Kulturkampf in Großbritannien über Gebete

Das oberste britische Gericht hat entschieden, dass in Stadt- und Gemeinderäten nicht zu Beginn von Sitzungen gebetet werden muss, Konservative und Religiöse fürchten den Untergang der christlichen Kultur

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Mitunter geht es mitten in der westlichen Welt noch kurios zu. In mehr als der Hälfte der britischen Councils, also der Gemeinde- und Stadträte, wird bei Sitzungen noch obligatorisch gebetet. Das ist Clive Bone, einem Stadtrat von Bideford in Devon, gegen den Strich gegangen und er hat, unterstützt von der National Secular Society, dagegen geklagt. Die Stadt, die die Pflicht zum Gebet aufrechterhalten wollte, wurde hingegen vom Christian Institute unterstützt. Es ging also um einen Kulturkampf zwischen Religion und Atheismus im aufgeklärten Abendland.

Das Gericht stellte sich auf die Seite des Klägers und urteilte, dass der Stadtrat nicht das Recht habe zu verlangen, dass Gebete während der Sitzungen stattfinden müssen. In Bideford wurden die Gebete gar protokolliert. Nun könnte also in den Gemeinde- und Stadträten ein säkularer Wind wehen, der die Gebete hinwegfegt.

Das will die anglikanische Kirche, die um ihren Einfluss zu fürchten scheint, aber verhindern und gegen das Urteil vorgehen. Lord Carey, ein früherer Erzbischof von Canterbury schreckt die Briten auf, dass das Urteil "unglaublich weitreichende Folgen" haben könne. Eine der Folgen könnte sein, dass im nächsten Schritt auch die Gebete, "die am Beginn jedes Tages im Parlament stehen", abgeschafft werden. Da könnte das britische Parlament wohl dem Teufel anheimfallen. Erschreckend wären auch die Aussichten, wenn Militärgeistliche nicht mehr arbeiten oder der König oder die Königin beim Krönungseid nicht mehr schwören dürften, Gottes Gesetzen zu gehorchen. Er verstieg sich gar dazu, dass darüber nicht Richter, sondern die Regierung zu entscheiden habe. Die Regierung solle es den Gemeinde- und Stadträten überlassen, ob sie die Tradition der Gebete fortsetzen und damit auch "die christlichen Traditionen schützen wollen, auf denen das Land gegründet ist".

Vorgeschlagen wird von Geistlichen und Ratsmitgliedern, nun doch die Gebete vor dem offiziellen Beginn der Sitzungen abzuhalten, um so einen Weg zu finden, das Urteil auszubremsen. Der für die lokalen Behörden zuständige Staatssekretär Eric Pickles bezeichnete das Urteil seltsamerweise als "unliberal und intolerant", es müsse erlaubt sein, weiterhin zu beten, was eben auch heißt, Religion und Politik nicht zu trennen. Der Bischof von Exeter kritisierte, dass nun eine "winzige Minderheit" die Mehrheit, die Gebete hilfreich finde, davon abhalten könne.

Das Christian Institute empört sich über das Urteil, weil doch jeder einfach am Gebet nicht teilnehmen könne. Das Verbot, das Gebet zum Teil der offiziellen Sitzung machen zu können, wird als Kampagne gesehen, "das Christentum aus dem öffentlichen Leben auszusperren".

Keith Wood, der Leiter der National Secular Society, ist natürlich erfreut vom Urteil, das ein "wichtiger Sieg " für alle sei, die eine "säkulare Gesellschaft" wünschen, die niemanden wegen seiner Religion privilegiert oder diskriminiert: "Es gibt keinen ernst zu nehmenden Grund mehr anzunehmen, dass Großbritannien eine nur christliche oder überhaupt eine religiöse Nation ist." Schließlich wachse der Anteil der Menschen, die keine Religion praktizieren.