"Tricksen, tarnen, täuschen": FDP liebäugelt mit einem Schattenhaushalt

Vehement kritisierte die FDP im Januar die Einrichtung eines Sondervermögens zur Finanzmarktstabilisierung, jetzt ist bei den Koalitionären die Rede von einer "Sozialversicherungsstabilisierung"

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Am Samstag wollen Union und FDP den Koalitionsvertrag vorstellen. Knackpunkt ist vor allem die Finanzpolitik. Da sei man noch am "nachrechnen", meint man bei der FDP. Vor allem FDP und CSU dringen auf Steuererleichterungen, um ihre Wahlkampfversprechen zu erfüllen und nicht als Lügner dazustehen, gleichzeitig sollen die Schulden nicht explodieren.

Im Gespräch ist, zum Ausgleich der Defizite in der Arbeitslosenversicherung und dem Gesundheitsfonds einen Nachtraghaushalt einzurichten, wie dies schon zur "Finanzmarktstabilisierung" gemacht wurde (Die Politik macht es wie die Banken). Jetzt heißt dieser Schattenhaushalt, mit dem der offizielle Haushalt entlastet und die Schuldenbremse ausgetrickst werden soll, "Sozialversicherungsstabilisierung", wie Steffen Kampeter, der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, der Faz erklärte.

Auch die bayerische Landesvorsitzende der FDP, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, räumte ein, dass die Einrichtung eines Sondervermögens „eine Möglichkeit“ sei. Die Rede ist von 50-60 Milliarden. Für FDP-Generalsekretär Dirk Niebel ist der Sonderfonds gerade ein Zeichen von Transparenz, weil man sie die "konjunktur- und krisenbedingten Kosten" sehen könne: "Ich glaube, dass es ein Ausdruck von Transparenz wäre, wenn wir zu diesem Konzept kämen." Die FDP scheint es so hindrehen zu wollen, dass damit die Altlasten der Vorgängerregierung vom Haushalt der neuen Regierung unterscheidbar blieben. Das ist natürlich eine Milchmädchenrechnung, denn die neue Regierung kannte die Probleme und muss gleichwohl mit den Schulden fertig werden.

Anders als mit solchen Tricksereien, wie die Opposition sagt, wäre der gordische Knoten auch nicht zu durchschlagen. Es ist noch nicht allzu lange her, da gab sich die FDP freilich ganz anders. Da war man eherner Verfechter der Transparenz und gnadenloser Kritiker solcher Tricksereien. So hieß es etwa noch im Mai, dass es keinen "Blankoscheck für neue Schulden" geben dürfe:

Das Mitglied der FDP-Fraktion in der Föderalismuskommission II, Volker Wissing, verwies darauf, dass sich die FDP immer für eine strikte Schuldengrenze mit einem prinzipiellen Neuverschuldungsverbot eingesetzt habe. "Wir wollen eine Pflicht zu ausgeglichenen Haushalten in das Grundgesetz aufnehmen.

Pressemitteilung der FDP

Ob er davon jetzt noch etwas wissen will? Im Mai sagte Wissing noch, Schuldenpolitik habe auch etwas mit sozialer Gerechtigkeit zu tun. "Wer aber lieber Zinsen an die Banken überweist, statt in Bildung und Technologie zu investieren, handelt unverantwortlich."

Wie abgeordnetenwatch.de berichtet, hat sich die FDP im Februar 2009 gegen die Verschiebung von Krediten aus dem Bundeshaushalt in ein Sondervermögen "Investitions- und Tilgungsfonds" ausgesprochen: "Gegen diese Auslagerung sprechen wir von der FDP-Bundestagsfraktion uns vehement aus, da es das hohe Ausmaß der Neuverschuldung verschleiert, das die kommenden Generationen belasten wird", schrieb die FDP-Bundestagsabgeordnete Marina Schuster am 19. Februar auf abgeordnetenwatch.de.

Entschieden war auch Jürgen Koppelin, der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, im Januar, als er von "tricksen, tarnen, täuschen" sprach, weil die schwarzrote Regierung sich mit einem Schattenhaushalt vor Rekordverschuldung retten wollte, also just das, was man nun selbst machen will.

Über einen Haushaltstrick – nichts anderes ist ein kapitalmarktfähiges Sondervermögen – und die Auslagerung von 16,9 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt in einen Schattenhaushalt, wird die Nettokreditaufnahme nicht real abgebildet. Neben dem Scheitern in der Haushaltspolitik als Markenzeichen Steinbrücks kommen jetzt noch Taschenspielertricks und Unredlichkeit hinzu. Vertrauensbildende Maßnahmen in einer Zeit der Verunsicherung sehen anders aus.

Jürgen Koppelin

Erinnert sei auch daran, dass die FDP auch einen Antrag im Bundestag stellte, um das Sondervermögen „Investitions- und Tilgungsfonds" zu verhindern. Damals war man noch für Transparenz und Ehrlichkeit: "Schulden des Bundes durch das Konjunkturpaket II vollständig im Bundeshaushalt etatisieren." Ganz richtig heißt es in dem Antrag vom 27. Januar 2009:

Der Deutsche Bundestag hält den von der Bundesregierung beabsichtigten Weg für bedenklich, weil das Ausweichen auf einen Schattenhaushalt – und nichts anderes ist die Bildung eines kapitalmarktfähigen Sondervermögens – gegen die Regeln der ordnungsgemäßen Haushaltsführung verstößt. Die Grundsätze von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit werden auf diesem Wege unterlaufen.

FDP-Antrag