Alle gegen Brockhaus
Tanz der Gehirne: Teil 2
Quantitativ kann sich Wikipedia durchaus mit bekannten Nachschlagewerken messen. Doch das Vorurteil, ohne jegliche redaktionelle Kontrolle und mit teilweise völlig anonymen Beiträgen könne ein Wiki nie hochwertige Informationen liefern, liegt nahe. Verdient Wikipedia wirklich den Namen Enzyklopädie? Gibt es bereits Bereiche, in denen das offene Projekt die gedruckten oder gepressten Werke übertrumpft? Die Antworten verraten mehr über unsere Kultur, als wir vielleicht glauben.
Im Größenvergleich mit bekannten Multimedia-Lexika steht Wikipedia bereits gut da: Die rund 120.000 Artikel der englischen Ausgabe stehen etwa 85.000 Artikeln in der 2002er Encyclopaedia Britannica, 60.000 Artikeln in Microsofts Encarta Deluxe 2002 und 39.200 Artikeln in der Grolier-Enzyklopädie gegenüber. Die 24-bändige Brockhaus-Enzyklopädie wuchtet dagegen rund 260.000 Stichwörter.
Viele Wikipedia-Artikel enthalten statistische Daten aus offiziellen Werken. So gibt es etwa 36.000 Einträge über US-Dörfer und Städte, die automatisch aus den US-Volkszählungsdaten generiert wurden (Beispiel: Pownal, Vermont). Viele davon wurden zwar nachträglich um interessante Informationen ergänzt, doch nicht jedes Kuhdorf hat auch einen Wikipedia-Benutzer, der davon erzählen könnte. In der englischen Wikipedia findet man auch Informationen über die deutschen Landkreise (Beispiel: Oberbergischer Kreis), über finnische Provinzen, über japanische Präfekturen usw.
Auch Listen sind in Wikipedia zahlreich vertreten - Listen von Städten, Restaurants, Taschenrechnern, Genkrankheiten, Dämonen, fiktiven Katzen, Gewerkschaften, Bürgerkriegen, Entführungen, Militärbasen, verbotenen Büchern, Indie-Plattenlabels, Schacheröffnungen und Episoden der Serie "Buffy: Der Vampirkiller", um nur einige zu nennen.
Die Artikel in Wikipedia sind über zahlreiche Ordnungsschemata kategorisiert. Auf der Hauptseite finden sich verschiedene Oberkategorien, die man ähnlich einem Web-Katalog wie Yahoo! durchblättern kann. Daneben gibt es einige mehr oder weniger gepflegte alternativen Kategorisierungen, wie z.B. das Schema der Library of Congress. Für die Moderne gibt es für jede Jahreszahl einen eigenen Artikel, in dem sich wiederum Verweise auf relevante Ereignisse befinden. Wweniger gut dokumentierte Zeiten wie das finstere Mittelalter sind dagegen in Jahrzehnte unterteilt. Ein alphabetisches Durchblättern ist natürlich ebenfalls möglich, und auch eine Zufallsanzeige fehlt nicht.
In einem Wiki sind Verweise schnell gesetzt, deshalb befinden sich innerhalb jedes Artikels zahlreiche Links - weitaus mehr als selbst in Multimedia-Enzyklopädien wie Encarta. Existiert der Artikel noch nicht, ist der Link rot, und der Text kann durch Anklicken angelegt werden. Weil manche Artikel unter verschiedenen Namen auftreten können, gibt es sogenannte Weiterleitungen. Folgt man z.B. einem Link auf Chomsky, wird man automatisch weitergeleitet auf den Artikel über Noam Chomsky. Die hohe Zahl von Links führt zum Symptom des Sich-Verlierens, das viele Wikiholiker beschreiben.
Bei der Suchfunktion haben CD-ROM-Enzyklopädien derzeit noch die Nase vorn: Sie verfügen meist über komplexe Abfragemasken und einen schnellen Index. Die Suchfunktion der englischen Wikipedia hat dagegen häufig mit Performance-Problemen zu kämpfen und wird zeitweise gänzlich deaktiviert. Benutzer werden dann an Google verwiesen, wo eine Suche mit einer speziellen Einschränkung auf Wikipedia-Seiten durchgeführt werden kann. Leider indexiert Google jedoch nicht alle Artikel und ist nur begrenzt aktuell. Bei den kleineren fremdsprachigen Wikipedias kann stets die interne Volltextsuche verwendet werden, die immerhin Boolesche Verknüpfungen (AND, OR, AND NOT) unterstützt und gefundene Stichwörter farbig im Kontext hervorhebt.
