianisierte Welt" fordert.