ARD: Fußball ja, HDTV nein!
Noch einen Fehlschlag mit neuen Bildübertragungsverfahren wollen sich die öffentlich-rechtlichen Sender nicht leisten
High Definition TV, Fernsehen mit erhöhter Auflösung, mit mehr Pixeln, war schon auf der CeBIT ein großes Thema. Auf der Internationalen Funkausstellung 2005 in Berlin, wo Rundfunk und Fernsehen seit jeher beheimatet sind, war es dies natürlich erst recht. Alle hatten etwas Großes, Flaches, Buntes zu bieten. Nur ARD und ZDF spielen erst einmal nicht mit.
Dass sich Sendeanstalten auf der Internationalen Funkausstellung präsentieren, ist seit einigen Jahren mit Ausnahme von ARD und ZDF Vergangenheit. Alleine die ARD soll übrigens dreieinhalb Millionen Euro für den Messeauftritt spendiert haben, wird allerdings auf absehbare Zeit kein HDTV anbieten, da sie dessen Kosten dem Gebührenzahler nicht zumuten will.
Bei den weit teureren Fußballrechten wird dies allerdings von den öffentlich-rechtlichen Sendern leider nicht so sparsam gehandhabt: die werden nicht dem Bezahlfernsehen überlassen, sondern die muss der gemeine Gebührenzahler weiterhin mit tragen, und wenn die Preise noch so steigen ("Fußball, Fußball über alles"). Hier war schon der letzte ARD-Vorsitzende Fritz Pleitgen am Veto von Bundeskanzler Schröder gescheitert, der ein „Danke, wir passen“ der ARD unakzeptabel fand.
Doch für HDTV gibt es dann ja noch Premiere. Der Pay-TV-Sender hatte übrigens keinen eigenen Publikumsstand in Berlin, sondern ließ Dinge wie die HDTV Sportsbar von kooperierenden Herstellern und der Messegesellschaft selbst ausrichten. Dafür hatte sich der Stand des Satellitenbetreibers Astra vom Geschäftskunden- zu einem Publikumsstand gewandelt.
Das superscharfe Bild ist zu anstrengend für die Kameramänner
Die Gründe für die Ablehnung von HDTV bei der ARD sind zunächst einmal technischer Natur. Kummer bereiten die geringere Schärfentiefe von HDTV-Kameras, die einwandfreie Aufnahmen ohne sichtbar aus dem Fokus laufende Personen insbesondere in Live-Sendungen erschwert, deutlich sichtbare Bewegungsunschärfen (Motion Blur) und die Tatsache, dass für Referenzzwecke bei der Farbeinstellung nach wie vor Röhrenmonitore notwendig sind, die bei HDTV sehr groß, schwer und teuer ausfallen.
Produktionen, bei denen schon absehbar ist, dass sie als Aufzeichnung auch in späteren Jahren noch interessant sind oder die auch zum Verkauf an andere Sender geeignet sein könnten, wie beispielsweise Fernsehfilme, werden ARD und ZDF dagegen auch jetzt schon in HDTV aufzeichnen, da ja bereits HDTV-Equipment vorhanden ist. Nur die gesamte Sendeabmischung ist heute ebenso wenig HDTV-tauglich wie die Sender selbst – und bei terrestrischer Abstrahlung wird dies auch so bleiben: Bei der Einführung von DVB-T hat man ja in Deutschland ausdrücklich auf eine HDTV-Option verzichtet.
Auch hat die ARD in der Vergangenheit bereits mehrfach mit Bildverbesserungsverfahren Schiffbruch erlitten, sei es der misslungene Radikalschritt mit D2MAC auf dem ersten Direktempfangssatelliten TV-SAT, sei es der kleinere Schritt zu PAL plus. Deshalb will man diesmal definitiv nicht den technischen Vorreiter spielen. Stattdessen wird man zunächst einmal die Datenraten auf DVB-S und DVB-T erhöhen, die heute ja beim Satellitenempfang vor allem bei den dritten Programmen oft unzureichend sind und Artefakte erkennen lassen und die 16:9-Umschaltung einheitlich einführen, die heute auf Satellit nur bei ARD und ZDF funktioniert, bei den meisten „Dritten“ und Arte jedoch noch nicht.
ARD: Gebranntes Kind scheut das Feuer der neuen Technik
Der 16:9-Anteil der Sendungen soll auch weiter gesteigert werden, hier wird der Umstieg bei ARD und ZDF seit Jahren gefördert, während manche Privatsender wie RTL 16:9 völlig ablehnen und auch Pro7 zwar Mehrkanalton eingeführt hat, jedoch 16:9 über Satellit nur über Letterbox mit schwarzen Balken abstrahlt und nicht anamorph, womit man Auflösung und somit Bildqualität verschenkt.
