Zwei Wahrheitskommissionen in Honduras

Regierung und Demokratiebewegung wollen Geschehen nach dem Sturz der Zelaya-Regierung untersuchen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In Honduras werden sich zwei Wahrheitskommissionen mit den schweren Menschenrechtsverletzungen der vergangenen Monate befassen. Nach Angaben honduranischer und internationaler Menschenrechtsorganisationen sind seit dem Putsch gegen die letzte demokratisch gewählte Regierung von Präsident Manuel Zelaya Ende Juni vergangenen Jahres mehrere Dutzend Menschen politischen Morden zum Opfer gefallen. Der international nicht anerkennte Präsident Porfirio Lobo versucht mit der Einrichtung des offiziellen Gremiums die Akzeptanz für seine Regierung zu erhöhen. Doch die Menschenrechts- und Demokratiebewegung in dem mittelamerikanischen Land lehnt das Vorhaben ab. Von regierungsunabhängiger Seite wurde inzwischen eine eigene Wahrheitskommission ins Leben gerufen.

Bei der Einführung der Regierungskommission waren am Dienstag dieser Woche sowohl Vertreter der Organisation Amerikanischer Staaten ( OAS) als aus der US-Regierung in die honduranische Hauptstadt Tegucigalpa gekommen. OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza und der politische Bevollmächtigte der Regionalorganisation, Víctor Rico, wohnten dem Festakt ebenso bei wie der US-amerikanische Staatssekretär für die Westliche Hemisphäre, Craig Kelly.

Nach Ende ihrer zeitlich nicht definierten Arbeit soll die Regierungskommission einen Bericht vorlegen, dessen Ergebnisse jedoch nur zum Teil öffentlich sind. Werden einzelne Informationen als geheim eingestuft, können sie mit einer Sperrfrist von zehn Jahren belegt werden.

Für Menschenrechtsorganisationen und demokratische Gruppen ist das nicht der einzige Einwand gegen das Vorhaben. In jeder international, vor allem also von der UNO akzeptierten Wahrheitskommission seien Täter und Opfer gleichermaßen beteiligt, sagt Bertha Oliva von der Menschenrechtsorganisation COFADEH. In Honduras aber habe der neue De-facto-Präsident Porfirio Lobo die Mitglieder "selbst und hinter verschlossenen Türen“ ausgewählt. Es gehe der Staatsführung unter dem rechtsgerichteten Unternehmer bei dem Vorhaben offenbar lediglich darum, das Bild seiner Regierung auf internationaler Ebene zu verbessern.

Oliva verweist auch darauf, dass die seit dem Militärputsch begangenen Verbrechen gar nicht Gegenstand der Untersuchungen sind. "Das Präsidialdekret zur Einrichtung der Kommission erkennt noch nicht einmal an, dass am vergangenen 28. Juni ein Umsturz stattgefunden hat, noch werden die Opfer der bisherigen Gewalt erwähnt“, kritisiert die renommierte Menschenrechtsaktivistin.

Politische Beobachter weisen zudem darauf hin, dass zu den Mitgliedern der von der Regierung eingesetzten Wahrheitskommission auch der kanadische Anwalt Michael Kergin zählt. Kergin gehört dem Anwaltsbüro Bennett Jones an, das kanadische Bergbaukonzerne vertritt, die wiederum in Honduras aktiv sind. Der politische Journalist Grahame Russel weist zudem darauf hin, dass die kanadische Regierung - offenbar geleitet von den starken Wirtschaftsinteressen in dem mittelamerikanischen Land - das Lobo-Regime umgehend anerkannt hat.

Honduranische Menschenrechtsorganisationen und Aktivisten der Demokratiebewegung haben vor diesem Hintergrund eine eigene Wahrheitskommission ins Leben gerufen. Dieses unabhängige Gremium will am 28. Juni, dem ersten Jahrestag des Staatsstreiches, seine Arbeit aufnehmen. Als Mitglieder sind die Friedensnobelpreisträger Rigoberta Menchú aus Guatemala und Adolfo Perez Esquivel aus Argentinien im Gespräch.