Was ist links, wenn es um Urheberrechte geht?

Frankreich: Prominente Vertreter der alten Künstlergarde beklagen sich bei der Sozialistischen Partei über eine Umkehrung der Werte

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wie viele Künstler - besonders Musiker (aber auch Filmschaffende und Schriftsteller beklagen sich) - tatsächlich durch Gegenwartsphänomene wie Google an Einnahmen für ihre Werke verlieren, ist nicht recht klar. Genauere Aufklärung wäre angebracht. Es wäre aufschlussreich, Konkretes beispielsweise darüber zu erfahren, ob und wie die Verdienstmöglichkeiten eines deutschen Schriftstellers durch Googlebooks tatsächlich bedroht werden. Derzeit werden die Leser täglich nur immer neu über die Angst von Schriftstellern und Verlegern vor dem "Angriff des Internetkonzerns Google auf das Urheberrecht" (FAZ) informiert. Diese Angst der Schriftsteller ist teilweise nachvollziehbar. Auch, dass viele Musiker, die früher gut verkauft haben, möglicherweise keine große Begeisterung für Filesharing aufbringen, ist verständlich. Aber warum haben Schauspieler Angst vor Google?

Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass es sich bei manchen der namhaften Unterzeichner von Prominentenaufrufen und Appellen an die Regierungen in Deutschland wie in Frankreich um Personen handeln könnte, die nicht gerade "technikaffin" sind, sondern noch einem vorgängigen Künstlerideal folgen, das die Kunst der Technik überordnete, weshalb sich der Umgang mit den neuen Informationsmöglichkeiten auf E-Mailen und Surfen beschränkt. Dagegen ist nichts zu sagen, es gibt ein prächtiges und reiches erfülltes Leben außerhalb des Netzes. Und der Mangel an technischem Verständnis ändert nichts an der künstlerischen bzw. verlegerischen Klasse mancher der besorgten Unterzeichner. Zudem ist der behauptete Dünkel mancher entrüsteter Künstler und Verleger gegenüber der Technik ein bloßer Verdacht, der sich nur auf ein paar unsystematische Beobachtungen stützt. Er wird dort relevant, wenn es nicht um Kunst geht, sondern um Kultur. Wenn Untergangsstimmung verbreitet wird und grundlegende Werte angemahnt und die Ernsthaftigkeit, Notwendigkeit und Wichtigkeit des Warnrufes mit den großen Namen unterstrichen werden. Wenn so Autorität und Kompetenz vorgetäuscht wird.

Das ist aktuell in Frankreich der Fall, wo das Loi Hadopi mit seiner "graduellen Erwiderung" auf nicht lizenzierte Kopien zur Entscheidung ansteht. Seit Wochen gibt es dort eine hitzige Debatte, die wohl nach der Verschiebung der Abstimmung auf den 4. September auch munter weitergehen wird. In regelmäßigen Abständen melden sich dort immer wieder Künstler einer vergangenen großen Epoche zu Wort, protestieren leidenschaftlich gegen "Raubkopien" und zeigen sich ganz überzeugt von der Notwendigkeit von Gesetzen, die den "Piraten" robust antworten. Gestern waren es Juliette Gréco, Maxime Le Forestier, Pierre Arditi und Michel Piccoli - die erste und der letzte sind vermutlich auch in Deutschland berühmt -, die sich in einem Brief, der in Le Monde veröffentlicht wurde, an die Generalsekratärin der PS (Parti Socialiste), Martine Aubry, richten.

In dem Schreiben klagen sie die Linke an, dass sie sich von ihren Werten abgewendet hätte, da sich die PS dazu entschlossen hat, das von der Regierung vorgeschlagenee Internetgesetz abzulehnen. Hätte sich die Linke früher als Widerstand gegen die "Deregulierung" und das "Gesetz des Dschungels" erwiesen, so zeige sie sich ab jetzt als "Anwalt des zügellosen Kapitalismus, der sich gegen die Rechte der Künstler im digitalen Zeitalter wendet".

"Die Linke - unsere Familie - war die Ablehnung einer Ordnung, die rein kaufmännisch ist. Sie war der Schutz der Schwachen gegen die Starken. Besonders galt das für die Kultur", schreiben die enttäuschten linken Künstler. Zu hoffen für die französische Linke ist, dass sie auch jüngere Familienmitglieder hat, die vielleicht weniger naiv auf die Gegenwart schauen.