Sonnenernte auf dem Acker

APV-Pilotanlage Heggelbach, Oberndorf in Herdwangen-Schönach. Bild: Max Trommsdorff/ CC BY-SA 4.0

Nahrungspflanzen konkurrieren mit Energiepflanzen und Solarmodulen. Fruchtbares Ackerland wird knapp. Ein Ausweg könnte Agrophotovoltaik sein

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In der Region um den Bodensee lässt sich die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien nicht so einfach umsetzen. Windkraftanlagen lohnen sich nicht, denn es gibt kaum Wind. Photovoltaik wäre eine Option, doch Ackerland ist knapp und teuer. Zudem geraten Energieversorger, die auf Freiflächen Photovoltaikanlagen betreiben, immer öfter unter Druck, weil sie der Landwirtschaft Nutzflächen entziehen.

Auf der anderen Seite ist die Stromerzeugung zehn Mal so lukrativ wie die Nahrungsproduktion, weiß Thomas Schmid, einer der Biobauern der Hofgemeinschaft Heggelbach. Er will beweisen, dass man Strom erzeugen kann, ohne auf den Anbau von Nahrungsmitteln verzichten zu müssen.

Unterstützt durch das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) installierten Wissenschaftler und Biobauern 2016 und 2017 auf dem hofeigenen Gelände die größte Agrophotovoltaikanlage (APV) in Deutschland.

Auf mehr als einem Drittel Hektar Ackerfläche errichteten sie fünf Meter hohe Solarmodule mit einer Leistung von 194 Kilowatt. Darunter säten sie Winterweizen, Kartoffeln, Sellerie und Kleegras ein. Ein größerer Reihenabstand zwischen den bifazialen Glas-Glas-Solarmodulen mit Ausrichtung nach Südwesten stellt sicher, dass alle Pflanzen gleichmäßig Sonne erhalten.

Die Praxistauglichkeit der Anlage zeigte sich bereits nach einem Jahr, erklärt Bio-Bauer Florian Reyer in einem Video des ISE. Einzige Einschränkung seien die Pfosten. Ansonsten ließe sich wie gewohnt Landwirtschaft betreiben. Unterm Strich liegt die Effizienz der kombinierten Landnutzung mit Ackerbau und Photovoltaik bei 186 Prozent. So wiesen die Wissenschaftler bereits nach dem ersten Versuchsjahr eine Steigerung der Landnutzungsrate auf 160 Prozent nach.

Schatten fördert Pflanzenwachstum

Im Schatten von Solarpanelen wachsen Ackerfrüchte langsamer, sollte man meinen. Tatsächlich gab es Ernteverluste, doch die hielten sich in Grenzen. Laut Petra Högy, Agrarexpertin an der Universität Hohenheim, war der Ertrag bei Kleegras in der Erntesaison 2017 im Vergleich zur Referenzfläche um rund fünf Prozent reduziert. Bei Kartoffeln, Weizen und Sellerie waren die Ernteverluste mit bis zu 19 Prozent etwas stärker ausgeprägt.

Ein Jahr später fiel die Kleegrasernte um acht Prozent geringer aus. Winterweizen, Kartoffeln und Sellerie hingegen warfen unter der APV-Anlage höhere Erträge ab als auf dem Acker ohne Solarmodule, wobei der Sellerie um zwölf Prozent und der Winterweizen um drei Prozent zulegte. Bezogen auf Kartoffeln steigerte sich die Landnutzungseffizienz um ganze 86 Prozent pro Hektar.

Auch das Mikroklima wurde untersucht: So war die photosynthetisch aktive Sonneneinstrahlung unter den Modulen rund 30 Prozent niedriger als auf der Referenzfläche. Die Bodentemperaturen unter der APV waren im Frühjahr und Sommer weitaus niedriger, die Lufttemperatur hingegen etwa vergleichbar hoch.

In den trockenen Sommermonaten von 2018 war der Boden im Weizenbestand unter der APV-Anlage verglichen mit dem Referenz-Acker deutlich feuchter, während er in den Wintermonaten trockener blieb. Gerade hier zeigten sich die Vorteile der Beschattung: Weil die solare Einstrahlung um 8,4 Prozent über der des Vorjahres lag, steigerte sich die Solarstromproduktion um zwei Prozent auf rund 250.000 Kilowattstunden. Gleichzeitig erhöhten sich unter den Solarmodulen die Ernteerträge.