Fehlerteufel
Wer ein wenig in Wikipedia blättert, stößt hier und da auf störende Kleinigkeiten: ein sinnloser Satz, redundanter Text, eine unglaubhafte Behauptung ohne Quellenangabe, eine stilistisch unpassende Passage in einem langen Text oder gar amateurhaft wirkende Einschübe wie "(stimmt das wirklich?)". Um Wikipedianer zu werden, muss man keinen Kurs belegen: Der Lerneffekt soll langfristig allein durch die Partizipation entstehen. Und selbst wenn Dutzende Benutzer am gleichen Text schreiben, können solche Probleme leicht übersehen werden.
Die schiere Menge an Inhalten zu jedem erdenklichen Thema ist für die meisten Besucher überwältigend, doch von einer einheitlichen Qualität kann keine Rede sein. Das veranlasst viele Journalisten, die über Wikipedia berichten, zu einem einfachen Schnellurteil: ein interessantes Projekt, aber noch lange keine Konkurrenz zu klassischen Nachschlagewerken.
Doch dieses Urteil greift zu kurz. Wikipedia befindet sich eben in einem ständigen Fluss - ein Artikel, der gerade noch völlig in Ordnung war, kann Minuten später von einem anonymen Nutzer komplett umgearbeitet worden sein. Vandalismus wird, wie in Teil 1 beschrieben, meist früh erkannt und rückgängig gemacht. Auch subtile Änderungen können mittels der Differenz-Funktion ihren Autoren zugeordnet und korrigiert werden. Werbe-Einträge werden nicht toleriert und umgehend gelöscht. Entgegen der Intuition ist reine Bosheit das geringste Problem in Wikis - Unwissenheit, Unfähigkeit, ideologisches Denken oder einfache Nachlässigkeit sind problematischer.
Wurde ein Artikel sehr häufig editiert, ist in der Tendenz festzustellen, dass die Fakten besser geprüft wurden als in anderen Texten, aber Vorsicht ist geboten: Gelegentlich kommt es zu sogenannten "Edit-Kriegen", bei denen zwei Benutzer um die Version des Textes streiten und versuchen, ihre Version durch mehrfaches Speichern durchzusetzen. Solches Verhalten ist natürlich verpönt, und wenn ein Sysop davon Kenntnis nimmt, ist er aufgerufen, zu einer Schlichtung beizutragen. Zu diesem Zweck kann er die Seite vorübergehend schützen, d.h., sie ist nicht mehr editierbar, bis die Nutzer sich geeinigt haben. Nur unbeteiligte Dritte dürfen als Schlichter fungieren, denn Sysops agieren innerhalb von Wikipedia nur als Repräsentanten der Benutzergemeinde und haben relativ wenig Entscheidungsfreiraum.
Ein Artikel mit vielen Revisionen kann also einfach ein besonders heiß umkämpfter Text über ein komplexes Thema sein. Ein Beispiel dafür ist der englische Wikipedia-Text über Richard Wagner, der mit über 250 Revisionen zu den am meisten editierten Artikeln überhaupt gehört. Ein Nutzer war der Meinung, dieser Text sollte keine Informationen über Wagners Antisemitismus enthalten - man dürfe einen Menschen, der so wundervolle Kunstwerke geschaffen hat, nicht durch solch unwichtige Details über "Jugendsünden" schmähen. Statt dessen sollte die Angelegenheit, wenn überhaupt, in einem separaten Artikel zusammengefasst werden. Es folgte ein langwieriger Edit-Krieg, der natürlich viele Nutzer abschreckte und dazu führte, dass die oben erwähnten Schlichtungsprozeduren eingeführt wurden. Letztlich wurde der Nutzer wegen anderer Verstöße gegen die Wiki-Etikette verbannt, der Text über Wagner behandelt die Problematik des Antisemitismus erwartungsgemäß ausführlich.
