Unter Weißen: "Rassismus gibt es überall"

Mohamed Amjahid. Bild: Götz Schleser

Jeder hat rassistische Vorurteile - es kommt darauf an, sie zu erkennen und zu korrigieren, meint der Journalist Mohamed Amjahid

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Wie fühlt es sich an, als nichtweißer Mensch "Unter Weißen" zu leben, wie geht man mit dem alltäglichen mal mehr, mal weniger subtilen Rassismus um? Wie erkennt man Vorurteile, wie kann man sie korrigieren? Die Geschichte der Ressentiments ist auch eine Frage der Privilegien, also der Stellung eines Menschen in der Gesellschaft, meint der Journalist Mohamed Amjahid, der marokkanische Wurzeln hat und jetzt ein Buch zu dem Thema vorgelegt hat: "Unter Weißen. Was es heißt, privilegiert zu sein".

Wann hast Du Dich zuletzt bei einem rassistischen Vorurteil ertappt? Und wie hast Du reagiert?

Mohamed Amjahid: Einmal, als ich in den USA war, habe ich an einem Busbahnhof mein Handy aufgeladen. Als der Bus kam, stöpselte ich es aus. Neben mir stand ein junger schwarzer Mann und sagte: Du denkst, dass ich dein Handy klauen will. Ich verneinte und rannte zum Bus. Und fragte mich, warum ich eigentlich so sicher bin, dass ich nichts Derartiges gedacht habe, ob ich nicht unbewusst doch Vorurteile hatte. Das hat mich tagelang umgetrieben. Ich bin überzeugt, dass wir alle solche Ressentiments in uns haben.

Ein anderes Beispiel: Kurz nach der Silvesternacht recherchierte ich in Köln fürs Zeit-Magazin. Ich war in der Taunusstraße in Köln-Kalk. Die Gegend gilt als "Marokkanergetto". Unter einer S-Bahn-Brücke kam mir ein junger Mann entgegen, der nordafrikanisch aussah. Da hatte ich ein mulmiges Gefühl. Er lief einfach vorbei. Ich hatte vorher all diese Berichte über Silvester gelesen, auch in der Bild, dem Express, das gehörte zu meiner Recherche. Dabei sehe ich selbst ja auch so aus, dieses Gefühl war völlig irrational und unbegründet. Aber Gefühle kann man nicht immer kontrollieren. Deshalb ist es so wichtig, sich selbst immer zu hinterfragen und zu reflektieren.

"Man denkt immer, Rassisten sind die anderen"

In Deinem Buch geht es explizit nicht um rechtsradikale Gruppierungen wie die Anhänger von NPD, AfD oder Pegida, sondern um Rassismus in der Mitte der weißen Gesellschaft. Was sind typische Beispiele für diesen Alltagsrassismus? Und wie oft erlebst Du selbst so etwas?

Mohamed Amjahid: Das beginnt schon mit schiefen Blicken, wo mir dann viele sagen: Sei nicht so weinerlich. Aber es ist unangenehm, wenn sich Menschen im Bus wegsetzen, Frauen ihre Tasche umklammern. Und es geht bis zu konkreten rassistischen Ausfällen wie dem Racial Profiling. Kürzlich war ich in Budapest. In einem Bus kam ein Mann auf mich zu und schrie mich an. Ich verstand ihn nicht. Eine junge Frau übersetze mir dann, dass der Mann meinte, ich solle mich im Bus nach hinten setzen, wo ich seiner Meinung nach hingehöre.

Man denkt immer, Rassisten sind die anderen, sind jene, die als Neonazis erkennbar sind. Aber damit machen wir es uns zu einfach. Rassismus gibt es überall im öffentlichen Raum. In der Verwaltung, an der Uni, im Supermarkt. Wir alle haben das in uns, weil es uns so beigebracht wurde.

Du schreibst im Buch, dass Du Hassmails mitunter auch von Professoren erhältst. Bildung allein scheint also keine Voraussetzung zu der Fähigkeit, eigene Vorurteile zu reflektieren, zu sein ...

Mohamed Amjahid: Ich habe zum Buch sehr viel Feedback bekommen. Eine Ethnologin fragte, was mir einfalle, mich so zu äußern. Solche Mails bekomme ich regelmäßig von gut gebildeten und ausgebildeten Personen: Geh zurück nach Hause, kritisiere deine eigene Religion. Dabei kennen mich diese Leute gar nicht.

Nein, Bildung ist kein Heilmittel gegen Ressentiments. An der Uni erklärte mal ein Professor, dass Migration und Kriminalität monokausal zusammenhängen, dabei gaben die Statistiken, die er dazu anführte, diese Interpretation gar nicht her. Trotzdem hat ihm niemand widersprochen. Sowas hatte ich nicht erwartet, als ich anfing zu studieren. Vielleicht war ich einfach naiv.

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