Westliche Waffen gegen Russland: Zwischen Eskalation und Psychokrieg
ATACMS-Raketen und Storm-Shadow-Flugkörper gegen Russland. Westliche Botschaften in Kiew warnen Mitarbeiter vor russischer Vergeltung. Ist die Unsicherheit Teil des Kalküls?
Einen Tag, nachdem ukrainische Streitkräfte erstmals US-amerikanische ATACMS-Kurzstreckenraketen gegen Ziele auf russischem Territorium eingesetzt haben, hat die US-Botschaft in Kiew ihre Mitarbeiter angewiesen, Schutz zu suchen. In einer ungewöhnlich deutlichen Warnung teilte die Botschaft mit, Russland plane einen "bedeutenden Luftangriff" auf die ukrainische Hauptstadt. Die Botschaft wurde vorerst geschlossen.
Andere westliche Botschaften zogen nach und schränkten den Betrieb erheblich ein. Später soll der Schritt revidiert worden sein. Die Vertretungen seien einer medialen Manipulation aufgesessen, hieß es im Spiegel, während die Warnung der US-Botschaft unverändert online war.
Mediale Manipulation oder nicht: Das Intermezzo belegt, wie angespannt die Situation ist. Nicht ohne Grund war die Freigabe der US-Raketen zum Einsatz auf russischem Territorium im Beraterstab von US-Präsident Joe Biden umstritten.
Der Einsatz durch die Ukraine nämlich markiert eine neue Eskalationsstufe im Krieg. Bisher hatte Biden der Ukraine den Einsatz dieser Waffen gegen Ziele in Russland untersagt. Moskau reagierte scharf: Außenminister Lawrow sprach von einer "qualitativ neuen Phase des Krieges des Westens gegen Russland" und kündigte Vergeltung an.
Bedrohliche Rhetorik Moskaus
Die martialische Reaktion aus Moskau und im Netz Berichte über die Aktivierung atomwaffenfähiger Bomber vom Typ Tu-95 mit Marschflugkörpern an Bord lassen die Sorge vor einer weiteren Eskalation bis hin zum Einsatz von Atomwaffen wachsen.
Laut bisher unbestätigten Berichten aus russischen Militärkreisen in sozialen Medien soll auch ein Kommando-Flugzeug des Typs Tu-214PU in Alarmbereitschaft versetzt worden sein. Zwei dieser Maschinen dienen als fliegender Gefechtsstand für den Präsidenten im Einsatz.
Offizielle russische Medien wie die Nachrichtenagenturen Ria Nowosti oder Interfax bestätigten die Meldungen zunächst nicht. Was ist wahr, was Panikmache? Was Vorhersage, was Propaganda? Vieles bleibt in diesen Tagen und Stunden unklar. Ist die bedrohlich wirkende Vagheit Teil eines diabolischen Spiels?
"Rubesch"-Rakete für die Ukraine ungeeignet
Gleichzeitig kursieren in ukrainischen und russischen Telegram-Kanälen Spekulationen, Russland könnte bei einem Vergeltungsschlag auch die neuartige "Rubesch"-Interkontinentalrakete (ICBM) einsetzen – wenn auch nicht atomar bestückt.
Laut einem russischen Militärblogger auf Telegram wäre dies jedoch abwegig: Die Mindestreichweite der Rakete sei für Ziele in der Mitte der Ukraine zu hoch, der Einsatz eines Prototypen mit 6.000 Kilometer Reichweite für 1.500 Kilometer kontraproduktiv und der auffällige Start eines einzelnen ICBM politisch problematischer als getarnte Marschflugkörper.
Erschöpfte Truppen kämpfen erbittert auf beiden Seiten
Während die Rhetorik auf höchster Ebene eskaliert, liefern sich russische und ukrainische Truppen an der Front im Donbass weiter erbitterte Abnutzungskämpfe. Die ukrainischen Verteidiger sind nach Angaben von Kommandeuren zahlenmäßig unterlegen, es mangelt an erfahrenen Führungskräften und Artilleriemunition.
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Drohnen spielen eine zentrale Rolle. Beide Seiten erleiden schwere Verluste. Trotzdem verteidigen die Ukrainer ihre Stellungen verbissen, während Russland jeden Geländegewinn mit hohen Opferzahlen bezahlt, wie die New York Times berichtet.
Die angespannte Lage lässt eine weitere Eskalation befürchten. Vieles wird davon abhängen, wie Russland auf den jüngsten ATACMS-Einsatz der Ukraine reagieren wird und ob die Drohungen aus Moskau mehr als Rhetorik sind.
Nach ATACMS: Ukraine setzte "Storm Shadow" ein
Inmitten dieser zunehmend angespannten Lage hat die Ukraine nach Berichten der US-Agentur Bloomberg auch britische Marschflugkörper des Typs Storm Shadow erstmals gegen Ziele in Russland eingesetzt.
Laut einem westlichen Beamten, der aufgrund der Sensibilität der Angelegenheit anonym bleiben wollte, genehmigte Großbritannien den Einsatz als Reaktion auf die Stationierung nordkoreanischer Truppen durch Russland in der Ukraine. Dies wurde von der britischen Regierung als Eskalation betrachtet.
Der britische Verteidigungsminister John Healey betonte im Parlament, dass man die Unterstützung für die Ukraine verstärke und entschlossen sei, mehr zu tun. Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert seit langem eine Ausweitung der militärischen Unterstützung durch den Westen, einschließlich der Erlaubnis zum Einsatz von Langstreckenraketen gegen Ziele in Russland.