ADL: Wie US-Wachhund gegen Israelkritik über Jahrzehnte Spionage betrieben hat
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Anti-Defamation League betreibt Spionagenetzwerk, so Untersuchungen. Politische Gruppen werden infiltriert, Daten an Israel gegeben. Um Antisemitismus ging es kaum.
Vielleicht erinnern Sie sich noch: Anfang 2013 klagte die Anti-Defamation League (ADL) in den USA den Spiegel-Erben, -Kolumnisten und Freitag-Herausgeber Jakob Augstein an, mit seiner Kritik an Israel und der Israel-Nähe der US-Außenpolitik "die Grenze zum antisemitischen Verschwörungsdenken" überschritten zu haben.
Augstein landete damals auch auf der Liste der zehn größten Antisemiten des Jahres 2012, eine Liste, die von der jüdisch-politischen Organisation Simon Wiesenthal Center mit Sitz in Los Angeles erstellt wird.
Israel-Kritik als Antisemitismus
Die ADL-Kritik wurde damals von vielen Seiten zurückgewiesen als vollkommen überzogen und am Ende selbst diffamierend. Auch im Zuge des jüngsten Gaza-Kriegs zeigt sich erneut der Hang zur Übertreibung und politischen Instrumentalisierung von Antisemitismus durch die Anti-Defamation League.
So veröffentlichte man am 9. Januar wenige Wochen nach einer großen pro-palästinensischen Demonstration in New York City einen Bericht, in dem über 3.000 antisemitische Vorfälle in den drei Monaten seit Beginn des Gaza-Kriegs aufgelistet sind. "Antisemitische Vorfälle in den USA sind nach dem Angriff in Israel um 360 Prozent angestiegen", warnte die ADL in einer Pressemitteilung.
"Die amerikanisch-jüdische Gemeinschaft ist mit einem Bedrohungsniveau konfrontiert, das in der modernen Geschichte beispiellos ist", sagte ADL-Leiter Jonathan Greenblatt. "Es ist schockierend."
Die Medien in den USA übernahmen die Botschaft und die Zahlen der ADL unkommentiert in vielen Berichten mit entsprechenden Headlines.
ADL schießt über eigentliches Ziel hinaus
Doch ein Großteil davon war Hype. Bei vielen der zitierten "Vorfälle" handelte es sich nicht um Angriffe auf Juden aufgrund ihrer religiösen oder ethnischen Identität, sondern um Aktionen, die gegen Israels Kriegsführung in Gaza protestieren – Fälle, von denen die ADL später zugeben sollte, dass sie fast die Hälfte der Gesamtzahl ausmachten.
"Insgesamt scheint ein großer Teil der Vorfälle Ausdruck von Gegnerschaft gegenüber Israel zu sein und nicht die traditionellen Formen des Antisemitismus, auf die sich die Organisation [ADL] in den vergangenen Jahren konzentriert hatte", stellte Arno Rosenfeld in The Forward fest. Bei vielen der Fälle handelte es sich lediglich um Proteste von Bürgerrechtsorganisationen wie "Students for Justice in Palestine".
Anfang des Jahres vertrauten einige ehemalige ADL-Mitarbeiter Jewish Currents an, dass Greenblatt den Fokus der Organisation auf pro-palästinensischen Aktivismus ausgerichtet habe, anstatt sich auf Antisemitismus in der US-Gesellschaft zu konzentrieren.
Die ADL schießt aber nicht erst seit Kurzem, sondern schon seit geraumer Zeit über ihr eigentliches Ziel hinaus. Angetreten war die Organisation damit, die Bürger:innen in den Vereinigten Staaten über die wachsenden Gefahren des Antisemitismus zu unterrichten. Die Organisation wurde 1913 gegründet und hatte immer sehr enge Beziehungen zum US-Kongress, zum Weißen Haus und dem sogenannten Washington Establishment.
Zivilgesellschaft infiltrieren
Doch schon seit den 1990er-Jahren steht der Antisemitismus-Wachhund immer wieder selbst im Fokus von Kritik und kriminellen Untersuchungen. Und wird von Kritikern als "Wachhund Israels in den USA" angesehen.
So zeigte sich, dass die Organisation ein beachtliches nationales Spionagenetzwerk erschaffen hat. Im New Yorker Büro wurden z.B. unter dem Spionage-Paten Irwin Suall, der das Netzwerk von Ermittlern und Agenten von 1960 bis 1997 aufbaute, heimlich Informationen über mehr als 12.000 Einzelpersonen und mehr als 950 religiöse, Arbeiter-, Friedens- und Menschenrechtsgruppen in den USA gesammelt.
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Im Visier standen dabei afroamerikanische Gruppen wie die NAACP, die Rainbow Coalition, Bürgerrechtsgruppen wie ACLU, die American Indian Movement, Greenpeace, die United Farm Workers, Reporter der Los Angeles Times und des öffentlichen Fernsehens KQED sowie mindestens acht jüdische Friedensgruppen und eine Reihe pro-palästinensischer Organisationen.
Wie die Los Angeles Times schon in der Vergangenheit berichtete, offenbarten Untersuchungen der Polizei und des FBI Details des nationalen Geheimdienstnetzwerks der ADL, das über Jahrzehnte im Hintergrund arbeitete und Daten sammelte. Dabei geht es um Undercover-Agenten wie den Kunsthändler Roy Bullock in San Francisco, Infiltration von politischen Gruppen, Geldwäsche, geschredderte Dokumente, Hoteltreffen mit ausländischen Agenten und Code-Namen.