Debatte um Lieferung schwerer Waffen: Lösungsweg à la Rheinmetall

Besonders vehement für Waffenlieferungen: die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Foto: J.-H. Janßen / CC-BY-SA-3.0

Während der UN-Generalsekretär einen baldigen Waffenstillstand anstrebt, wollen deutsche Politiker, dass der Krieg in der Ukraine auf dem Schlachtfeld entschieden wird

Während UN-Generalsekretär António Guterres durch Besuche in Kiew und Moskau eine Waffenruhe erreichen und einen Friedensprozess anstoßen will, ist sich die bundesdeutsche Ampel-Koalition laut Alexander Graf Lambsdorff einig: "Wir alle wollen, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt." Russlands Präsident Wladimir Putin dürfe damit nicht durchkommen, so Lambsdorff.

Der FDP-Fraktionsvize bestritt am Montag im "ARD-Morgenmagazin", dass es in der Koalition erhebliche Differenzen über die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine gebe. "Wir haben keinen Krach in der Ampel bei dem Thema", so Lambsdorff. Nur beim Tempo gebe es "manchmal ein bisschen eine Auseinandersetzung".

Im Zuge des geplanten Ringtauschs über Nato-Partner sollten jetzt aber "schnell" Waffen geliefert werden. Beim Ringtausch-Verfahren sollen Nato-Verbündete Waffen russischer Bauart an die Ukraine abgeben, während die Bundesregierung als Ersatz westliches Gerät an die Partner nachliefern würde. "Ich glaube, es wird sich jetzt etwas bewegen und das könnte auch westliche Systeme umfassen, bei der Artillerie, also bei Systemen, die viel weiter hinten stehen", sagte Lambsdorff.

Die Unionsparteien haben bereits einen Antrag für einen Bundestagsbeschluss vorgelegt, in dem gefordert wird, die deutschen Waffenlieferungen "in Quantität und Qualität unverzüglich und spürbar" zu intensivieren.

Deutschland müsse sich jetzt "seinen Verbündeten in EU und Nato anschließen und einen entschlossenen Beitrag zur Stärkung der ukrainischen Selbstverteidigungskräfte leisten - auch und gerade mit schweren Waffen", zuerst die Süddeutsche Zeitung aus dem Antragsentwurf. Mehrere Politiker der "rot-grün-gelben" Koalition betonten, sie wollten sich durch den Vorstoß der Union nicht auseinanderdividieren zu lassen.

Deutsche Außenministerin gegen "Diktatfrieden" in der Ukraine

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte sich vergangene Woche gegen einen Waffenstillstand "um jeden Preis" und gegen einen "Diktatfrieden" in der Ukraine ausgesprochen. Die Ukraine müsse vielmehr in die Lage versetzt werden, weiterzukämpfen, sagte Baerbock nach Beratungen mit ihrem litauischen Amtskollegen Gabrielius Landsbergis in Vilnius. Zudem versprach die Grünen-Politikerin einen "substanziellen Beitrag" Deutschlands zur Verstärkung der Nato-Ostflanke.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte in den letzten Tagen deutlich zurückhaltender geklungen als in seiner Regierungserklärung kurz nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine. Im Gespräch mit dem Spiegel warnte Scholz vergangene Woche davor, dass die Nato von russischer Seite als Kriegspartei wahrgenommen werden könnte – und vor möglichen Folgen.

Es dürfe keinen Atomkrieg geben, sagte Scholz in dem am Freitag veröffentlichten Interview. Er tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führe. Zugleich kündigte Scholz weitere Waffenlieferungen für die Ukraine an. Obwohl die Möglichkeiten der Bundeswehr weitgehend erschöpft seien, werde das geliefert, was noch verfügbar gemacht werden könne. Er sprach von Panzerabwehrwaffen, Panzerrichtminen und Artilleriemunition. Zudem sei mit der deutschen Industrie eine Liste schnell lieferbarer militärischer Ausrüstung erstellt worden. Die ukrainische Seite wisse Bescheid.

Scholz und der SPD wurden in den vergangenen Tagen und Wochen mehrfach Zögerlichkeit und Zaudern vorgeworfen. Dampf machte dagegen die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann aus Düsseldorf, wo auch der Rüstungskonzern Rheinmetall ansässig ist. Als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag verlangte Strack-Zimmermann Klartext: "Es hat keinen Sinn, um das Wort schwere Waffen verbal herumzukreisen. Die Menschen in Deutschland wollen wissen, was passiert", sagte die FDP-Politikerin am Rande des Bundesparteitags der Liberalen am Wochenende gegenüber dem Fernsehsender phoenix.

Man dürfe die Bürger nicht verwirren, sondern müsse ein klares Bekenntnis ablegen. "Wir sind bereit, auch Waffen zu liefern, die schweres Gerät sind und der Ukraine helfen, diesen Krieg nicht zu verlieren", bekannte sich Strack-Zimmermann.

Empörung über offenen Brief für Deeskalation

Tief blicken lassen auch die Reaktionen auf einen offenen Brief, in dem mehrere Personen des öffentlichen Lebens – darunter die Schriftstellerin Daniela Dahn und der Liedermacher Konstantin Wecker – von Scholz eine konsequente Deeskalationspolitik gefordert hatten. Darin heißt es unter anderem:

Waffenlieferungen und militärische Unterstützung durch die Nato verlängern den Krieg und rücken eine diplomatische Lösung in weite Ferne.

Es ist richtig, die Forderung "Die Waffen nieder!" in erste Linie an die russische Seite zu stellen. Doch müssen gleichzeitig weitere Schritte unternommen werden, das Blutvergießen und die Vertreibung der Menschen so schnell wie möglich zu beenden.


Offener Brief "Deeskalation jetzt!"

Eine Journalistin der Berliner Zeitung meinte bei Twitter, der Brief tue "beim Lesen weh"; die Unterzeichnenden wollten, "dass de Ukraine endlich aufgibt". Weitere Nutzer meinten daraufhin, den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Hitler gleichsetzen zu müssen – und der grüne Agrarminister Cem Özdemir schrieb: "Wenn ich als Mensch mit Migrationsgeschichte von Faschos bedroht werde, weiss ich jetzt, wo ich keine Hilfe zu erwarten habe. Tschetschenische, bosnische, jesidische… & ukrainische Opfer des Faschismus kennen diese zuschauenden Unterwerfungs-Befürworter."

Ganz so einfach ist es dann doch nicht für türkische und kurdische Linke ohne Personenschutz – darunter auch solche mit jesidischem Hintergrund – die zwar in der Regel auch schlecht auf Putin zu sprechen sind, deren eigene Erfahrungen mit dem Nato-Staat der Türkei aber nicht zum Selbstbild der Nato als Verteidiger demokratischer Werte passen.

Tatsächlich waren es unter anderem linke Kritiker der aktuellen Waffenlieferungen an die Ukraine, die in den letzten Jahren in Deutschland auf Demonstrationen Wimpel der syrisch-kurdischen Volks- und Frauenverteidigungskräfte YPG und YPJ getragen hatten – und daraufhin wegen mutmaßlicher Nähe zur Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vor Gericht landeten. Mit der PKK sind auch die jesidischen Milizen im Nordirak verbündet – und der Nato-Staat Türkei greift das Gebiet regelmäßig an, weil er die PKK zum Hauptfeind erklärt hat. YPG und YPJ wurden in Nordsyrien allerdings auch von russischer Seite bedroht, als Putin mit der Türkei kungelte.

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