Pakistans Wasserkrise wird immer bedrohlicher

Anstehen für etwas Wasser ist in Pakistan völlig normal. Foto: Gilbert Kolonko

Selbst die pakistanische Wohlfühlinsel Islamabad hat die Wasserkrise erreicht

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Aktuell können nur noch 50 Prozent des Wasserbedarfs der Hauptstädter gedeckt werden, teilte letzte Woche der Direktor für die Wasserverteilung Islamabads, Nasir Jamil Butt, mit - dabei hat die heiße Jahreszeit erst begonnen. Sollte es in kürze nicht regnen - und dass ist nicht zu erwarten - seien die beiden größten Dämme des Landes im Juni leer.

In der südlichen Megametropole Karatschi herrschen sogar schon 60 Prozent Unterversorgung. Dazu sind laut einer Studie 91 Prozent des Wassers das zur Verfügung steht, für den menschlichen Verzehr ungeeignet. Auch haben die Temperaturen bis 44 Grad Celsius in Karatschi schon für erste Hitzetote gesorgt, weil Zeitgleich die Stromversorgung regelmäßig zusammenbricht - letzte Woche hat auch noch der Ramadan begonnen.

In Islamabad sind 33 von 190 Brunnen seit Jahren kaputt, aber dass nicht einmal in der Vorzeigestadt des Landes Geld für Reparaturen vorhanden ist, überrascht nicht: Im diesjährigen Staatshaushalt gehen 23 Prozent an die Armee, weitere 5 Prozent müssen für die Pensionen der Soldaten und Generäle aufgewendet werden und 27 Prozent für die Schuldentilgung.

Dass trotz alarmierender Wassernotstände im ganzen Land, die Medien das Problem kaum ansprechen, überrascht ebenfalls nicht: Ein Bericht von media rights watchdog zeigt auf, dass der Druck der pakistanischen Geheimdienste auf Journalistin so zugenommen hat, dass die Selbstzensur der pakistanischen Medien ein neues Hoch erreicht hat.

Statt die Wasserkrise zu erwähnen, müssen die Fernsehsender Pakistans während des Ramadans auf die fünf täglichen Gebetszeiten hinweisen, teile die staatliche Behörde Pemra am Freitag mit, ansonsten würden die Sender ihre Lizenzen verlieren. Ein befreundeter pakistanischer Journalist antwortete darauf mit Ironie: "Die Religiosität nimmt in Pakistan spürbar ab - da müssen wir unbedingt gegensteuern. Dass es Wasserprobleme gibt, merken die Menschen doch täglich ohne uns". Dabei hat selbst der Allwetterfreund China Islamabad schon vor einem halben Jahr auf die schweren Wasserprobleme Pakistans hingewiesen. Natürlich nicht ganz uneigennützig: Pakistan ist Pekings wichtigster Baustein in der Region für die Pläne ihrer neuen Seidenstraße.

Pakistan besitzt über 7000 Gletscher, doch Verschwendung verwandelt den Reichtum in Mangel. Foto: Gilbert Kolonko

Doch mit lautem Geschrei machen die pakistanischen Verantwortlichen Indien für ihre Wasserprobleme verantwortlich. Vor einer Woche reiste eine Delegation extra nach Washington um sich bei der Weltbank über Indiens Bau des Kishanganga-Damms zu beschweren. Der Kishanganga-Fluss fließt von Pakistan in den von Indien kontrollierten Teil Kaschmir und dann zurück nach Pakistan. Mit dem Damm möchte Indien den Fluss jedoch ins Landesinnere umleiten. Indien startete das Projekt schon im Jahr 2007. Die Weltbank versuchte mehrmals zu vermitteln. Ob der Kishanganga-Damm das Indus-Wasserabkommen von 1960 verletzt, dass die Wasserverteilung der Flüsse regelt, die durch Indien und Pakistan fließen, ist noch nicht geklärt. Bis jetzt hat das Abkommen sogar drei Kriege und mehre große Krisen beider Länder überstanden.

Zudem wies die Weltbank Pakistan schon im Jahr 2005 auf die Wasserkrise hin und nannte auch den Grund für die Probleme: "Pakistan verfährt nach dem Prinzip: Bauen, vernachlässigen, wieder aufbauen. Dabei ignorieren die Verantwortlichen alle wissenschaftlichen Fakten und strapazieren die Infrastruktur des Landes, bis sie zusammenbricht." Dazu kommt die Wasserverschwendung: Mit dem Karakorum-, dem Himalaya- und dem Hindukusch-Gebirge verfügt die Islamische Republik über die größten Schmelzwasservorkommen außerhalb der Polarregion. Doch 96 Prozent des Schmelzwassers werden für die Bewässerung der Felder benutzt, wovon 60 Prozent allein wegen undichter Dämme versickern.

