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Seite 4: Beuge- und Sühnestrafen
Das kirchliche Recht unterscheidet laut GW-Gutachten zwischen Klerikern und Laien, also kirchlichen Amts- und Würdenträgern und einfachen Mitgliedern. Letztere können, zum Beispiel als Lehrer einer kirchlichen Einrichtung, sehr wohl als Beschuldigte im Zusammenhang mit dem Vorwurf sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige auftauchen. Ferner wird im kanonischen Recht nach Beugestrafen, deren Zweck die Reue und die Änderung des monierten Verhaltens ist, und Sühnestrafen, also Bestrafung für ein Fehlverhalten unterschieden.
Der Maßnahmenkatalog reicht von Gebeten, Wallfahrten, Fasten, dem Verbot, Sakramente zu geben oder zu empfangen, über Versetzung bis hin zur Amtsenthebung und Entlassung aus dem Klerikerstand. Dabei gilt das Legalitätsprinzip, das heißt, es muss vor Begehen einer Tat klar gewesen sein, dass es sich um eine Straftat handelt. Ausnahme sind schwere Straftaten. Im Falle einer Gesetzesänderung während der Zeit zwischen Tat und Urteil muss das günstigere Strafmaß verhängt werden.
Wie beim weltlichen Recht gilt auch hier die Unschuldsvermutung. Deshalb haben die Autoren der Studie sich entschlossen, von Beschuldigten und Betroffenen zu reden, denn in den allermeisten Fällen wurde die Schuld nie zweifelsfrei festgestellt. Und das, obwohl Kleriker genauso dem weltlichen Strafrecht unterliegen, wie alle anderen auch. Allerdings konstatieren die Autoren den "Wunsch des kirchlichen Gesetzgebers, Strafverhängung zu vermeiden".
2002 erarbeitete die Deutsche Bischofskonferenz "Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche". 2010 wurden diese überarbeitet und im Dezember 2019 ein weiteres Mal. Am 16. Juli 2020 folgte das "Vademecum zu einigen Fragen in den Verfahren zur Behandlung von Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Kleriker" (Vad.), das laut der Gutachter "in vielen Punkten erstmals echte Klarheit" brachte.
Bei Sexualstraftaten gilt seit 2010 eine Verjährungsfrist von 20 Jahren ab dem Tag des Begehens der Tat, bei wiederholten, teils über Jahre hinweg begangenen Taten ab dem Tag der Beendigung. Bei Minderjährigen Opfern beginnt die Verjährungsfrist mit dem Tag ihrer Volljährigkeit.
Was aber passiert mit Priestern, denen Sexualstraftaten nachgewiesen werden? In einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit beantwortete der ehemalige US-Benediktinermönch Patrick Wall die Frage mit den erhellenden Worten:
"Sie wurden zwar oft aus der betroffenen Gemeinde abgezogen, aber nie exkommuniziert oder der Justiz übergeben. Dazu wussten sie in der Regel zu viel über all die Verfehlungen der anderen Geistlichen. Die Bischöfe hatten Angst, dass bei einem Gerichtsprozess all die klerikalen Schandtaten ans Licht kämen. Deshalb wurden die Missbrauchstäter meist kurz in eine kirchliche Therapieeinrichtung gesteckt, bevor man sie wieder in eine andere Gemeinde entsandte. Das ist ja überall auf der Welt so passiert, auch in Deutschland."
Wall recherchierte mit Kollegen in Kirchendokumenten und "wir sahen, dass es sexuellen Missbrauch in der Kirche fast seit ihrem Bestehen gibt. (…) Bereits bei der Synode von Elvira im Jahre 309 wurden Regelungen erlassen, wie mit Priestern zu verfahren sei, die sich an Kindern vergehen". So sei es "Bestandteil des Kirchenrechts, dass alle Beteiligten, die in einen Fall von sexuellem Missbrauch eingeweiht werden, eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen müssen. Diese sieht vor, dass sie exkommuniziert werden, wenn sie jemandem davon erzählen".
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