Amri-Ausschuss: Kapitulation vor dem Verfassungsschutz?

Seite 2: Methodenschutz zur Abwehr

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Nach dem Anschlag vom 19. Dezember 2016 lieferte auch das LfV Berlin der obersten Ermittlungsbehörde Bundesanwaltschaft Informationen zu. Der Abgeordnete Niklas Schrader (Linke) wollte wissen, ob es im Amt eine Dokumentation gebe, welche Informationen und welche Akten nach Karlsruhe gegangen sind.

Antwort Katharina Fest/LfV: Ja, die gibt es.
Frage Schrader/UA: Sind darunter auch Quellen-Informationen?
Fest/LfV: Grundsätzlich schon.
Schrader/UA: Gibt es eine Übersicht aller Quellen im Bereich Islamismus und was von denen über den Anschlag, den Täter usw. zugeliefert wurde?
Fest/LfV: Sage ich in eingestufter Sitzung.
Schrader/UA: Ich will nur abstrakt wissen, ob es so eine Übersicht gibt.
Fest/LfV: Übersichten gibt es immer.
Schrader/UA: Und hier?
Fest/LfV: In nicht-öffentlicher Sitzung.
Schrader/UA: Allein die Frage, ob es so etwas gibt, ist geheimhaltungsbedürftig?
Fest/LfV: Ja.
Schrader/UA: Warum?
Fest/LfV: Es ist nicht meine Aufgabe zu erklären, warum ich das nicht von der Aussagegenehmigung gedeckt sehe.
Schrader/UA: Eine Begründung wäre schon gut. Ich will nur wissen, gab es so eine Übersicht oder nicht. Das wäre auch die Frage an den Vorsitzenden.
Karsten Woldeit (AfD), zwischenzeitlich auf dem Platz des Ausschussvorsitzenden: Nach dem Untersuchungsausschuss-Gesetz ist vorgesehen, dass eine Begründung abgegeben wird.
Die Zeugin berät sich mit ihrer Rechtsanwältin.
Fest/LfV: Die Frage fällt unter Methodenschutz und da gibt es ja einen Kontext. Ich bitte zu respektieren, dass ich öffentlich dazu nichts sagen möchte.
Schrader/UA: In welcher Hinsicht ist der Methodenschutz gefährdet? Ich will doch nicht wissen, wie die Übersicht entstanden ist, sondern nur ob.
Stephan Lenz (CDU), zurück auf dem Platz des Vorsitzenden: Ich denke, wir sollten es respektieren, dass sie dazu nichts sagen möchte.
Fest/LfV: Es spielen viele Fragen zusammen, das fällt unter Methodenschutz.
Schrader/UA: Auf die Frage, ob Ihnen bekannt war, dass das BfV in der Fussilet-Moschee eine Quelle hatte, sagten Sie, das wollten Sie nur in nicht-öffentlicher Sitzung beantworten. Warum? Weil eine Quelle offengelegt werden könnte? Weil es um Methodenschutz geht? Was ist der Grund?
Fest/LfV: Ich beantworte keine Fragen, die den Zuständigkeitsbereich einer anderen Behörde betreffen.
Schrader/UA: Es ist Ihr Bereich, nicht der einer anderen Behörde.
Lenz/UA-Vorsitzender: Ich denke, wir sollten das so zur Kenntnis nehmen.

2017 hat der Sonderermittler des Berliner Senates, Bruno Jost, das Behördenhandeln im Fall Amri untersucht. Dabei stieß er auf die bekannten Aktenmanipulationen innerhalb des LKA. Die Nachrichtendiensten aber blieben für ihn ein unbeschriebenes Blatt. Er quittierte das in seinem Bericht unter der Überschrift "Rolle der Nachrichtendienste" mit dem Satz: "Soweit aus den hier vorliegenden Akten ersichtlich, spielten die deutschen Nachrichtendienste (hier BfV, LfV Berlin und BND) sowohl im Vorfeld des Anschlags vom 19.12.2016 als auch bei der Aufklärung und Aufarbeitung des Verbrechens eine bemerkenswert bedeutungslose Rolle."

Diesen Satz hielt der Abgeordnete Benedikt Lux nun der Zeugin vor und fragte, ob sie das so bestätigen könne.

Fest/LfV: Ich möchte mich dazu nicht äußern.
Lux/UA: Wenn es Tatsachen gibt, die zu Josts Auffassung geführt haben, sind Sie verpflichtet, es zu sagen.
Die Zeugin berät sich mit ihrem Rechtsbeistand.
Fest/LfV: Ich möchte die Äußerung von Herrn Jost nicht kommentieren.
Lux/UA: Das interpretiere ich so, dass keine entsprechenden Tatsachen vorliegen.

Er gibt der Aussage einen anderen Inhalt und schützt damit die Zeugin. Deshalb fügt Lux noch den Satz an: "Das können wir nicht einreißen lassen." Hinterher erklärte er, er hätte sich gewünscht, dass der Vorsitzende die Zeugin zumindest belehrt, dass sie Tatsachen benennen müsse. Er hätte sich gewünscht, dass man sie nicht davonkommen lässt. Denn dass ein Zeuge erkläre, er mag nichts sagen, gehe nicht, und er würde sich freuen, wenn das der gesamte Ausschuss so sehen würde.

Behördenauskünfte ohne Wert

Das einzige, was der Geheimdienst namens Verfassungsschutz durch ein derartiges Antwortverhalten seines Personals, wie hier der stellvertretenden Amtschefin von Berlin, offenbart, ist seine grundsätzliche Weigerung, Einblick in seine Arbeit zu gewähren. Auch nicht denen, die einen hoheitlichen Auftrag dazu haben, und selbst im Falle eines Terroranschlages nicht.

Für den Abgeordneten Niklas Schrader habe die heutigen Sitzung, wie er in der Presserunde erklärte, eindrucksvoll gezeigt, wie schwer Verfassungsschutzämter kontrollierbar seien. Der Ausschuss habe seine Grenzen aufgezeigt bekommen. Das seien auch die Grenzen der Aufklärung, aber die seien viel zu früh angesetzt worden.

Das Spiel mit den Regeln, die die Sicherheitsbehörden diktieren, funktioniert nur, wenn sich alle daran halten. Ein Sicherheitsapparat, der in kurzen Abständen einen Anschlag nach dem anderen mit seinen geheimen Arbeitsweisen eben nicht verhindert, hat strenggenommen aber keine guten Karten. Eigentlich Gründe genug, seine Regeln zu hinterfragen.