"Wir garantieren die Revolution"

Tunesien: Der Armeechef bekundet Loyalität zur Bevölkerung und den Protesten; eine Regierungsumbildung wird angekündigt; möglicherweise soll ein "Rat der Weisen" die Interims-Regierung ersetzen oder beaufsichtigen

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Gestern belagerten Tausende von Demonstranten den Platz vor dem tunesischen Regierungssitz; der Druck der anhaltenden Proteste zeigt offensichtlich Wirkung. Der Regierungssprecher kündigte heute unmittelbar bewvorstehende personelle Wechsel in der Regierung an, die "vielleicht schon" am Dienstag bekannt gegeben würden. Ob davon Minister betroffen sind, die bereits der früheren Regierung unter Ben Ali angehörten, ließ er allerdings offen.

Mehrere Publikationen und Radiostationen, die sich dabei auf Quellen in "politischen Kreisen" stützen, berichten, dass ein "Rat der Weisen" ins Leben geschaffen werden soll, um die Regierung zu ersetzen oder zu "beaufsichtigen".

Der Rat solle sich aus Personen zusammensetzen, die unter dem früheren Präsidenten Bourguiba Ministerposten bekleideten und sich "Glaubwürdigkeit" erworben hätten; allen voran wird der Name Ahmed Mestiri genannt. Im Gespräch ist aber auch, dass Repräsentanten der Zivilgesellschaft, Anwälte und Gewerkschaftler - Gruppierungen, die bei den sozialen Protesten eine wichtige Rolle spielten - zum Rat gehören sollten.

Am gestrigen Nachmittag hielt der Armee-Chef Rachid Ammar, der sich während der Proteste durch seine Weigerung, die Armee auf Demonstranten schießen zu lassen, den Ruf eines Helden erwarb, eine Rede vor den Demonstranten. Er betonte darin, dass die Armee sich als "Garant der Revolution" begreife und die Bevölkerung weiter schützen werde. Die Armee sei der Verfassung verpflichtet, dieser Rahmen werde nicht verlassen.

"Ihre Forderungen sind legitim", sagte er zu den Demonstranten, die er mit "mes enfants (meine Kinder)" ansprach und dazu aufforderte, den Platz vor dem Regierungssitz zu verlassen, damit "diese Regierung oder eine andere" arbeiten könne.

Welche Wirkung die Rede des Armeechefs haben wird, ist noch unklar. Bislang geht der Protest auf der esplanade de la Kasbah weiter. Laut Libération hat die Armee am gestrigen Tag immer wieder aufs Neue Barrikaden aufgestellt, um Demonstranten von der Polizei zu trennen.