50 Jahre Asterix
Eine kleine Rechtsgeschichte
Am 29. Oktober 2009 feiert die Comicfigur Asterix seinen 50. Geburtstag. Gestern erschien zu diesem festlichen Anlass das vierunddreißigste Asterix-Album. Hätte es in der Rechtsgeschichte der Figur weniger Klagen gegeben, dann könnten es wohl noch ein paar Werke mehr sein, die in diesen Tagen dem Jubilar huldigen. Doch Asterix ist auch zu einem Symbol dafür geworden, wie umfassend Rechteinhaber Kulturschöpfungen verhindern können.
Besonders viele Verbote gab es in Deutschland - was vor allem zwei Gründe hatte: Zum einen waren René Goscinny und Albert Uderzo wenig begeistert, dass ihr Lizenznehmer Rolf Kauka in den 1960er Jahren aus den beiden Figuren die Germanen Siggi und Babarras machte1, zum anderen erlaubten die deutschen Urheber-, Marken-, Prozess-, Abmahn- und Anwaltshonorarvorschriften wesentlich umfassendere und bequemere Verbote als in anderen Ländern.
Dies führte dazu, dass parodistische Werke, die in Frankreich erlaubt sind, in ihren deutschen Übersetzungen als angeblich rechtsverletzend vom Markt genommen werden mussten.2 Deutschland bekam in Urheberrechtsfragen seit den 1980er Jahren einen ähnlichen Ruf wie England für Verleumdungsprozesse: Man klagte dort, wenn man jemand fertig machen wollte, ohne wirklich gute Argumente dafür in der Hand zu haben. In der Wochenzeitung Die Zeit kam Ralph Geisenhanslüke Ende dieses Jahrzehnts zu dem Ergebnis, dass der Verbotsanspruchsschutz in der Bundesrepublik "so weit gefasst [wurde], dass es mit etwas Talent zum Sophismus immer möglich ist, eine Parodie als Plagiat darzustellen" weshalb der Parodist "immer mit einem Bein im Gerichtssaal" steht.3 Die von deutschen Gerichten gestützten Vorstellungen zum Umfang von "geistigem Eigentum" führten unter anderem dazu, dass Uderzo in einem Prozess um Professor Gallenstein ein Monopol auf Figuren, die aus ihren Schuhen geschlagen werden, einen (an seine Darstellung von Julius Caesar erinnernden) Zeigefinger und eine bestimmte Darstellungsweise historischer Landkarten geltend machte. Der Fall endete damit, dass das Titelbild des Comics geändert werden musste.4
Quod licet Iovi non licet bovi
Allerdings stellen solche Ansprüche nicht für jeden die gleiche Bedrohung dar: Uderzo selbst spielt in seinen eigenen Geschichten unter anderem sehr deutlich auf Tim und Struppi (Asterix bei den Belgiern), Laurel und Hardy (Obelix GmbH & Co KG), das Marsupilami (Kampf der Häuptlinge), sowie zahlreiche Anime- und Disney-Figuren an. Der Ferrari-Sammler5 nimmt sich zwar selber das Recht heraus, Comicfiguren zu parodieren und das mit in sein Werk einfließen zu lassen - aber anderen spricht er es ab. Man kann es auch auf die zur Comicreihe passende Formel Quod licet Iovi non licet bovi bringen. Wie bei den großen Software- oder Musikkonzernen hängt es immer davon ab, wer etwas macht. Je größer ein Unternehmen, desto besser sind seine Chancen, einen Prozess durchzustehen - und desto geringer ist das Risiko, dass jemand überhaupt klagt.
Besonders deutlich wurde dies in einem Markenrechtsstreit: Asterix ist nicht nur urheberrechtlich geschützt, sondern auch als Marke. Und sobald irgend etwas in Anspielung auf Asterix-Namen auf den deutschen Markt erscheint, wurde sofort abgemahnt und geklagt. Das ging so weit, das man auch gegen die Mobilgeräte-Unix-Website MobiliX aufgrund einer angeblich gegebenen Verwechslungsgefahr mit "Obelix" klagte und vor dem Oberlandesgericht München Recht bekam. Das ungleich finanzstärkere und damit klageresistentere Telekommunikationsunternehmen Orange A/S, das Mobiltelefone unter dem gleichen Namen anbot, zog dagegen bis vor den EuGH, wo Uderzos Ansprüche schließlich abgewiesen wurden.
Trotzdem entstanden vor allem in den 1980er Jahren zahlreiche - heute würde man sagen - "Mashups", in denen Asterix-Panels bildlich weitgehend unverändert neu kombiniert und mit anderen, häufig politischen, Texten versehen wurden. Die bekanntesten dieser Hefte sind neben Asterix und das Atomkraftwerk (in dem Julius Caesar das gallische Dorf abreißen und einen "Brutus Rapidus" errichten will), Asterix in Bombenstimmung (in dem es um die in den 1980er Jahren umstrittene Aufstellung von Raketen geht), Asterix im Hüttendorf (mit dem gegen den Bau der Startbahn West protestiert werden sollte), Asterix gegen Rechts (mit "Kandidatus" Franz-Josef Strauß), Für die 35-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich (wo die Figur als Betriebsrat gegen den Großindustriellen "Flickx" kämpft), Österix gegen Elektra (zum Bau eines Wasserkraftwerks in Hainburg) und Asterix im Schwarzwaldhof (das von einer Hausbesetzung handelt). Einige davon wurden auch übersetzt - Asterix und das Atomkraftwerk etwa gibt es in Französisch, Niederländisch, Spanisch und Schwedisch. Ralf Palandt äußerte in einer Studie über diese Mashups die Vermutung, dass sich die Asterix-Hefte besonders für solche Zwecke eigneten, weil es in ihnen um Widerstand gegen eine Übermacht ging.6
Im Zusammenhang mit den politischen Mashups taucht bereits in der ersten Hälfte der 1980er Jahre der Name eines Mannes auf, der es später zu eigener Berühmtheit brachte: Der Rechtsanwalt Günter Freiherr von Gravenreuth war damals in einer von Uderzo beauftragten Kanzlei beschäftigt. Er ließ "Werkstudenten" in Kleinanzeigen und mittels Anfragen nach solchen Comics suchen und reagierte mit einer Abmahnung, wenn eine Buchhandlung dem vermeintlichen Kundenwunsch nachkam.7 Allerdings ging Uderzo auch in Deutschland nicht gegen ausnahmslos jede Adaptionen vor: Als 1992 im Verlag der Zeitschrift EMMA Franziska Beckers feministische Asterix-Anlehnung Feminax & Walkürax erschien, zog er den Schwanz ein und ließ sie unbehelligt.
Teil 2: Wie Uderzo einen Münchner Comic-Verleger ins Obdachlosenasyl pfändete