Finnegans Quake?

Nachdem die Romane von James Joyce am 1. Januar 2012 gemeinfrei wurden, hofft der Literaturwissenschaftler Sean Latham auf Computerspiele, die sich seiner Werken bedienen

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Am 13. Januar 1941 starb der Schriftsteller James Augustine Aloysius Joyce. Seine Werke Ulysses und Finnegans Wake gehören aufgrund des dafür nötigen Aufwands möglicherweise nicht zu den meistgelesenen, aber dafür zu den bekanntesten Werken der Literaturgeschichte.

Wenn es darum ging, wie schädlich Urheberverbotsrechte in den Händen von Erben sein können, musste in den letzten Jahrzehnten immer wieder der Fall James Joyce herhalten. Denn dessen einziger lebender Nachkomme Stephen Joyce triezte Wissenschaftler nicht nur mit horrenden Einsichtnahmegebühren und Zitatverboten, sondern schockte sie auch mit Mitteilungen, dass er große Teile des Briefverkehrs von Angehörigen vernichtet habe.

2004 wurde eine zum hundertjährigen Jubiläum des Bloomsday geplante Reihe von öffentlichen Lesungen aus Ulysses in Dublin nach Drohungen des Erben abgesagt. Dem Schauspieler Adam Harvey, der Teile von Finnegans Wake auswendig gelernt hatte, teilte der Erbe mit, dass er schon damit eine Copyright-Verletzung begangen habe. Und nachdem Stephen Joyce die irische Nationalbibliothek wissen ließ, dass eine geplante Ausstellung von Manuskripten das von ihm ererbten Monopol verletzen würde, musste schließlich sogar das Parlament des Landes mit einer maßgeschneiderten Gesetzesänderung einschreiten.

Deshalb sehnten viele Literaturwissenschaftler den 1. Januar 2012 herbei, an dem die Romane von James Joyce in Europa gemeinfrei wurden. Das Avantgarde-Archiv UbuWeb versandte aus diesem Anlass gleich einen unflätigen Tweet. Ganz besonders freute sich auch Sean Latham, ein Literaturprofessor an der Universität Tulsa in Oklahoma, der die Fachzeitschrift James Joyce Quarterly herausgibt. Dem New Yorker sagte Latham, er denke zusammen mit einem Studenten darüber nach, wie man ein Ulysses-Computerspiel gestalten könne. Ulysses ist der bekannteste Roman von James Joyce. Er schildert mit etwa 265.000 Wörtern einen Tag im Leben des Leopold Bloom und enthält entsprechend viel Innenleben.

Die Überlegungen zu einem Joyce-Spiel bewegen sich zwar noch auf einer rein theoretischen Ebene, aber nach dem Erscheinen des Jane-Austen-Videospiels Matches & Matrimony hofft Latham, dass sich auch ein Hersteller findet, der sich für den Klassiker der Moderne interessiert. Seiner Ansicht nach könnte ein mit Joyce-Material gestalteter Streifzug durch das edwardianische Dublin eine Art Grand Theft Auto ohne Autodiebstahl werden. Außerdem, so der Literaturwissenschaftler, sollte man so ein Spiel fast alleine schon deshalb programmieren, um zu sehen, wie Stephen Joyce darauf reagiert.

Doch selbst wenn solch ein Spiel nicht herauskommt, hat der Wegfall des Monopolschutzes einen wirtschaftlichen und kreativen Boom ausgelöst, der sich in zahlreichen bereits jetzt angekündigten Anthologien, Übersetzungen und Editionen zeigt. Allerdings gibt es noch rechtliche Unsicherheiten bezüglich posthum erschienener Werke - darunter Briefe, der unvollendete autobiografische Roman Stephen Hero und das Fragment Giacomo Joyce. Um sich davor zu schützen, dass Stephen Joyce einen Leistungsschutzrechtsanspruch auf diese Schriften für juristische Nachstellungen nutzt, forderte eine Reihe von Wissenschaftlern den irischen Kulturminister James Deenihan zu einer expliziten Klärung der Rechtslage auf.

Auch nicht englischsprachige Fassungen dürften im Falle von Joyce durchwegs eigene Schöpfungshöhe und damit einen eigenen Urheberrechtsschutz bis 70 Jahre nach dem Tod des Übersetzers genießen. Nicht zuletzt deshalb, weil die Übertragung der vielen Assoziationsnetze und erfundenen Wörter eine so schwierige Aufgabe ist, dass beispielsweise die deutsche Fassung von Finnegans Wake erst in den 1990er Jahren fertiggestellt wurde.

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