Die auf der CeBIT noch herrschende große Begeisterung für HDTV ist allerdings verflogen, seit sich die Kopierschutzproblematik (Analog, Digital - sch...egal, Hauptsache TV-Gucken wird illegal!) herumgesprochen hat. Nicht nur, dass der neue, von Philips kommende, erste Premiere-zugelassene HDTV-Satellitenempfänger zumindest bei Spielfilmen nur Bildschirme mit HDCP-Eingang bedienen wird – auch jegliche Aufzeichnungen, ob analog oder digital, scheiden damit je nach Programmquelle aus.
Zwar sind an sich drei Abstufungen der Einschränkung möglich, so Michael Jachan von Premiere zu Telepolis: Der Empfänger liefert je nach den Vorgaben der Rechteinhaber und gesteuert durch den Sender entweder ohne Einschränkungen HDTV analog und HDTV digital, in der nächsten Stufe analog nur noch SDTV (Standard TV) und HDTV nur digital oder aber als härteste Einschränkung analog gar kein Signal mehr („schwarzer Bildschirm“) und nur noch ein rein digitales Bild.
HDTV gibt es zunächst nur live
Es ist zu befürchten, dass die Filmindustrie nur das Letztere akzeptieren wird. Das bedeutet dann, dass keinerlei Aufzeichnungen mehr möglich sind, nicht einmal mehr in Standardauflösung auf VHS-Kassette. Ein Signal mit HDCP-Kopierschutz ist ja ausdrücklich nicht zur Aufzeichnung bestimmt – sonst wäre es kein Kopierschutz –, sondern nur für Bildschirme.
Erst wenn HDTV-geeignete Festplattenreceiver auf den Markt kommen, was nach Schätzung von Premiere noch gut ein Jahr dauern dürfte, wäre zumindest temporäres Zwischenspeichern wieder möglich, wobei die Festplatten allerdings bei HDTV wegen der hohen Datenrate deutlich schneller voll werden dürften als bei heutigen Geräten und dann nur eine Handvoll Filme speichern können. Ein Auslesen der Festplatte auf digitalem Weg bleibt selbstverständlich tabu und wenn man beim Abspielen mit Videorekordern – ob VHS oder DVD – mitschneiden will, gibt es dieselben Einschränkungen wie bei der direkten Aufzeichnung.
Solange heißt es beim neuen Fernsehen also wie vor 40 Jahren wieder: Live! Wer nichts verpassen will, muss Samstagabend gefälligst zuhause bleiben. Der Fußballfan ist das gewohnt, da nichts langweiliger ist als das Spiel drei Tage später zu sehen, doch bei Filmen oder Dokumentationen wird das garantiert Familiendiskussionen auslösen.
Premiere: Zerrissen zwischen Kundenwunsch und Vorgaben der Programmlieferanten
Premiere wird versuchen, soviel wie möglich ohne Einschränkungen abzustrahlen, also zumindest in den Bereichen Sport und Dokumentation ohne Abschaltungen des Analogausgangs auszukommen. Bei den Spielfilmen wird HDTV garantiert mit voller Einschränkung gesendet – also ohne Analogsignal und Aufnahmemöglichkeit –, doch soll dies dort zunächst einmal keine Einschränkung darstellen, da es sowieso noch keine HDTV-fähigen Rekorder im Consumerbereich gibt und die Filme parallel auch weiterhin in Normalauflösung auf den heutigen Premiere-Spielfilmkanälen laufen werden.
Bei Premiere Thema, also unter anderem den Dokumentarfilmkanälen des Discovery Channel, wird es dagegen echte „HDTV-Premieren“ geben, also Dokumentationen, die zuerst auf Discovery HD laufen und erst später im normalen Discovery Channel, Animal Planet oder Discovery Geschichte. Wenn allerdings der erste von Discovery HD gesendete Dokumentarfilm im Tauschbörsen auftauchen sollte, wäre es denkbar, dass auch hier die Programmlieferanten das Abschalten des Analogbilds verlangen, befürchtet Michael Jachan. HDTV-Käufer, die noch einen Flachbildfernseher ohne HDCP erwischt haben, können also mit Ausnahme von Filmen durchaus das mit knapp 15 Euro monatlich zusätzlich zu bezahlende Premiere-HDTV-Angebot nutzen, aber sozusagen nur bis auf Widerruf.
