Anhand der Gehirnaktivität Traumbilder erkennen

Japanische Wissenschaftler konnten zeigen, dass das Gehirn Traumbilder ähnlich verarbeitet wie Gesehenes

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Beim Gedankenlesen mittels Gehirnscans gab es bereits einige Fortschritte, auch wenn man noch weit davon entfernt ist, wirklich anhand der neuronalen Aktivität erkennen zu können, was ein Mensch gerade denkt oder wahrnimmt. Erkannt werden können allerdings nicht in einem Aktivitätsmuster einzelne Worte oder Bilder anhand eines Scans, sondern nur das Zusammenfallen von Kategorien oder Merkmalen, von denen man annimmt, dass sie das Gehirn verwendet, um so Objekte zu identifizieren. Japanische Wissenschaftler haben nun erstmals versucht, die Traumbilder anhand der neuronalen Aktivitätsmuster durch Maschinenlernen zu decodieren (Gedankenlesen im Zeitalter der Gehirnscanner).

Tartinis Traum von Louis-Léopold Boilly. Fällt auch die Privatsphäre der Träume? Bild: gemeinfrei

Wir wissen zwar, dass wir oft visuelle Szenen träumen, aber das sind subjektive Erfahrungen, die wir nur post festum mitteilen können. Ob jemand träumt und vor allem was er träumt, kann direkt von anderen nicht beobachtet werden. Angenommen wird zwar, dass sich anhand physiologischer Messungen feststellen lässt, ob ein schlafender Menschen träumt, aber das ist umstritten. Gemeinhin wird der REM-Schlaf, in dem sich u.a. schnelle Augenbewegungen und mit dem EEG Aktivitätsmuster, v.a. Thetawellen, feststellen lassen, mit Träumen verbunden, aber Träume entstehen auch in anderen Schlafphasen.

Die Wissenschaftler, deren Studie in der Zeitschrift Science veröffentlicht wurde, haben sich auf visuelle Träume in den Schlafphasen 1 (leichter Schlaf kurz nach dem Einschlafen) und 2 konzentriert, weil hier die Versuchspersonen noch öfter aufgeweckt und befragt werden können, was im Tiefschlaf und im REM-Schlaf sehr beeinträchtigend wäre. Aus den verbalen Darstellungen der Traumbilder wurden Wörter herausgenommen, die Szenen oder Objekte charakterisieren, und anhand der lexikalisch-semantischen Datenbank WordNet analysiert, um Merkmale für die Bilder festzulegen. Semantisch ähnliche Wörter wurden in hierarchische gegliederte "Synsets" gruppiert. Anhand der grundlegenden Synsets, die in mindestens 10 Berichten der einzelnen Versuchspersonen vorkamen, wurden schließlich die fMRT-Aktivitätsmuster mit einem visuellen Vektor ausgezeichnet, der jeweils angibt, ob ein Synset vorhanden ist oder nicht.

Die Wissenschaftler gingen von der Hypothese aus, dass die mit funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) gemessenen Aktivitätsmuster während der Traumphase kurz vor dem Wecken zumindest teilweise die von den Versuchspersonen berichteten Bilder repräsentieren. Aus ImageNet, einer nach WordNet aufgebauten Bild-Datenbank, wurden ebenso wie aus Google Images Bilder verwendet, um das Programm zu trainieren. Trainiert wurde das Programm mittels Maschinellem Lernen zudem an der Erkennung von neuronalen Aktivitätsmustern, die in den Gehirnen der wachen Versuchspersonen beim Anschauen von Bildern aus dem Web entstanden.

Die Ergebnisse stammen allerdings nur von drei Versuchspersonen, die aber jeweils 200 Mal - durchschnittlich alle 342 Sekunden - aus dem Schlaf aufgeweckt und dann nach ihren Traumbildern befragt wurden. Träume wurden in 75 Prozent der Fälle berichtet. Synsets der Traumbilder und der wahrgenommenen Bilder wurden mit den neuronalen Aktivitätsmustern des Gehirns im Schlaf und im Wachzustand verglichen. Ausgewählt wurden nur diejenigen, die eine hohe Genauigkeit bei der Verbindung eines visuellen Inhalts mit einem Muster aufwiesen. Dabei zeigte sich, dass sich die Aktivitätsmuster im Traumschlaf- und im Wachzustand, die mit visuellen Inhalten verbunden werden konnten, sehr ähneln.

Manche Inhalte der Traumbilder, so die Wissenschaftler, lassen sich aus neuronalen Aktivitätsmustern erkennen, die auch im Wachzustand gesehene Bilder repräsentieren. Das spreche für das Prinzip der perzeptuellen Äquivalenz, also dass es eine gemeinsame neuronale Grundlage für wahrgenommene und geträumte, wahrscheinlich auch halluzinierte Bilder gibt. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass ihr auf Berichten spontan entstandener Traumbilder im Anfangsschlaf entwickeltes Decodierungsprogramm auch zur Erkennung von Bildern im REM-Schlaf geeignet sei.