Das höchste Gebot
Wer Wikipedia nicht kennt, mag von solchen Extrembeispielen schockiert sein und erwarten, dass das Projekt voller ideologischer Texte ist, die nur eine Meinung vertreten. Doch davon kann keine Rede sein. Dafür sorgt das philosophische Vermächtnis von Larry Sanger, dem Projektmitbegründer, der im März 2002 seinen Posten als "Herausgeber" aufgab. Sanger entwickelte die Regel des "neutralen Standpunkts" bzw. "neutral point of view", unter Wikipedianern kurz als NPOV bekannt. In der klassischen Wiki-Philosophie gibt es keine Regeln, die eingehalten werden müssen. "Ignore all rules", heißt es deshalb auch noch auf manchen Wikipedia-Seiten. Doch von diesem Grundsatz ist das Projekt längst abgerückt, und die NPOV-Doktrin ist unantastbar. Wer sie wiederholt verletzt, muss damit rechnen, verbannt zu werden: Er kann dann zwar noch Artikel lesen, aber nicht mehr bearbeiten.
NPOV heißt nicht, dass die Autoren selbst keine Meinung haben dürfen. Sie dürfen sie nur nicht fälschlich als die einzig vorhandene oder gar die einzig richtige Meinung repräsentieren. "Ein Artikel sollte nicht behaupten, dass Großunternehmer Verbrecher sind, auch wenn der Autor dies glaubt. Statt dessen sollte er darauf hinweisen, dass einige Menschen dies glauben, was ihre Gründe sind und was die andere Seite denkt", erklärt Wikipedia-Gründer Jimbo Wales. Das gleiche gilt für jeden anderen Standpunkt. Sofern sich aus glaubhaften Quellen belegen lässt, dass eine relevante Zahl von Menschen den Standpunkt vertritt, kann er in einem Artikel zitiert werden. Ein Wikipedia-Artikel wird deshalb selten eindeutige Schlussfolgerungen ziehen. Statt dessen werden meist verschiedene alternative Sichtweisen präsentiert. Stellt sich natürlich in der Diskussion heraus, dass eine bestimmte Argumentation unlogisch oder fehlerhaft ist, so kann dies auch vermerkt werden. Eindeutige Falschinformationen müssen nicht der Neutralität halber weiterverbreitet werden.
Auch Extremismus findet aufgrund der NPOV-Logik nicht automatisch seinen Weg in Artikel. Das scheitert meist schon an der mangelnden Intelligenz der Protagonisten: Nur wenige Rassisten sind in der Lage, ihren Standpunkt in einer NPOV-konformen Weise zu formulieren. Die NPOV-Doktrin besagt weiterhin, dass die Zahl und Reputation derjenigen, die einen Standpunkt vertreten, dafür entscheidend ist, wo dieser Standpunkt wiedergegeben wird. So wurden zum Beispiel die Argumente der Holocaust-Leugner in einen eigenen Artikel ausgelagert. Trotzdem entspricht natürlich auch dieser Artikel dem NPOV und präsentiert Argumente beider Seiten.
Die NPOV-Philosophie ist nichts grundsätzlich Neues - Journalisten folgen ähnlichen Richtlinien, und auch konkurrierende Enzyklopädien bemühen sich um Neutralität. Doch so konsequent verfolgt wie bei Wikipedia wird sie fast nirgendwo. Der Versuch, Argumente aller Seiten zu präsentieren, erfordert bei komplexen Fragen neue Herangehensweisen. In der aktuellen Revision des Artikels über den amerikanischen Drogenkrieg findet sich z.B. ein regelrechter Argumentbaum, der Pro- und Contra-Positionen in Bezug aufeinander wiedergibt. Wer häufig an Diskussionen über bestimmte Themen teilnimmt, findet hier wertvolle Schützenhilfe. Für eine Enzyklopädie ist diese Art der Auseinandersetzung aber außergewöhnlich, und manchen wird sie stilistisch unangemessen vorkommen.
NPOV wirft auch philosophische Fragen auf. Kann man es z.B. jugendlichen Lesern zumuten, offen mit bestimmten Argumenten konfrontiert zu werden oder muss eine Enzyklopädie moralisch Stellung beziehen? Landet Wikipedia womöglich in Deutschland auf dem geheimen Index jugendgefährdender Schriften, weil blasphemischen oder sexuell freizügigen Ansichten nicht zur Genüge Einhalt geboten wird? Während die Amerikaner ihre verfassungsmäßig geschützte Meinungsfreiheit genießen, müssen die deutschen Wikipedianer hoffen, dass nicht der ein oder andere Regierungspräsident von dem Projekt Kenntnis nimmt ..
