Viel Wachstum, wenig Sozialismus

Aussichten in China wieder besser, doch langfristig muss mehr für den Aufbau eines sozialen Sicherheitsnetzes getan werden

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Während in Europa die Prognosen für 2009 immer weiter runtergeschraubt werden – die Wirtschaft der EU, heißt es inzwischen, werde um vier Prozent schrumpfen, die deutsche gar um sechs Prozent – wächst in China der Optimismus. Um 0,5 bsi 2,3 Prozentpunkte seien in letzter Zeit, nach es im ersten Quartal Anzeichen für eine Kehrtwende gegeben hatte, die Prognosen nach oben korrigiert worden, schreibt der chinesische Journalist Cheng Yunjie in einer Analyse. Die Vorhersagen verschiedener Investmentbanken reichen jetzt von sieben bis 8,3 Prozent. Das offizielle Ziel ist acht Prozent.

Cheng fragt sich allerdings, wie nachhaltig die Verstärkung des Wachstums ist und befragt dazu verschiedene Fachleute. Übereinstimmend sehen alle in der derzeitigen Erholung vor allem das Ergebnis des Konjunkturpakets, mit dem 2009 und 2010 über 400 Milliarden Euro in Infrastruktur gepumpt werden.

Auffällig ist, dass der Einzelhandelsumsatz hinter den Investitionen zurück bleibt. Von 2002 bis 2006 ist der Anteil des Konsums von 43,6 auf 38,9 Prozent gefallen Noch ist offenbar der versprochenen Aufbau sozialer Sicherungssysteme, mit denen die Chinesen angeregt werden sollen, weniger zu sparen und mehr zu konsumieren, nicht beim Bürger angekommen.

Stephen Roach von Morgan Stanley Asia zieht daraus den Schluss, dass die Regierung die Investitionen in Sozialversicherungen sofort auf 150 Milliarden US-Dollar verdoppeln sollte, um so den Anteil des Konsums binnen fünf Jahren auf 50 Prozent hochzudrücken. Weil es keine ausreichende Renten- und Arbeitslosenversicherungen gebe, haben China eine besonders hohe Sparrate.

In diesem Zusammenhang sind die Daten zur Einkommenssituation, die Cheng zitiert, erhellend: Der Anteil der Löhne am Nationaleinkommen nehme seit den 1990ern beständig ab. (Wie hierzulande übrigens auch; nur, dass in Berlin keiner behauptet, Deutschland sei ein sozialistisches Land.) Allein zwischen 2002 und 2006 fiel er von 62,1 auf 57,1 Prozent. Nur vier Prozent aller Beschäftigten und zehn Prozent der städtischen Arbeiter und Angestellten würde mehr als 2000 Yuan im Monat verdienen, was dem Steuerfreibetrag entspricht. 2000 Yuan sind 219 Euro, in Kaufkraft-Paritäten entsprechen sie etwa 440 Euro.