Spanien ist auch Schuldenmeister

Spanische Fußballclubs schulden alleine den Finanzämtern gut 750 Millionen Euro, Sanktionen drohen erst 2014/2015

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"Der Fußball ist das lebende Abbild der spanischen Wirtschaft", analysierte der spanische Wirtschaftsprofessor José María Gay de Liébana die Lage spanischer Fußballvereine. Verschuldet ist nicht nur der spanische Staat, die Haushalte und Unternehmen, sondern auch viele Fußballclubs. Auch sie finanzieren Erfolge oft auf Pump. Allein die Erstligavereine saßen zum Ende der Saison 2010/2011 nach Angaben von Experten auf einem Schuldenberg von gut 3,5 Milliarden Euro.

Dass Spanien nun die erste Mannschaft der Welt war, die am Sonntag mit dem Finalsieg bei der Europameisterschaft ihren dritten großen Titel in Folge gewonnen hat, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Geschäftsmodell des spanischen Fußballs pleite ist. Während im Land allseits gespart wird, Löhne gesenkt werden, ein Viertel der aktiven Bevölkerung und mehr als die Hälfte der jungen Menschen arbeitslos ist, bekommt jeder Spieler der Nationalmannschaft für den Sieg jeweils eine Prämie von 300.000 Euro. Das sind noch einmal 86.000 Euro mehr als vor vier Jahren.

Im nationalistischen Siegestaumel in Madrid ging gestern aber nicht nur die hohe Prämie unter, vergessen wurde bei der Siegesfeier auch, dass viele Vereine nicht einmal den Verpflichtungen gegenüber den Finanzämtern nachkommen und das Geld zum Beispiel für Bildungsausgaben fehlt. Die Schulden der Profi-Vereine bei Finanzämtern waren bis zum 1. Januar 2012 in vier Jahren um etwa 150 Millionen Euro auf 752 Millionen gestiegen Dazu kommen fast elf Millionen Euro, die sie zum 1. Februar 2012 den Sozialversicherungskassen schuldeten. Der Großteil davon entfällt auf die Vereine der "Primera División", aus der die Nationalspieler stammen.

Schnell wird sich daran nichts ändern. Man geht sogar davon aus, dass die Schulden bei den Staatskassen weiter steigen, auch wenn Ende Juni der Ligaverband mit dem Ministerium für Kultur und Sport ein Abkommen zum Schuldenabbau unterzeichnet hat. Sanktionen sind danach erst ab der Saison 2014/2015 vorgesehen. Dann sollen Steuerschuldnern 35 Prozent der TV-Einnahmen erst ausgezahlt werden, wenn sie ihre Steuern bezahlt haben. In drei Jahren soll eine Kommission Spielerangebote prüfen, die verschuldete Clubs je nach Angebot bei hohen Schulden annehmen sollen, wofür er aber die Zustimmung des betroffenen Spielers braucht.

Dass darüber, wie geplant, die Schulden bei den Staatskassen bis 2020 abgebaut werden, wird von Experten bezweifelt. Das hat auch mit der schweren Wirtschaftskrise zu tun, schließlich haben die Vereine diese Schulden sogar in wirtschaftlich starken Jahren aufgebaut. Sie können bisweilen nicht einmal Spielergehälter bezahlen, weshalb es zum Beginn der letzte Saison zum Streik in der Profiliga kam. Diverse Drittliga-Clubs steigen nun zwangsweise in die vierte Liga ab, weil sie die Gehälter noch immer nicht bezahlt haben.

Man darf gespannt sein, ob zum Saisonstart wieder gestreikt wird, denn die Lage vieler Clubs hat sich zugespitzt. Erwartet wird, dass ihre Einnahmen weiter einbrechen. Kurz bevor Spanien am Sonntag siegte, gab Wirtschaftsminister Luis de Guindos zu, dass die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal gegenüber dem ersten weiter geschrumpft ist, womit sich die Rezession verschärft.

Die Krise hat wohl längst auch die Firmen erreicht, die die Fernsehrechte vermarkten. So hat Mediapro Millionenschulden bei vier Erstliga-Vereinen angehäuft. Dem baskischen Club Atletico Bilbao schuldet Mediapro nach Angaben des Clubs sieben Millionen Euro. Er gehört zu den wenigen Vereinen, die keine Steuerschulden haben. Das krasse Gegenteil ist Atletico Madrid und dieser Club hat kürzlich gegen Bilbao in Bukarest den Europacup gewonnen. Madrid schuldet dem Finanzamt etwa 200 Millionen Euro und gehört zu den am höchsten verschuldeten Vereinen. Doch trotz allem kaufte er für 40 Millionen Euro den Spieler Radamel Falcao, der zwei der drei Siegestore gegen Bilbao schoss.

Jede normale Firma hätte längst keinen Kredit mehr für den Kauf erhalten und wäre wegen solcher Steuerschulden längst gepfändet worden. So ergeht es sogar Parteien. Kürzlich wurden der Sektion der Vereinten Linken in Madrid (IU-CM) die Konten gesperrt, weil sie eine Steuerschuld von 2,6 Millionen angehäuft hat. Dass die Fußballclubs staatlich protegiert werden und sie eine Sonderbehandlung erhalten, kritisiert auch die Gewerkschaft der Steuerprüfer (Gestha). Ihr Präsident Carlos Cruzado spricht deshalb von einer "Fußballblase", die wie die Immobilienblase platzen wird. (

Der Fußall-Ökonom Gay de Liébana hat längst vor dem "globalen Bankrott" im spanischen Fußball als "Konsequenz eines völlig unhaltbaren ökonomischen Modells" gewarnt. Mit den Milliardenschulden, welche die Vereine bei Banken angehäuft haben, werden auch die Milliardenlöcher der spanischen Geldhäuser noch größer. Doch schon jetzt müssen sie mit bis zu 100 Milliarden Euro aus den Euro-Rettungsfonds gerettet werden.