Syrien: Luftangriff auf Schulen?

Von den Weißhelmen verbreitetes Foto.

Von interessierter Seite scheint festzustehen, dass nur Russland und Syrien dafür verantwortlich sind, aber es gibt nicht nur von Moskau geschürte Zweifel

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Am Mittwoch sollen 22 Schüler und 6 Lehrer bei wiederholten Luftangriffen auf 3 Schulen im Ort Haas in der Provinz Idlib getötet worden sein. Quelle ist die umstrittene Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) mit Sitz in London, die allerdings von 35 getöteten Zivilisten sprach, darunter 15 Schüler und 4 Lehrer. Die anderen Zahlen stammen von UNICEF, allerdings auch unter Berufung auf SOHR. Die Provinz wird weitgehend von "Rebellen" kontrolliert, in dem Fall von den verbündeten islamistischen Gruppen Fatah-al-Scham, also al-Nusra-Front, und Ahrar al-Scham.

UNICEF bezeichnet den Angriff als wahrscheinlichsten schlimmsten auf eine Schule seit Beginn des Syrienkriegs. Es handle sich um ein Kriegsverbrechen, sollten die Angriffe gezielt gewesen sein. Solche Verbrechen müssten endlich gestoppt werden. Man wird sich allerdings kaum mehr wundern, dass SOHR gestern auch von 6 Kindern berichtete, die durch den Beschuss durch "Rebellen" einer Schule im Stadtviertel al-Shahbaa im westlichen, von der syrischen Regierung kontrollierten Aleppo getötet worden sein sollen, was aber keine große Aufregung hervorrief oder als Kriegsverbrechen bezeichnet wurde.

Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon fordert eine "sofortige und unabhängige" Untersuchung. Er wies aber nicht mit dem Finger auf eine verantwortliche Partei und sagte, solche Verbrechen könnten nur deswegen geschehen, weil sich die verantwortlichen Regierungen oder Rebellen sicher vor Verfolgung fühlten. Gordon Brown, UN-Sonderbotschafter für Bildung, verlangte, dass sich das Internationale Strafgericht (ICC) einschalten müsse. Allerdings sind weder Russland, Syrien, die USA, die Türkei, Saudi-Arabien und andere Golfstaaten dem Rom-Statut des ICC beigetreten.

Zudem verlangte Brown eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates, nachdem auch die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Zakharova, eine unabhängige Untersuchung gefordert hatte. Sie hatte erklärt, Russland habe mit "diesem schrecklichen Vorfall" nichts zu tun. Sie kritisierte Medien, die sofort Russland und Syrien die Verantwortung zugeschoben hätten. Und sie verwies auf den Amnesty-Bericht, der der von der USA angeführten Anti-IS-Koalition vorwirft, für die Tötung von hunderten Zivilisten in Syrien verantwortlich zu sein. Tatsächlich hat die US-Regierung auf die Vorwürfe nicht reagiert, wie Amnesty sagt.

Auch das Weiße Haus macht Russland oder Syrien für die Angriffe auf die Schule verantwortlich. Nicht aufgrund von Beweisen, sondern weil sonst keine Partei über Flugzeuge verfüge. Man wisse nicht, ob es die Russen oder die Syrer seien, "aber wir wissen, dass es einer von beiden war". Selbst wenn es Assad war, sei Russland dafür verantwortlich, sagte er.

Angebliche Bombardierung von Haas aus dem Video der "Rebellen".

Kronzeugen für die Schuldzuweisung sind die Weißhelme, eine Hilfsorganisation, die vor allem dort auftritt, wo die islamistischen Gruppen die Kontrolle haben, was schon lange den Verdacht genährt hat, dass die Gruppe möglicherweise nicht nur Verbindungen zu den islamistischen Milizen hat, um überhaupt helfen zu können, sondern mit diesen auch kooperiert, also sie kaum als unparteiische Gruppe gelten könne (Die obskuren White Helmets).

Es kursiert zudem ein Video des Rebellen Senders RFA, das angeblich eine Suchoi SU-24 zeigt, von der aus eine Bombe angeblich auf Haas fällt. Es wurde am 26. Oktober veröffentlicht.