"Es ist nicht so, dass unsere Verantwortlichen völlig tatenlos sind", sagt der Finanzberater Ali aus Karatschi:

Aber ihre Anstrengungen beschränken sich vorwiegen auf das kurzfristig Flicken, so dass die zur Verfügung stehende Menge Wasser zwar nicht abnimmt, aber durch das Bevölkerungswachstum die pro Kopf zur Verfügung stehende Menge. So entsteht der falsche Eindruck, unser Bevölkerungswachstum sei Grund der Wasserkrise. Pakistan hat eigentlich genug Wasser. Doch wir verschwenden es. Dazu kommen unzählige Wasserprojekte aus den üblichen Gründen nicht voran: Korruption und Planungsfehler, so dass sich die Projekte immer wieder verspäten und teurer werden. Natürlich sei das Bevölkerungsproblem ein Problem das ebenfalls ignoriert werde. Aber die Gründe dafür liegen in mangelnder Bildung und Armut.

Zu diesen Worten passt die Aussage der Wasserbehörde Islamabads, dass sie Projekte in Arbeit haben, die im Jahr 2050 die jetzt benötigte Wassermenge liefern werden. Dass Pakistans Bevölkerung im Jahr 2050 nach vorsichtigsten Schätzungen von jetzt 208 Millionen auf 350 Millionen anwachsen soll, wird ignoriert. Auch die Begründung wo das Geld für Infrastrukturprojekte herkommen soll, ist immer die gleiche: Chinesische Kredite. Ebenso wie die Argumentation wie die bis jetzt schon 50-60 Milliarden chinesischer Kredite zurückbezahlt werden sollen: Durch Handel mit China auf der neuen Seidenstraße. Welchen Handelsschub Pakistan durch die neue Seidenstraße schon erfahren hat, zeigte sich im Mai im Grenzort Sust, dem Zollposten des einzigen Handelslandweg zwischen China und Pakistan: Während eines einmonatigen Streikes der lokalen Händler, strandeten nur 36 Laster.

So wird es wegen verstopfter Gullys in zwei Monaten in Lahore aussehen - wie jedes Jahr. Foto: Gilbert Kolonko

Dass Peking in anderen Zeitdimensionen denkt, ist mittlerweile bekannt. Doch diese Zeit hat Pakistan nicht mehr. Ebenfalls in der letzten Woche ließ ein bis jetzt unbekannter Fehler das komplette Stromsystem der Provinzen Punjab und Khyber Pakhtunkhwa zusammenbrechen: 130 Millionen Menschen hatten 10 Stunden durchgehend keinen Strom - anschließend herrschten wieder die normalen Stromausfälle, obwohl mittlerweile genug Strom vorhanden ist.

In zwei Monaten, mit dem Eintreffen des Monsuns, werden wieder Nachrichten von Überschwemmungen aus Pakistan eintreffen. Trotz der schweren Hochwasser von 2010/11 die bis zu 18 Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben hatten, haben die Verantwortlichen keine nennenswerten Vorkehrungen getroffen, die ähnliches verhindern. Dazu stehen jeden Monsun Pakistans Großstädte unter Wasser, weil verstopfte Gullys das Wasser stauen.

Peking dachte, es reiche aus, Pakistan ein paar Stromkraftwerke hinzustellen (die sie sich auch noch gut bezahlen ließen) und dem Partner anzuweisen, die Kredite in Verkehrswege zu investieren. Doch Pakistans komplette Infrastruktur ist in einem desolaten Zustand. Wenn China seine Pläne von der Seidenstraße auch in diesem Teil der Erde verwirklichen möchte, werden sie bald eigenes Geld in die Hand nehmen müssen, um auch Pakistans Wasserkrise selbst zu lösen. In Gwadar, 500 Km westlich von Karatschi, wo China mit Milliarden Dollar einen Tiefseehafen gebaut hat, haben sie es schon: Aber selbst drei kleine Staudämme in der Region konnten den Wassermangel nicht beheben. Pakistan wird für Peking teurer werden als gedacht - sehr viel teurer.