Das Axion bleibt unsichtbar

Bisher ist nicht einmal die Existenz des Axions einwandfrei nachgewiesen - und doch könnte dieses Elementarteilchen einen großen Teil der Masse des gesamten Weltalls bilden

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Besteht das Universum vor allem aus Machos? Oder doch eher aus Wimps? Kandidaten für die Zusammensetzung der Dunklen Materie, aus der unser Weltall vor allem besteht, gibt es genügend. Auch das - übrigens nach einem amerikanischen Waschmittel benannte - Axion gehört dazu: ein sehr leichtes und kurzlebiges Teilchen ohne Ladung, das aus der Wechselwirkung von Photonen und Magnetfeldern entsteht.

Dass das Axion noch nicht in sämtlichen Physik-Lehrbüchern Erwähnung findet, liegt vor allem daran, dass bisher niemand zweifelsfrei seine Existenz beweisen konnte. Trotzdem suchen Wissenschaftler weltweit nach dem Teilchen - es ist nämlich untrennbar mit einer sehr eleganten Lösung eines Problems der Quantenchromodynamik (QCD) verbunden. Die QCD beschreibt auf quantentheoretische Weise die starke Wechselwirkung - die Kraft, die für den Zusammenhalt der Quarks verantwortlich ist. Weil sie immer stärker wird, je größer der Abstand der ihr unterworfenen Objekte wird, gibt es keine freien Quarks.

Teil der CAST-Anlage (Bild: CERN)

Allerdings verletzt die starke Wechselwirkung zwei grundlegende Symmetrien der QCD, was nicht verboten ist, aber die Forscher deshalb verwundert, weil deren Produkt trotzdem konstant bleibt. Dies müsste theoretisch dazu führen, dass das Neutron ein elektrisches Dipolmoment besitzt - das aber in der Realität nicht nachweisbar ist. Die Peccei-Quinn-Theorie löst das Problem durch die Einführung eines neuen Elementarteilchens, des oben schon beschriebenen Axions.

Der aufmerksame Leser hat oben auch schon das Adjektiv "kurzlebig" bemerkt - und trotzdem soll das Axion als Kandidat für die Dunkle Materie in Frage kommen? "Kurz" ist hier mal wieder relativ - es sind, so die Theorie, nämlich auch schon beim "Big Bang" jede Menge Axionen entstanden. Die gingen in Folge eines ebenfalls in der Peccei-Quinn-Theorie beschrieben Effekts ihrer kinetischen Energie verlustig und bilden nun ein sehr kaltes, aber dafür umso stabileres Bose-Einstein-Kondensat als eine Art Suppe, in der das ganze Universum schwimmt, ohne groß etwas davon mitzubekommen.

Die praktischen Versuche, Axionen überhaupt erst einmal nachzuweisen, gehen deshalb in eine etwas andere Richtung: man versucht sich an ganz frisch entstandenen Teilchen, wie sie etwa im Kern der Sonne entstehen könnten. CAST, das "CERN Axion Solar Telescope" etwa versucht, derartige Axionen - wenn sie CAST erreichen, sind sie gerade einmal acht Minuten alt - mit Hilfe eines sehr starken Magnetfelds zu einer Wechselwirkung zu überreden. Dabei entstehen nachweisbare Photonen mit bestimmter Energie.

Bisher war allerdings das CAST-Team nicht erfolgreich, "das Axion zeigt sich einfach nicht", fasst der für das Röntgenteleskop zuständige Rainer Kotthaus zusammen. Damit scheint klar, dass zumindest im Bereich bis hin zu einer Energie von 400 meV keine Axionen zu finden sind. Im kommenden Jahr soll das bisher in der Konversionsröhre des CAST verwendete 4He durch 3He ersetzt werden; damit können die CERN-Forscher dann den Bereich bis 1 eV absuchen. Falls das Axion schwerer als 1 eV ist, kann es, sagt die Kosmologie, kaum zur Dunklen Materie beitragen.

Die mit Helium gefüllte Konversionsröhre des CAST-Experiments (Bild: CERN)

Ebenfalls auf CERN-Hardware beruht ein Fund, den US-Forscher in der Januar-Ausgabe des Journal of Physics G (doi:10.1088/0954-3899/34/1/009) beschreiben. Schon 1996 haben sie eine Fotoemulsion mit energiereichen Schwerionen bestrahlt. Die Auswertung dauerte fast genau zehn Jahre, und die Ergebnisse sind nicht ganz so eindeutig, wie die Pressemitteilung der University at Buffalo und ein New-Scientist-Betrag es darstellen. Womöglich haben Jain & Co. etwas gefunden, aber nicht genug, um wissenschaftlich sicher zu sein.

Erfolgversprechender sind da womöglich die Daten des italienischen PVLAS-Experiments. Das konnte kürzlich zeigen, dass sich die Polarisationsebene von Licht unter dem Einfluss eines starken statischen Magnetfelds dreht. Der Effekt wäre gut mit Hilfe von Axionen erklärbar - allerdings auch auf andere Weise. Die von PVLAS beobachteten Axionen wären mit 1 bis 1,5 eV etwas zu schwer, um Dunkle Materie zu bilden. Aber selbst falls das Axion bei seiner tatsächlichen Entdeckung als Kandidat für die Dunkle Materie ausfallen sollte, bleibt es doch nützlich: Forscher der Stockholmer Universität wollen damit ganze Sterne durchleuchten.

Modell des Gamma-ray Large Area Space Telescope (GLAST), das eigentlich schon Ende 2005 um die Erde kreisen sollte (Bild: NASA)

Die Idee basiert darauf, wie Axionen (theoretisch) entstehen: zum Beispiel durch die Wechselwirkung von Röntgenstrahlungs-Photonen mit starken Magnetfeldern, wie sie im Inneren von Sternen vorhanden sind. Wird eine starke Röntgenquelle, etwa ein Quasar, von der Sonne bedeckt, würden aus einigen der Röntgenphotonen zunächst Axionen entstehen. Diese wechselwirken mit Materie fast nicht und könnten den Kern unseres Nachbarsterns beinahe ungehindert durchdringen. Nach diesem Teil ihrer Reise würde ein (sehr kleiner) Teil dieser Axionen wieder in Photonen umgewandelt. Gelänge es, einen (aus unserer Perspektive) direkt hinter der Sonne stehenden Quasar trotzdem noch zu beobachten, wäre ein Nachweis für die Gültigkeit dieser Theorie erbracht. Darauf wird die Forschergemeinde aber mindestens bis Ende 2007 warten müssen: Erst das im Herbst nächsten Jahres startende Gamma-ray Large Area Space Telescope (GLAST) soll Instrumente mit ausreichender Genauigkeit bereitstellen.