Die Weißhelme haben zudem Fotografien auf Twitter über den Angriff publiziert. Nach ihren Angaben sind 26 Menschen getötet worden, darunter 20 Kinder. Überprüfbar sind die Angaben nicht, auch nicht, woher die Bilder stammen. Es wurde auch ein "schreckliches" Bild von den Folgen veröffentlicht: eine Kinderhand, die noch eine Tasche hält.

Die russische Regierung streitet nicht nur ab, etwas mit dem Angriff zu tun zu haben, sondern erklärte auch, dass das von den "Rebellen" verbreitete Video von dem Bombenabwurf der Suchoi SU-24 auf Haas und den Folgen gefälscht sei. Es sei aus mindestens 10 unterschiedlichen Sequenzen montiert worden. Am Mittwoch sei kein russisches Flugzeug über Haas geflogen, was freilich noch nicht bedeutet, dass es eine von der syrischen Armee geflogene russische Maschine gewesen sein könnte.

Zudem versucht das russische Verteidigungsministerium zu widerlegen, dass es sich überhaupt um eine Bombardierung aus der Luft handelt. Man bezieht sich auf ein Foto, das von AFP verbreitet und von vielen Medien abgebildet wurde. Hier ist ein Schulraum zu sehen, dessen Wand zerstört wurde, so dass man nach außen auf eine Mauer und die Straße blicken kann. Nur eine Mauer sei zerstört worden, so die russische Interpretation, alle Schultische seien intakt. Das sei unmöglich, wenn eine von einem Flugzeug abgeworfene Bombe die Schule getroffen hätte.

Angebliches Foto der russischen Drohne von den Schulen, die beweisen sollen, dass die Dächer intakt sind.

Angeblich, so das russische Verteidigungsministerium, wurde eine Drohne zu dem Ort geschickt. Auf den Bildern könne man sehen, dass bei den Schulen die Dächer nicht zerstört worden und auch keine Krater zu sehen seien. Man könne analoge Bilder auch von den USA anfordern. Igor Konashenkov, der Sprecher des Verteidigungsministeriums, versuchte hingegen, die USA zu beschuldigen. Man habe in dem Gebiet zu der Zeit des Angriffs eine MQ-1B Predator-Drohne beobachtet.

Dafür werden aber ebenso wenig Beweise geliefert, wie dies die Amerikaner und die Rebellen tun. Für das russische Verteidigungsministerium stellt sich die Situation so dar: "All das bedeutet, dass die UNICEF-Führung einer neuen Täuschung der Schwindler von den Weißhelmen aufgesessen sind. Daher sollten die UNICEF-Mitarbeiter, bevor sie laute Äußerungen machen, die Quellen ihrer Informationen überprüfen, um das Ansehen einer anerkannten Organisation nicht zu untergraben."

Was sollen nun die Menschen vor den Bildschirmen und Zeitungen glauben? Es gibt kaum noch neutrale Medienberichterstattung, je nach westlicher oder russischer, iranischer oder syrischer Ausrichtung wird suggeriert, dass der jeweilige Gegner verantwortlich ist und Bilder, Informationen oder Beweise manipuliert. Nachprüfen lässt sich dies kaum, verwunderlich mag sein, dass man hier den Berichten aus dem großenteils von islamistischen Milizen beherrschten Gebiet Glauben schenkt und Fotos und Videos unhinterfragt als authentisch akzeptiert.

In dem Krieg gibt es schon längst nicht mehr die Guten und die Bösen, was aber von den interessierten Kampfparteien aufrechterhalten wird. Auf der eigenen Seite werden Kriegsverbrechen, sofern es sich nicht verheimlichen lässt, als Fehler entschuldigt, der anderen Seite wirft man ein bewusstes Kriegsverbrechen vor. Medien, die nicht parteiisch sind, sollten sich von dem schmutzigen Spiel fernhalten, wenn sie nicht wirklich über stichhaltige Beweise und unabhängige Quellen verfügen.