"Die Menschen müssen verstehen, warum sie ärmer werden"

Bild (Unterzeichnung Koalitionsvertrag, Dezember 2021): Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Aktuell geht es augenscheinlich weniger um die Inhalte der Politik der Bundesregierung, sondern hauptsächlich um die Art und Weise, wie man sie der Bevölkerung verkauft: Dass Opfer und Verzicht im Krisenwinter alternativlos sind.

Hält die Bundesregierung bis zum Krisenwinter? Diese Frage kann man sich stellen, wenn man beobachtet, wie sich die einzelnen Parteien bekämpfen. Vor allem zwischen SPD und Grünen wachsen die Spannungen, was auch gut zu erklären ist. Schließlich hatten die Grünen in Umfragen Erfolge, während die SPD eingebrochen war.

Die Medien, die Politik gerne personifizieren, machten einen Hype um Habeck, der "seine politischen Maßnahmen erklärt", die Menschen also "mitnimmt", wie man so schön sagt. Dagegen wird vor allem Kanzler Scholz als Politiker beschrieben, der nicht erklärt. Diese Medienberichte sorgen für eine weitere Entpolitisierung, weil es dann eben nicht mehr um die Inhalte der Politik geht, sondern um die Art und Weise, wie sie erklärt werden.

"Die Menschen müssen verstehen, warum sie ärmer werden", brachte es der Politologe Karl-Rudolf Korte im Interview mit dem Deutschlandfunk die Lage auf den Punkt - es zeigt sich, was es bedeutet, im Kapitalismus regiert zu werden.

Es geht nicht darum, dass die Bevölkerung etwa die Politik verändern könnte. Korte geht es vielmehr darum, dass die für ihn notwendigen - und nicht weiter hinterfragbaren - Maßnahmen von den Politikern so an die Bevölkerung verkauft werden, dass diese sie richtig versteht, nämlich als alternativlos, und dann auch bereit ist, sie zu unterstützen. Dabei sieht auch Korte Habeck im Vorteil, weil der im Gegensatz zu Scholz den Eindruck erweckt, er könnte seine Verzichtspolitik besser kommunizieren.

Das ist angesichts eines Krisenwinters mit hoher Inflationen und vielleicht bald immer mehr aus Energiemangel oder wegen energiepolitischen Maßnahmen schließenden Schwimmbädern und Bibliotheken schon eine besondere Leistung.

So stand der "Kommunikator" Habeck lange Zeit im Strahle-Licht der Medien. Schon wurde in der regierungsnahen Presse durchgespielt, ob Habeck nicht der bessere Kanzler wäre.

Machtkampf Scholz-Habeck?

Das erhöhte die Unruhe bei der SPD. Daher versucht sie nun das Desaster um die Energieabgabe zu nutzen, um Habecks scheinbare Popularität zu unterminieren. Die Grünen sind natürlich nicht erfreut und keilen zurück. Nun soll bei der aktuellen Klausur in Meseberg der Koalitionsfrieden wieder hergestellt werden.

Das mag zeitweise gelingen, schließlich wissen beide Parteien, dass es vorerst keine Alternative gibt, zumindest bis zu den nächsten Landtagswahlen in Niedersachsen. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass sich SPD und Grüne einig sind, dass es darum gehen muss, der Bevölkerung beizubringen, dass Opfer im Krisenwinter alternativlos sind.

Dabei spielt natürlich auch der Ukraine-Krieg eine zentrale Rolle. Da ist es für die Politiker wichtig, dass Putin weiter als derjenige dargestellt wird, der nicht nur für den Krieg, sondern auch für die Folgen verantwortlich ist. Dazu gehört dann auch die Inflation und der Energiemangel in Deutschland. Deswegen wird auch energisch verhindert, dass Zweifel an dieser Lesart aufkommen können. Wer sich die Frage stellt, ob nicht auch die Politik der Bundesregierung ihren Anteil an der Krise hat, wurde gleich als Putin-Freund etikettiert.