Das bessere Bild ist also mit deutlichen Einschränkungen beim Komfort verbunden. Zwar braucht niemand wirklich die Möglichkeit, HDTV-Sendungen dauerhaft in voller Qualität digital zu archivieren, so der Premiere-Sprecher. Doch ob der Kunde bei solchen Einschränkungen noch kauft, ist natürlich die andere Frage. Immerhin käme beispielsweise Mercedes im Gegensatz zu Hollywood kaum auf die Idee, einem Kunden, der sich eine Limousine der S-Klasse kaufen will, zu erklären, dass es für sein Nutzungsprofil (Zigaretten holen zweimal die Woche und samstag abend in die Disco) ja eigentlich auch ein Smart täte.
Größer, bunter, schärfer…
Das HDTV-Bild ist allerdings verlockend, egal ob in LCD, Plasma oder DLP realisiert. Nur die Bildröhre ist bei HDTV praktisch nicht vertreten, da sie sich nicht ausreichend vergrößern lässt, um HDTV in normalen Wohnzimmern zu bieten. Die Techniken nähern sich in der Darstellung auch immer mehr einander an, so schafften nun alle das HDTV-Vollformat mit 1920 x 1080 Bildpunkten, auch Plasmafernseher, die zudem immer weniger flimmern und wie bei Pioneer am Stand zu sehen war, mittlerweile fantastische Farben liefern. Ebenso rüstet der LCD-Marktführer Sharp nun eine karmesinrote Spektrallinie bei der Hintergrundbeleuchtung nach, um die Rotwiedergabe der Bildschirme zu verbessern.
Ab Dezember ist dann auch das Flaggschiff der LCD-Fernseher von Sharp erhältlich, das Modell LC-65GD1E mit 65 Zoll (165 cm) Bildschirmdiagonale und 1920 x 1080 Bildpunkten zu 13.000 Euro. Martin Beckmann, Sharp-Pressesprecher, sieht hier dann erstmal das Ende der Fahnenstange, da man zwar durchaus noch größere Geräte herstellen könne, doch diese dann in kein normales Wohnzimmer mehr passen. Samsung ficht dies allerdings nicht an, dort bekam man Schirme mit 82 Zoll (208 cm) Diagonale in LCD- und 102 Zoll (260 cm) Diagonale in Plasma-Technik zu sehen.
Die von Texas Instruments entwickelte DLP-Projektionstechnik (Von Wand zu Wand und aus der hohlen Hand gebeamt) wiederum gibt an, durch Farbräder mit sechs statt drei Farben einen größeren Farbraum abbilden zu können als andere Geräte, die nur RGB zur Verfügung haben – was allerdings für den Heimgebrauch mangels geeignetem Material, das nicht bereits auf den sRGB- bzw. PAL-Farbraum reduziert ist, irrelevant ist. Die im digital versorgten Kino, wo es möglich wäre, anderes Quellmaterial mit größerem Farbraum einzuspeisen, verwendete flimmerfreie Drei-DLP-Chiptechnik greift dagegen ohnehin wieder auf RGB zurück.
Die SED tagt nur hinter verschlossenen Türen
Telepolis verborgen blieb dagegen Toshibas sagenumwobenen neue SED-Technik für Flachbildschirme: Zwar war extra vorher angekündigt worden, dass in Berlin das erste Gerät der Presse gezeigt würde, doch gab es angeblich eine Warteliste von mehreren Tagen – nicht einmal ein kurzer Blick auf das Gerät war möglich. Der Redaktion ist auch bis heute niemand bekannt, der es tatsächlich gesehen hat – selbst c't TV hatte Drehverbot.
Erfolgreicher waren wir bei den angekündigten Taschenprojektoren mit LEDs als Lichtquelle: diese waren sowohl bei Toshiba als auch bei Mitsubishi im Einsatz zu bewundern. Der letztere mit nur 450 Gramm Gewicht soll ab Dezember für 700 Euro zu haben sein – gut für Manager, die bei einem streikenden oder vomKonkurrenten sabotierten Beamer in der Konferenz dann immer noch ihr eigenes Gerät aus der Tasche zaubern können. Ein drittes derartiges Gerät, das nicht mit LED und DLP, sondern mit LED und LCD arbeitete, war am Stand von 3LCD zu sehen; einem Herstellerkonsortium, das belegen will, dass DLP keineswegs der Königsweg bei Projektoren sein muss und LCD auch heute noch das schönere und weniger flackernde Bild bei auch nicht größeren Projektoren liefert.