Antisemitismus in Deutschland
Seite 3: Salafisten, rechter und linker Antisemtismus
Wie beurteilen Sie die Gefahr, die von den Rechten ausgeht?
Hartmut Krauss: Ich halte diese Gefahr insgesamt gesehen für durchaus relevant und besorgniserregend. Allerdings ist es grundfalsch, wenn man sich dabei einseitig und zum Teil auch aus ideologisch fadenscheinigen Gründen nur auf die einheimische Rechte konzentriert und dabei den quantitativ und qualitativ bedeutsameren Teil der zugewanderten Rechten orientalisch-islamischer Prägung weitgehend außer Acht lässt.
So ist z. B. die türkisch-rechtsextremistische Ülkücü-Bewegung, deren türkische Hauptorganisation die Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) ist – besser bekannt als Graue Wölfe - mit ihren 11.000 Mitgliedern in Deutschland alleine fast genauso stark wie die gesamte Mitgliedschaft der einheimischen rechtsextremistischen Parteien zusammen. (NPD, Die Rechte, Der III. Weg).
Hinzu kommen 11.900 Personen, die allein der salafistischen Szene in Deutschland zugerechnet werden. Während die AfD ca. 28.000 Mitglieder aufweist, werden für die Islamische Gemeinschaft[KV1] Milli Görüs (IGMG) ca. 33.000 Mitglieder gezählt. Im Bereich "islamistischer Terrorismus" wurden zuletzt laut offizieller Mitteilung 531 "Gefährder" und 516 "Relevante Personen gezählt.
Im Bereich der politisch rechts motivierten Kriminalität waren es 81 "Gefährder sowie 185 "Relevante Personen" und im Bereich der politisch links motivierten Kriminalität zwölf "Gefährder" sowie 72 "Relevante Personen".
Von den ca. 2,8 Millionen Türkeistämmigen in Deutschland waren bei der letzten Präsidentschafts- und Parlamentswahl in Deutschland 1.443.585 Millionen wahlberechtigt, von denen 49,7 Prozent ihre Stimme abgaben. Von diesen wiederum wählten zwei Drittel (64,8 Prozent) Erdogan, 55,7 Prozent die AKP und 8,4 Prozent die MHP. Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass judenfeindliche Rufe auf deutschen Straßen stärker und umfangreicher aus muslimischen als aus deutschen Kehlen erschallen.
Gibt es linken Antisemitismus und falls ja, welche Rolle spielt dabei Israel?
Hartmut Krauss: Die bei einigen Vertretern der "Linken" zu kritisierenden "antisemitischen" Positionen sind weder religiös-weltanschaulich (christlicher Antijudaismus; islamische Judenfeindlichkeit) noch rassistisch motiviert, sondern resultieren aus einer personalisierenden (verschwörungspopulistischen) Kapitalismuskritik und/oder einer "antiimperialistisch" verblendeten Israelfeindlichkeit.
Dabei wird Israel – bei vollständiger Ausblendung der reaktionär-islamischen und aggressiv-dschadistischen Konstitution der palästinensischen Vorhutakteure und ihrer muslimischen Unterstützer – als repressiver Kolonialstaat vorgestellt und naiv der muslimischen Opferinszenierung gehuldigt.
Daraus ergibt sich dann ein ideologisch verzerrtes Bild, das die realen Gegebenheiten grundsätzlich auf den Kopf stellt: Die Israelis sind immer die Bösewichte, die Palästinenser immer die armen unschuldigen Opfer, die sich bloß wehren.