Telomerase verlängert das Leben

Spanische Wissenschaftler konnten an krebsresistenten transgenen Mäusen zeigen, dass diese eine bis zu 50 Prozent längere Lebenszeit haben, wenn das mit Telomerase verbundene Krebsrisiko unterdrückt werden kann

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Wissenschaftler haben nicht nur Supermäuse geschaffen, die wesentlich leistungsfähiger sind (Genveränderte Supermäuse) sie haben nun auch gentechnisch veränderte Mäuse entwickelt, die krebsresistent sind und weitaus langsamer als gewöhnliche Mäuse altern. Würden Menschen ebenso verändert werden, dann könnten sie mit einer durchschnittlichen Lebenszeit von 120 Jahren rechnen.

Alterungsprozesse hängen auch mit dem Abbau der Telomere bei der Teilung der Chromosomen zusammen. Die Telomer-Kappen an den Enden der Chromosomen schützen diese vor Beeinträchtigungen. Allerdings ist die Länge der Telomere und deren Wiederherstellung begrenzt, so dass nur eine bestimmte Zahl der Zellteilung möglich ist. Diese eingebaute Endlichkeit könnte biologisch die Lebensdauer regulieren, sorgt aber auch dafür, dass sich gefährliche Zellen nicht endlos vermehren können. Könnte man den Abbau der Telomere durch Hinzufügung des für ihre Verlängerung zuständige Enzyms, die Telomerase Reverse Transkriptase (TERT), bremsen, dann müsste sich, der Theorie nach, die Lebenserwartung verlängern, wenn gleichzeitig verhindert wird, dass dadurch auch Tumore besser wachsen können. Telomerase wurde denn auch schon das "Unsterblichkeitsenzym" genannt (Traum vom ewigen Leben). Am Einbringen von Telomerase wird schon lange geforscht (Lebensverlängerung?).

Eine der krebsresistenten transgenen Mäuse, die dank vermehrter Telomerase-Produktion länger leben

Um diese Hypothese zu testen, haben die spanischen Wissenschaftler, wie sie in der Zeitschrift Cell schreiben, genveränderte krebsresistente Mäuse für ihren Versuch verwendet. Das ist notwendig, weil die Hinzufügung des Enzyms TERT zu Krebs führen kann. Krebszellen zeichnen sich wie embryonale Stammzellen u.a. dadurch aus, dass sie sich dank Telomerase unkontrolliert und vielleicht auch unbegrenzt vermehren können, weil sich bei ihnen die Telomere nicht bei jeder Teilung wie bei den deswegen alternden Krebszellen abbauen.

Das Problem ist also, dass man, wenn man den "Jungbrunnen" Telomerase den Zellen zuführt, damit sie nicht altern, drastisch das Risiko der Krebsentwicklung erhöht, was auch wieder zu frühzeitigem Tod führen kann. Interessant ist also die Forschung mit Telomerase in beiden Richtungen. Unterdrückt man die Bildung des Enzyms, ließe sich damit Tumore bekämpfen, vermehrt man die Bildung könnte dies zu einer Verzögerung des Alterns führen. Beides ist vielversprechend – als therapeutisches oder Anti-Aging-Mittel und als Einnahmequelle, wenn man das jeweils bestehende Dilemma löst.

Bei den Mäusen haben die spanischen Wissenschaftler das Dilemma mit Blick auf die Anti-Agig-Wirkung gelöst, indem sie durch Genveränderung für eine vermehrte Ausschüttung der Tumorsuppressoren p53 oder p16 und p19ARF gesorgt haben. Diese schützen vor zahlreichen Krebsarten. Die transgenen Mäuse (super-p53 (Sp53) oder super-p16/Arf (Sp16/SArf) sind geschützt vor Krebs, haben aber ein normales Lebensalter. Bei Mäusen mit allen drei Genen (Sp53/Sp16/SArf) wurde bereits ein verzögertes Altern festgestellt. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Tumorsuppressoren auch die Beschädigung von Zellen verhindern.

Die transgenen Mäuse wurden nun mit solchen Mäusen gekreuzt, die das TERT-Gen codieren und damit Telomerase verstärkt produzieren. Die daraus entstandenen transgenen TERT-Mäuse produzieren in ihren Geweben bis zu 10 Prozent mehr Telomerase. Maligne Tumore traten nicht auf. Bei ihnen heilten Entzündungen der Haut und im Magen- und Darmbereich, die bei älteren Mäusen häufiger vorkommen, schneller als bei gewöhnlichen Mäusen, Stammzellen wurden vermehr produziert. Gegenüber anderen gleich alten Mäusen nahm bei den transgenen TERT-Mäuse die neuromuskuläre Koordination nicht so schnell ab, auch metabolische Störungen und Genschädigungen durch Oxidation traten weniger häufig auf. Dafür lebten sie aber durchschnittlich bis zu 26 Prozent länger als normale Mäuse. Bei den transgenen Mäusen, die alle drei Tumorsuppressoren besaßen, verlängerte sich die Lebenszeit gar um 40 Prozent. Betrachtet man hier die Mäuse, die nicht an Krebs, sondern an Alter starben, so erhöhte sich der Lebensverlängerungseffekt auf 50 Prozent.

Überexpression von Telomerase verlängert nicht nur das Leben, so die Wissenschaftler, sofern die Tumorbildung unterdrückt werden kann, sondern erhöht auch schon die Fitness von jungen Mäusen. Zudem wurde festgestellt, dass auch bei den transgenen Mäusen, die keine erhöhte Telomerase-Produktion hatten, der Abbau der Telomere weniger schnell als bei normalen Mäusen eintritt.

Maria Blasco vom Centro Nacional de Investigaciones Oncológicas in Madrid, die führende Wissenschaftlerin der Studie, sagte, Telomerase sei dazu imstande, "eine normale, sterbliche Zelle in eine unsterbliche Zelle" zu verwandeln. Und natürlich sorgt sie für Optimismus und kündet an, dass sich wahrscheinlich mit einem ähnlichen Ansatz auch irgendwann die menschliche Lebenszeit verlängern lassen könnte, wenn man die negativen Effekte der Telomerase durch entsprechende Anti-Krebs-Medikamente verhindert.

Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg, wenn es überhaupt möglich sein sollte. Die gesellschaftlichen Folgen einer steigenden Lebenserwartung, die auch ohne das Wundermittel Telomerase eintreten, lassen sich schon jetzt beobachten. Das dürfte freilich denen, die es sich leisten könnten, in den Jungbrunnen zu steigen, egal sein. Schon jetzt haben die reichen Menschen schließlich eine höhere Lebenserwartung als die Armen.