Der schnellste Spionageprozess der Geschichte

Anklageverlesung, Beweisaufnahme und Urteil im Fall Alexander B. an einem Tag

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Am 22. Oktober 2019 fand der Prozess gegen den jordanischen Geheimagenten Alexander B. vor dem Oberlandesgericht Thüringen in Jena statt. Eigentlich waren für den Spionageprozess drei Verhandlungstage vorgesehen. Tatsächlich stellte der so genannte Staatsschutzsenat einen neuen Rechtsstaatsrekord auf: Anklageverlesung, Beweisaufnahme und Urteil an einem Tag! Nur fliegende Standgerichte arbeiten noch schneller.

Von März 2016 bis zum Mai 2018 hatte Alexander B. den Deutschsprachigen Islamkreis e. V., eine salafistische Gruppierung des "Islamischen Staates" unter Führung von "Abu Walaa" alias Ahmad Abdulaziz Abdullah Abdullah in Hildesheim ausspioniert. Allerdings arbeitete Alexander B. nicht für den deutschen Verfassungsschutz, sondern für den jordanischen Da'irat al Muchabarat al-Amma in Amman. Am 7. August 2018 erfolgte seine Festnahme durch das Bundeskriminalamt wegen "staatsfeindlicher Agententätigkeit" (Aktenzeichen: 1 BGs 218/18). Allerdings wies das Thüringer Oberlandesgericht in Jena am 12. November 2018, die Anklage ab (Aktenzeichen: 3 St 3 BJs 20/17). Mit seiner Spionage gegen die Terrorverdächtigen habe Alexander B. keine Straftat begangen, sondern dem Vaterland einen Dienst erwiesen (Spion gegen Terroristen).

Diese Entscheidung wurde von Seiten der deutschen Sicherheitsbehörden mit großem Bedenken aufgenommen. Ein hochrangiger Verfassungsschützer erklärte: "Wenn das Schule macht, dann haben wir ein echtes Spionageproblem." Man könne doch nicht mit diesem Urteil jedem nahöstlichen Geheimdienst quasi einen Freibrief für die Anwerbung von Agenten in Deutschland zukommen lassen. Daraufhin ging der Generalbundesanwalt in Revision. Am 4. April 2019 beschloss der Bundesgerichtshof, dass das Oberlandesgericht in Jena die Klage doch zulassen und sich mit dem Fall neu befassen müsste (Aktenzeichen: StB 54/18 und StB 55/18).

So begann am 22. Oktober endlich der Prozess gegen Alexander B. vor dem OLG in Jena unter dem Vorsitzenden Richter Martin Giebel. Zunächst verlas die Oberstaatsanwältin Yasemin Tüz von der Bundesanwaltschaft die Anklage. Daraufhin räumte der Angeklagte in seiner Einlassung ein, dass er Informationen über die Salafisten vom DIK tatsächlich weitergegeben habe: "Das waren Islamisten, die gesagt haben, sei wollen im Namen Gottes töten und Nichtgläubigen den Kopf abschlagen." Er habe aber nicht gewusst, dass sein "Freund" Hazem ein Agent des jordanischen Geheimdienstes gewesen sei; er habe ihn lediglich für einen Mitarbeiter der Passkontrolle am Flughafen in Amman gehalten. Mit der Weitergabe seiner Informationen habe er verhindern wollen, dass die Islamisten nach Jordanien einreisen konnten.

Unterstützt wurde der Angeklagte von seinem Verteidiger, Rechtsanwalt Wolfgang Stahl (Koblenz), der schon im NSU-Verfahren Beate Schäpe vertreten hatte.

Die Richter glaubten dem Angeklagten seine gespielte Naivität, obwohl in mehreren Presseberichten schon zuvor darauf hingewiesen wurde, dass Alexander B. mehrfach nach Amman reiste und als "VIP" sogar im Hauptquartier des Geheimdienstes empfangen worden war. Alexander B. wurde zu einer Haftstrafe von 1 Jahr auf Bewährung verurteilt (Aktenzeichen: 3 St 3 BJs 20/17). Sein Urteil versuchte das Gericht in einer Presserklärung zu rechtfertigen:

Im Rahmen der Hauptverhandlung hat der Angeklagte die Anklagevorwürfe im Wesentlichen bestätigt. Im Zentrum der Strafzumessungserwägungen des Oberlandesgerichts standen die für eine Agententätigkeit atypischen Umstände des festgestellten Tatgeschehens, nach denen von den ausspionierten Personen selbst eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausging und die Motivation des Angeklagten bei der Tatbegehung maßgeblich von dem Willen der Bekämpfung dieser Gefährder getragen war.

Oberlandesgericht Thüringen

Der Angeklagte fand die Strafe nicht zu hart und verzichtete auf eine Revision. Ob die Bundesanwaltschaft in Revision geht, bleibt abzuwarten.