Trump: "Abu Bakr al-Baghdadi ist tot"

Al-Bagdadi. Screenshot IS-Propagandavideo, Twitter Wassim Nasr

Weißes Haus: Der frühere IS-Kalif zündete infolge einer Operation von US-Spezialtruppen seinen Sprengstoffgürtel. Sein Zufluchtsort befand sich in Idlib

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US-Präsident Trump gab heute über TV bekannt, dass der IS-Führer "Abu Bakr al-Baghdadi tot ist". "Vergangene Nacht haben die Vereinigten Staaten die weltweite Nummer 1 unter den Terroristenführern zur Rechenschaft gezogen."

Al-Baghdadi habe sich selbst durch das Auslösen eines Sprengstoffgürtels umgebracht, auch zwei Frauen töteten sich angeblich auf diese Weise (was später allerdings nicht mehr berichtet wurde), auch Kinder seien dabei ums Leben gekommen, so der Bericht der New York Times, der das Video des TV-Auftritts Trumps enthält, bei dem er auch auf Fragen von Journalisten einging (die Wiedergabe des Weißen Hauses hier). Dem NYT- Bericht zufolge sagte Trump, dass al-Bagdadi "wie ein Hund und wie ein Feigling gestorben" sei. Er habe bei seiner Verfolgung durch US-Soldaten und Militärhunden "gewinselt".

Der Tod des früheren Kalifen, dem viele Treueeide geschworen wurden, wurde schon zuvor in einigen Medienmeldungen verkündet. Trump selbst kündigte gestern Abend via Twitter an, dass "etwas sehr Großes gerade passiert ist".

Man wartete auf eine Bestätigung durch DNA-Proben. Geht es nach den Informationen der New York Times - die bekanntlich Trump sehr kritisch gegenüber steht -, so gab es einigen Druck, die Überprüfung zu beschleunigen und mutmaßlich nicht so sorgfältig durchzuführen, wie dies frühere Präsidenten getan hätten. Für Trump sei es wichtig gewesen, die Nachricht am heutigen Sonntagmorgen im TV zu verkünden. Der US-Präsident war zuletzt durch den Truppenabzug in Syrien und seine Politik gegenüber der Türkei stark unter Druck geraten.

Zum genauen Ablauf der offenbar lange vorbereiteten Operation der US-Elite-Einheiten gibt es noch einige Unklarheiten. Auch darüber, wer bei der Vorbereitung in welcher Form mitbeteiligt war. Auf der Liste derjenigen, die Trump für die Mithilfe dankte, tauchte zum Erstaunen der US-Medien auch Syrien auf, also die syrische Regierung, Russland wurde ebenfalls erwähnt wie auch der Irak und die Türkei und die Kurden, die "hilfreiche Informationen" beisteuerten.

Gewissermaßen als eigene Pointe reklamieren sowohl der türkische Geheimdienst wie auch der SDF-Führer Mazlum Kobani eine wichtige Rolle bei den Vorbereitungen bei der Fahndung nach dem Aufenthaltsort des IS-Führers. Mit der Türkei verbundene oder sympathisierende Medien und Journalisten akzentuierten in den letzten Tagen Verbindungen des SDF-Kommandeurs Mazlum zur PKK.

Ohnehin weist der Zeitpunkt des Zugriffs auf den IS-Führer auf Zusammenhänge mit Vereinbarungen im Hintergrund zur türkischen Militäroperation "Friedensquelle" im Nordosten Syriens hin. Es wäre keine große Überraschung, wenn dazu in den nächsten Tagen noch einiges Material auftaucht. Aufhorchen ließ in ersten Reaktionen der Ort des Geschehens.

Al-Bagdadi hatte - wenn denn sein Tod durch weitere Überprüfungen bestätigt wird (man habe genug DNA, heißt es) - Zuflucht in Idlib gefunden, in 5 Kilometer Entfernung zur türkischen Grenze, angeblich in einem Haus, das einem Hurras ad-Din-Führer gehören soll. Hurras ad-Din ist offiziell und nicht nur, weil Medien dies spekulieren, mit der gegenwärtigen al-Qaida-Führung verbunden.

Das wird die Köpfe mancher Dschihad-Experten beschäftigen, hatten sie doch immer auf die Unterschiede und Trennlinien zwischen IS, HTS (Hayat Tahrir asch-Scham, früher al-Nusra-Front) und al-Qaida gepocht. Mit dem Aufspüren von al-Bagdadi zeigt sich, dass die Trennlinien offenbar, wenn es ums Ganze geht, nicht wirklich wichtig waren. Das bestätigt und festigt die Behauptung, dass Idlib zu einem Quasi-Staat geworden ist, der Dschihadisten aller Art versammelt und einigt.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Frage, wie es möglich ist, den Führer der IS-Miliz aufzuspüren und ihn "zu stellen" (die Art dieser Justiz ist eine eigene Diskussion), währenddessen der Führer der HTS-Miliz, al-Golani (meist al-Jolani geschrieben), offensichtlich von solchen Operationen unbehelligt bleibt. Auch sein Aufenthaltsort dürfte beispielsweise dem türkischen Geheimdienst bekannt sein. Zumal sich al-Golani immer wieder auch in der Öffentlichkeit in Idlib zeigte.

Hinter solchen Aktionen, die an Trophäen-Jagden archaischer Zeiten erinnern, steckt immer ein Politikum. Dem Sieger wird ein politischer PR-Moment gegönnt, dem Absprachen verschiedener Interessen vorausgehen. Trump sagte, dass die Aktion, die zum Tod des IS-Führers führte, historisch sei: "Very big day for our country".

Sein Vorgänger Obama, mit dem Trump in einer besonderen Konkurrenz steht, hatte die Tötung von Osama Bin Laden herausgestrichen. Es gibt Parallelen. Trump berichtete, dass er die Aktion, durchgeführt mit mehreren Hubschraubern, wie einen Live-Kinofilm verfolgte. Al-Qaida wurde nach der Tötung Osama bin Ladens nicht schwächer. Die Terrorgruppe spielt nach wie vor eine große Rolle. Der IS wird Schwierigkeiten haben, einen charismatischen Nachfolger zu finden, dem der Treueeid von Gruppen in aller Welt geschworen wird. Aber der Dschihad der IS-Prägung wird damit nicht aufhören.