Quellensuche
Klassische Enzyklopädien verzichten häufig auf genaue Quellenangaben. Bibliographien sind zwar bei größeren Texten meist vorhanden, doch die hohe Reputation einer Encyclopaedia Britannica erlaubt es dem Leser, sie als Sekundärquelle zu zitieren. Wikipedia kann in der jetzigen Form diese Reputation kaum erreichen und muss deshalb Quellenbelege für wesentliche Faktenaussagen liefern. Verweise auf gedruckte Quellen sind in der Praxis eher die Ausnahme, die meisten Wikipedianer nutzen das Web zu Recherchezwecken. Das muss nicht schlecht sein, denn zahlreiche hochwertige Publikationen sind im Volltext im Web zu finden. So finden sich in manchem Artikel (Beispiel: Sex Education ) Links direkt auf Studien im "British Medical Journal", im "Cancer Journal" oder anderen renommierten Fachzeitschriften.
Die zunehmende Verfügbarkeit wissenschaftlicher Arbeiten im Netz (Free Online Scholarship) wird diesen Trend sicher noch verstärken. Besonders geeignet für Enzyklopädie-Artikel sind dabei sogenannte Meta-Analysen, die Studien zu einer Fragestellung zusammenfassen und auch methodologisch bewerten. Der NPOV stellt sicher, dass bei kontroversen Themen wie Homöopathie nicht einseitig Studien ausgewählt werden dürfen, die eine bestimmte Sichtweise unterstützen.
Zweifellos enthält Wikipedia mehr ausgewählte Weblinks als jede andere Enzyklopädie. Während Encarta & Co. meist auf komplette Sites zu einem bestimmten Thema verweisen, zeigen Wikipedia-Artikel auch auf Online-Papers, News-Artikel, Weblog-Einträge, Usenet-Postings usw. Erscheint ein Link nicht glaubhaft, wird er entfernt, zeigt er auf eine ideologisch motivierte Website, wird häufig ein entsprechender Hinweis hinzugefügt (Beispiel: Global Warming] - die über 20 Links sind in 6 Kategorien aufgeteilt).
An Fotos und Illustrationen mangelt es Wikipedia ebenfalls nicht. Viele Wikipedianer gehen selbst auf Motivsuche und stellen ihre Bilder unter den Bedingungen der FDL oder völlig lizenzfrei zur Verfügung. Auch Karten, Diagramme und andere Illustrationen werden schon einmal ad hoc erstellt. Daneben gibt es noch Bilder und Fotos, die nicht urheberrechtlich geschützt sind. Das sind zum einen Gemälde oder Veröffentlichungen, deren Schutz abgelaufen ist (70 Jahre nach dem Tod des Autors). Zum anderen gibt es aber auch Bildersammlungen, die frei zur Verfügung gestellt wurden - entweder, weil die Urheber es so wollten oder, was bedeutender ist, weil sie im Auftrag der amerikanischen Regierung erstellt wurden. Veröffentlichungen der Regierung müssen in den USA der Allgemeinheit zur Verfügung stehen, so dass die riesigen Archive der NASA, der Forst- und Landwirtschaftsbehörden, des Militärs usw. frei nutzbar sind. Dabei handelt es sich oftmals um hochprofessionelle Fotografien. Um die Recherche zu vereinfachen, gibt es eine Liste der entsprechenden Archive.
Ähnliches gilt für Deutschland nicht, und auch sonst bereitet das Urheberrecht Schwierigkeiten. Viele Museen haben zum Beispiel strikte Richtlinien gegen das Fotografieren bestimmter oder gar aller Ausstellungsstücke und bestehen auf der Nutzung eines kostenpflichtigen Reproduktions-Services, oft in Verbindung mit einem stark eingeschränkten Nutzungsabkommen. Ob das bei Kunstwerken, deren Inhalt längst nicht mehr geschützt ist, überhaupt legal ist, sei dahingestellt. Praktiziert wird es dennoch, teilweise mit der Rechtfertigung, die Digitalisierung selbst stelle einen Schöpfungsakt dar und sei deshalb schützenswert. Auf politische Reformen in diesen Bereich zu hoffen heißt, den verantwortlichen Politikern einen hohen Grad von Intelligenz, Wissen und Integrität zuzuschreiben.
