USA: Innenpolitischer Stillstand

Von der Macht der US-Präsidenten in Krisenzeiten und der Ohnmacht Bidens gegenüber seiner Partei

Joe Bidens Regentschaft war bis jetzt reich an kleinen und großen Krisen. Doch trägt die Regierung der Demokraten wohl kaum Schuld an der weitverbreiteten Corona-Pandemie, war doch die Entscheidung, eine Maske zutragen und sich impfen zu lassen, schon unter Trump zu rein politisch-symbolischen Akten verkommen.

Auch kann man Biden schwer vorwerfen, dass Putin das Zurückweichen der US-amerikanischen Hegemonialmacht mithilfe der Chinesen zu seinen Gunsten nutzt. Doch aus diesen Krisen könnten sich für den US-amerikanischen Präsidenten auch politische Chancen ergeben. Hat er vor, Chancen zu nutzen?

Die Frage stellt sich, weil bisher wurden alle Versuche des "Commander and Chief", soziale und wirtschaftliche Reformen durchzusetzen, torpediert wurden. Vom politischen Gegner aus der Republikanischen Partei, aber eben auch aus den eigenen Reihen, von der Demokratischen Partei.

Das birgt einige Probleme, denn die Demokratische Partei unter Biden muss vor den Zwischenwahlen am 6. November 2022 zumindest den Anschein einer gewissen Regierungsfähigkeit erwecken.

Blockaden

Bisher haben sogenannte moderate Demokraten, allen voran Senator Joe Manchin, dem vom Weißen Haus entworfenen Build Back Better-Budget-Rahmen und dessen Reinkarnation, dem Building a Better America-Plan, die Unterstützung verweigert. Zuletzt boykottierte Manchin den Plan des Präsidenten, solche Projekte teilweise durch eine Milliardärs-Steuer zu finanzieren.

Und da Biden nicht die Autorität besitzt, seine eigene Partei auf Linie zu bringen, befindet sich das Land bisher in einer Art innenpolitischem Stillstand. Ob die unliebsamen Parteimitglieder bis zu den Zwischenwahlen ihre Blockade aufgeben, ist fraglich.

Das Weiße Haus hat Möglichkeiten, am Senat vorbei zu regieren. Das präsidiale System der USA bietet dem Präsidenten in Krisenfällen eine seltene Option, die Macht der Bundesregierung tatsächlich zu nutzen und gegebenenfalls zu erweitern.

So könnte etwa die vom Krieg in der Ukraine ausgelöste Energiekrise der ansonsten so zahnlosen Regierung mittels des "Defense Action Act", also dem Verteidigungsproduktionsgesetz, Gelegenheit geben, in die Produktion und Wirtschaft des Landes einzugreifen.

Der Defense Production Act

Genau das zieht man im Weißen Haus laut Intercept in Betracht: Man arbeite dort an einer Exekutiven Präsidialen Verordnung, "die sich auf den Defense Production Act beruft, um Engpässe bei wichtigen Mineralien, die für die Technologie zur Speicherung sauberer Energie benötigt werden, zu beseitigen". Vielleicht ist es ein Signal der Regierung, die Macht der Exekutive nutzen zu wollen, "um fortschrittliche politische Ziele zu erreichen".

In erster Linie reagiert die Regierung damit auf eine offizielle Bitte von Politikerinnen und Politikern der Demokraten, die Macht der Präsidentschaft zur Sicherung von Lieferketten einzusetzen, zumindest für Technologien, "die den Bedarf an fossilen Brennstoffen und die Brennstoffkosten senken".

Schon im März hatte der Congressional Progressive Caucus, der linke Flügel der Demokratischen Partei, eine Agenda ausgearbeitet, die mit Bidens Unterschrift das Investment in und die Unterstützung von erneuerbaren Energien zur Staatsangelegenheit erheben würde.

Gegen einen solchen regelrechten Kurswechsel haben die Vertreter von Öl- und Gasindustrie einiges einzuwenden. Der CEO von JPMorgan Chase, Jamie Dimon, stellte vor ein paar Wochen in einem Meeting zwischen Lobbyisten der Öl- und Gasindustrie mit dem Weißen Haus seine eigene Version des "Marshall Plans" vor. Der Vorschlag ähnelt einer bizarren Umkehr des Green New Deal.

Erweiterung von Flüssigerdgasanlagen in Europa

Er sieht vor, die westliche Gasindustrie durch eine Erweiterung von Flüssigerdgasanlagen in Europa, von Russland unabhängig zu machen. Trotz dieses Meisterstücks US-amerikanischer Lobbyarbeit scheinen sowohl der Präsident als auch seine Energieministerin von der Notwendigkeit einer Energiereform zugunsten erneuerbarer Energien überzeugt.

Der Vergleich mit dem "Marshall-Plan" ist kein Zufall. Auch wenn eine solch direkte Regierungsform auf den ersten Blick undemokratisch anmutet und eine übergriffige Bundesregierung als unamerikanisch verschrien wird, sind solche "Executive Orders" üblich und wurden historisch von Präsidenten beider politischer Lager genutzt.

Krisen- und Kriegspolitik

Präsident Franklin D. Roosevelt (FDR) nutzte den Military Defense Act, um nahezu die gesamte Wirtschaft der USA der Regierung zu unterstellen, eine Art Planökonomie zu Kriegszeiten, inklusive der Enteignung von 64 Firmen, die die Kriegsanstrengungen gefährdeten.

Diesen Vorgaben konnten sich selbst Sodaproduzenten nicht entziehen. Der spätere Präsident General Dwight D. Eisenhower bestellte im geheimen am 29. Juni 1943 "drei Millionen Flaschen Coca-Cola (gefüllt)", zehn Abfüllanlagen sowie "ausreichend Sirup und Korken für sechs Millionen Nachfüllungen". Eine Aufforderung, der die sonst so mächtige Coca-Cola Kompanie Folge leisten musste.

Ebenso haben aktuellere Präsidenten von ihrer Amtsmacht Gebrauch gemacht, Obama setzte so seinen "Affordable Care Act" durch, und Trump nutze unter anderem den "Defense Produktive Act", um die Covid-Impfstoffproduktion unter staatliche Kontrolle zu bringen. Teilweise scheinen solche direkten Verordnungen der Exekutive die einzige Möglichkeit zu regieren.