Wanderhure im Harmonisierungsamt

Erotische Dienstleisterin im Reisegewerbe darf literarische Marke beanspruchen

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Die Existenz eines "Harmonisierungsamts" dürfte Uneingeweihten als literarische Erfindung eines Fantasy-Autors erscheinen. Tatsächlich jedoch gibt es in Alicante das europäische Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle). Dorthin führte jüngst der Weg der "Wanderhure", die schon mehrfach in Gerichten für ihre Künste warb. So verteidigte ein Satiriker bei einem Revierkampf in Düsseldorf sein Recht, die Wege der leichtfüßigen Dame ebenfalls auf Papier zu bannen.

Die Zuhälter der Wanderhure versuchten nun, das Geschäft über eine Markenanmeldung zu kontrollieren. Beim Markenamt stießen sie jedoch auf eine Sittenwächterin, die Bedenken nach Artikel 7 (1) f) Gemeinschaftmarkenverordenung hatte. Marken, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen, sind von der Eintragung ausgeschlossen.

Das Harmonsierungsamt sah jedoch das literarische Befassen mit dem Treiben der Wanderhure nicht als sittenwidrig an und produzierte dann gleich selbst in Literatur:

"Die angefochtene Entscheidung vermischt die Erwähnung eines Phänomens mit dem Phänomen selbst. Sie eignet sich hervorragend zum Verbot von Krimis mit dem Wort „Mord“ im Titel, denn bekanntlich sind Morde gemäß § 211 des deutschen Strafgesetzbuchs ein Verbrechen, und es gibt nichts sittenwidrigeres als solche zu begehen, und sie eignet sich hervorragend, den Liedermacher Reinhard Mey dem Scheiterhaufen zu überantworten, weil mit dem Lied „Der Mörder war immer der Gärtner“ letztgenannter Berufsstand sittenwidrig verunglimpft worden sei. Kurz: Die angefochtene Entscheidung versäumt die Unterscheidung von Fact und Fiction."

Problematisch erscheint die Entscheidung allerdings für tatsächliche Bordsteinschwalben mit Reisegewerbekarte, denn die beantragten Markenklassen betreffen nicht nur Printprodukte, sondern auch die Klasse 41: "Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; kulturelle und sportliche Aktivitäten". Doch die Kammer gibt Entwarnung:

"Die Wanderdame darf also weiterwandern, und ihre Wanderwege können mit „wissenschaftlichen und Vermessungs-Instrumenten“ kartographiert, in „Loseblattsammlungen“ regelmäßig aktualisiert, mit „OCR-Zeichenerkennung“ aufbereitet, in „Chat-Rooms“ breitgetreten und zur „sportlichen Aktivität“ erklärt werden, wobei die Kammer selbstverständlich davon ausgeht, dass mit den beanspruchten „Erziehungs“-Dienstleistungen solche der gemeinnützigen Sozialarbeit gemeint sind und nicht solche der Erziehung zur Prostitution."