Professoren und Teenager
Bei Wikipedia kann jeder mitmachen, doch eine offene Enzyklopädie zieht vorwiegend Menschen mit akademischem Hintergrund an. Informatiker sind zahlreich vertreten, was wohl damit zusammenhängt, dass Wikipedia bereits eine hohe Penetration in Internetmedien wie Weblogs und Diskussionsforen hat. Doch Biologen, Mathematiker, Historiker, Juristen, Musiker, Linguisten und Experten oder Amateure aus zahllosen anderen Disziplinen sind ebenfalls an dem Projekt beteiligt. An fachlich qualifizierten Mitarbeitern herrscht bei den über 10.000 registrierten Nutzern kein Mangel, viele davon könnten wohl ohne Weiteres einen Job bei der Encarta- oder Britannica-Redaktion bekommen.
Was motiviert diese Menschen? Menschen wie Axel Boldt, Mathematikprofessor an der Metropolitan State University in Saint Paul, Minnesota und einer der aktivsten Wikipedianer. Oder Jani Melik, CAD-Designer und abgebrochener Physik- und Astronomie-Student aus Celje in Slowenien. David Wheeler, Software-Designer und Buchautor aus Virginia, USA, und Verfasser mehrerer Studien über Open-Source-Software. Oder James Duffy, Historiker und Politologe aus dem irischen Dublin. "Es gibt verdammt viele intelligente Leute auf Wikipedia, und ich empfinde es als intellektuelle Herausforderung, dabei zu sein", meint Duffy, der in einem Monat über 400 Euro an die irische Telefongesellschaft für seinen "Wikiholismus" bezahlt hat und auch schon mal beim Buckingham-Palast anruft, um dort zu erfahren, wie die stilistisch korrekte Titulierung der Mitglieder des britischen Königshauses lautet. "Ein paar von uns haben über einen Monat daran gearbeitet, und heute gehören die Informationen über die Royals zu den akkuratesten im Internet."
Dabei ist Ruhm und Ehre zumindest für Duffy nur eine sekundäre Motivation. "Zu wissen, was Du geleistet hast, ist oft wichtiger, als dafür gelobt zu werden. Als aber zum Beispiel mein Artikel über das Irische Parlamentgebäude auf der Seite der besten Artikel eingetragen wurde, war ich hocherfreut, insbesondere, da ich auch die Fotos dafür gemacht hatte." Immerhin wird in der Artikelhistorie der Beitrag jedes Autors für die Ewigkeit festgehalten.
Unter den Wikipedianern gibt es auch Jugendliche wie den 14jährigen Daniel Ehrenberg aus Rochester, New York, Linux-Benutzer und Esperanto-Fan, der über fast alle Themenbereiche schreibt und vergeblich versucht, seine Klassenkameraden von dem Projekt zu begeistern. Es gibt Couch-Potatoes, die alles über ihre Lieblings-Fernsehserien sammeln. Rentner, die ihre besten Fotos scannen und in passenden Wikipedia-Artikeln veröffentlichen. Und natürlich auch viele, die aus Eitelkeit einen Enzyklopädie-Artikel über ihr eigenes Projekt schreiben möchten, sei es eine Band, ein Online-Rollenspiel oder eine Kunstausstellung. In diesem Fall wird häufig ein sogenannter "Google-Test" durchgeführt - lassen sich die Informationen nicht aus glaubwürdigen Quellen nachvollziehen, werden sie zusammengestutzt oder gelöscht.
Auch viele religiöse Menschen arbeiten an der Enzyklopädie mit. Die Heiligen des Katholizismus werden von entsprechenden Anhängern ähnlich eifrig eingetragen wie die verschiedenen Figuren aus dem Star-Trek-Universum von dessen Fans. Dass dabei der NPOV mitunter zu kurz kommt, versteht sich, insbesondere wenn gleich ganze Artikel aus der 1908er Catholic Encyclopedia übernommen werden, die frei verfügbar ist.