Die USA als Vorbild: Konzert- und Ticketingkonzerne entflechten

Was wir zum Erhalt von Clubs und Venues, unabhängigen Veranstaltern und kleineren Festivals, benötigen. Zur Situation der Konzertbranche im Winter 2022/23, (Teil 3 und Schluss).

      Was tun? Natürlich die Großkonzerne der Konzert- und Ticketingindustrie zerschlagen, das ist doch klar! Wem das "ein wenig" zu radikal erscheint: Es geht ja nicht darum, dass CTS Eventim oder Live Nation und Ticketmaster und wie sie alle heißen vom (längst oligopolen) "Markt" genommen werden sollen.

Nein: nur die Koppelung von horizontalen und vertikalen Monopolen muss aufgehoben werden. Konzertveranstalter dürfen nicht gleichzeitig Tickethändler sein, und vice versa: Ticketingfirmen dürfen nicht zugleich Konzertveranstalter sein!

Die Logik liegt auf der Hand: Erst durch die unselige Verquickung der beiden Geschäftsbereiche konnten die Großkonzerne der Branche ihre Monopole und Duopole aufbauen. Durch die beschriebenen hohen Profite beim Ticketing konnten Konzertveranstalter "Kriegskassen" aufbauen, mit denen sie etliche andere Firmen aufkauften, ihre Monopole errichteten und dann Stück für Stück ausbauten. Dem muss durch ein starkes Kartellrecht ein Riegel vorgeschoben werden.

All diejenigen, denen das wie ein kommunistischer Blütentraum erscheint, mögen einen Blick auf den vermutlich kapitalistischsten Staat der Erde werfen, nämlich die USA. Dort ist die Zerschlagung von monopolistischen Konzernen guter Brauch.

Die weltgrößte Entertainmentfirma Clear Channel beispielsweise musste sich 2005 dem gewaltigen politischen Druck von Kartellbehörde und Öffentlichkeit beugen und ihre Konzertsparte aus dem Konzern herauslösen und in ein eigenständiges Unternehmen überführen – so entstand seinerzeit Live Nation.

Und auch die Fusion von Live Nation und dem weltgrößten Ticketingkonzern Ticketmaster stand 2010 unter dem Vorwurf der Wettbewerbsverhinderung und wurde nur unter massiven Auflagen genehmigt. Bis heute steht Live Nation immer wieder im Brennpunkt und muss sich regelmäßig mit Untersuchungen des US-Justizministeriums und der Kartellbehörde auseinandersetzen.

Vor einigen Wochen hat US-Präsident Biden generell Konzerne angeklagt, die kundenfeindliche Zusatzgebühren auf ihre Leistungen erheben, und angekündigt, seine Regierung werde diese Konzerne, also ausdrücklich auch Ticketfirmen, dazu zwingen, künftig all ihre Gebühren jederzeit transparent und nachvollziehbar zu machen.

Aktuell hat das US-amerikanische Justizministerium laut New York Times außerdem eine kartellrechtliche Untersuchung gegen Live Nation, den Mutterkonzern von Ticketmaster, auf den Weg gebracht, um zu überprüfen, ob Live Nation seine Machtstellung missbraucht. Und Ende November hat der Justiz-Unterausschuss für Wettbewerb, Kartellrecht und Verbraucherschutz des US-Kongress eine Anhörung angekündigt, in der der "mangelnde Wettbewerb in der Ticketbranche" untersucht werden soll.

Eine der Initiatorinnen, die demokratische Senatorin Amy Klobuchar, erklärte, dass "die hohen Gebühren, die Website-Störungen und Stornierungen" zeigen würden, dass "die dominante Marktposition von Ticketmaster bedeutet, dass das Unternehmen keinem Druck ausgesetzt ist, kontinuierlich Innovationen und Verbesserungen an seinem Angebot vorzunehmen."

Sicher, im Gegensatz zum relativ zahnlosen deutschen Kartellrecht ist das US-Kartellrecht streng und bietet zahlreiche Möglichkeiten, Konzernen ihre Grenzen aufzuzeigen und sie, siehe Clear Channel, sogar zu zerschlagen, wenn sie unzulässige Monopole errichtet haben. Davon können wir hierzulande nur träumen – genauso wie davon, dass der Bundestag ein Hearing veranstaltet, in dem die unmoralischen Praktiken der Ticketkonzerne durchleuchtet werden.

Ganz im Gegenteil, der Bundestag zeichnet sich ja quer durch fast alle Fraktionen eher durch eine ausgesprochen konzernfreundliche Politik aus – als im Frühjahr 2020 die Fan-feindliche Gutscheinregelung im Parlament diskutiert wurde, wedelten Abgeordnete unterschiedlicher Fraktionen voller Stolz mit ihren Tickets für Großfestivals und Superstar-Tourneen, die von den Großkonzernen ausgerichtet wurden, während von den Nöten der Fans, der Musiker:innen oder der Clubs und Kulturzentren keine Rede war.