Solarmodule auf verstrahlten Reisfeldern

Agrophotovoltaik bietet ein großes Potenzial für aride Klimazonen, können doch gerade in trockenen Regionen Kulturpflanzen und Nutztiere von der Verschattung durch APV-Module profitieren. Um mehr über den Wirkungsgrad zu erfahren, seien allerdings weitere Versuche in anderen Klimaregionen und mit anderen Kulturenarten nötig, heisst es.

Das Fraunhofer ISE begleitet mehrere APV-Pilotprojekte in Asien. So legt eine Vorstudie für den indischen Bundesstaat Maharashtra nahe, dass sich auf Grund des Schattens unter den Solarpanelen und der geringeren Verdunstung bei Tomaten und Baumwolle bis zu 40 Prozent höhere Erträge erreicht werden.

Max Trommsdorff, Mitarbeiter am ISE rechnet sogar mit einer Verdopplung der Landnutzungseffizienz in der Region. Im Rahmen des EU-Programms Horizon 2020 prüfen die Fraunhofer-Forscher außerdem, wie sich die APV-Anlagen auf den Wasserhaushalt in Algerien auswirken. Neben geringerer Verdunstung und niedrigeren Temperaturen spielt auch die Gewinnung von Regenwasser eine Rolle.

Auch in Japan werden erste Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarer Energie etabliert, unter anderem Photovoltaikanlagen auf Reisfeldern. So sind zahlreiche Felder seit dem Reaktorunglück in der Region Fukushima radioaktiv verstrahlt und landwirtschaftlich nicht oder kaum nutzbar. Zwar wurden die obersten kontaminierten Bodenschichten abgetragen, damit ging aber auch der fruchtbare Humus verloren, so dass diese Äcker seither wesentlich weniger Erträge bringen.

Ein Video zeigt, wie ein japanischer Bauer unter den Solaranlagen Gras gemäht, um es als Heu an seine Rinder zu verfüttern. Andere Bauern errichteten Schatten spendende APV-Anlagen auf Reisfeldern. Eigenen Berichten zu Folge kommen sie mit den Erlösen aus dem Solarstrom finanziell sogar besser über die Runden als nur mit Reisanbau.

Photovoltaik mit Shrimpszucht und Beerensträuchern

Die weltweit größte Solaranlage, eine APV-Anlage mit einer Leistung von rund 700 Megawatt, steht in China, am Rande der Wüste Gobi. Die Fläche darunter war so degradiert, dass sie landwirtschaftlich nicht mehr nutzbar war. Dank APV gedeihen unter den Solarpaneelen heute Beerensträucher mit Tröpfchenbewässerung, während das Grundwasser solarstrombetrieben hochgepumpt wird. Nach der Ernte werden die Beeren getrocknet und im Müsli verarbeitet.

Auf einer Shrimpsfarm in Bac Liêu im vietnamesischen Mekong Delta wird untersucht, wie man beim Ausbau der Shrimps-Produktion die Wasserressourcen schützen, die Landnutzung begrenzen und gleichzeitig Kohlendioxid- Emissionen reduzieren kann.

Ersten Ergebnissen zufolge kann die Pilotanlage etwa 15.000 Tonnen Kohlendioxid einsparen und den Wasserverbrauch im Vergleich zu einer konventionellen vietnamesischen Shrimps-Farm um 75 Prozent senken. Den Wissenschaftlern zu Folge steigt die Landnutzungsrate einer APV-Anlage, wenn man sie mit Aquakultur kombiniert, im Vergleich zu einer Freiflächenanlage um mindestens 65 Prozent.

Drei APV-Anlagen mit einer Leistung von je 13 Kilowatt wurden 2018 in Chile getestet. Auf drei landwirtschaftlichen Betrieben wurde untersucht, wie gut diverse Kulturpflanzen mit weniger Sonne zurechtkommen. Über Sensoren wurden Sonneneinstrahlung, Luftfeuchte, aber auch Bodenfeuchte und Bodentemperatur gemessen. Auf einem Betrieb wurden unter der APV-Anlage professionell Brokkoli und Blumenkohl angebaut und der gewonnene Solarstrom zur Reinigung, Verpackung und Kühlung genutzt.

Auf dem zweiten Betrieb wurden Kräuter kultiviert. Eine dritte APV-Anlage wurde in einer abgelegenen Region mit unzuverlässiger Stromversorgung installiert. Neben der Stromversorgung von sieben Familien sollte sie einen Inkubator zum Ausbrüten von Hühnereiern mit Strom versorgen.