Antisemitismus in Deutschland
Der islamkritische Sozialwissenschaftler Hartmut Krauss zur Judenfeindlichkeit in der Berliner Republik.
In dem von Eric Anger und Ronald Bilik mitverfassten Buch Judenfeindlichkeit - Ideologische Wurzeln und gegenwärtige Erscheinungsformen befasst sich der Sozialwissenschaftler Hartmut Krauss mit Ausprägungen und Ursachen des hiesigen Antisemitismus. Telepolis sprach mit dem Autor.
Herr Krauss, in welcher Bevölkerungsgruppe ist nach Ihrer Einschätzung der Antisemitismus in Deutschland am weitesten verbreitet?
Hartmut Krauss: Zwar gibt es immer noch einen zu hohen Anteil von judenfeindlichen und "modern"-antisemitischen Einstellungen unter einheimischen Deutschen – insbesondere in alt- und neurechten Milieus –, die entschieden zu verurteilen und offensiv einzudämmen sind.
Aber dennoch ist entgegen den politisch-medial vorherrschenden einseitigen Darstellungen Folgendes klar hervorzuheben: Judenfeindlichkeit, vor allem in ihren aggressiv-aktivistischen Ausdrucksformen, ist vornehmlich ein muslimischer Migrationsimport und weit überproportional unter Zuwanderern aus islamisch geprägten Ländern verbreitet.
Studien zu antijüdischen Einstellungen bei Muslimen in Deutschland
Worauf stützen Sie Ihre Bewertung?
Hartmut Krauss: Insbesondere auf eine ganze Reihe empirischer Befunde. Tatsächlich ist schon seit längerer Zeit bekannt, dass die Hauptträger des Antisemitismus in Deutschland zugewanderte Muslime sind, darunter seit 2015 verstärkt auch Flüchtlinge.
Bereits in der Studie "Muslime in Deutschland" (2007) wurde Folgendes festgestellt:
"Bezogen auf antisemitische Vorurteilsbekundungen äußern junge Muslime mit 15,7 Prozent die höchste Zustimmung. Bei den Nichtmuslimen mit Migrationshintergrund liegt diese Quote bei 7,4 Prozent und bei den einheimischen Jugendlichen bei 5,4 Prozent."
Auch in der Studie "Lebenswelten junger Muslime in Deutschland" (2011) zeigte sich, dass nichtdeutsche und deutsche Muslime (25 Prozent - 33 Prozent) deutlich häufiger "Vorurteile gegenüber Juden" hegen als deutsche Nichtmuslime (fünf Prozent).
In einer Umfrage der Anti-Defamation-League aus dem Jahr 2015 zeigten 14 Prozent der Christen in Deutschland antisemitische Neigungen, unter Atheisten waren es 20 Prozent. Bei Muslimen lag der Anteil bei 56 Prozent.
Eine vom Berliner American Jewish Committee (AJC) in Auftrag gegebene und vom Allensbacher Institut für Demoskopie durchgeführte Repräsentativbefragung mit dem Titel "Antisemitismus in Deutschland" (2022), bei der auch die Einstellungen von muslimischen Personen erfasst wurden, gelangte zu folgenden wesentlichen Ergebnissen:
1. Antijüdische Einstellungen sind bei Muslimen deutlich stärker verbreitet als in der deutschen Gesamtbevölkerung.
2. Je stärker der Grad der Religiosität bzw. die subjektive Bindung an den Islam ausgeprägt ist (hier gemessen an der Häufigkeit von Moscheebesuchen), desto häufiger werden auch antijüdische Einstellungen geteilt.
3. Bezogen auf die im Bundestag vertretenen Parteien weisen AfD-Anhänger am häufigsten antijüdische Einstellungen auf.
Die Aussage "Juden haben zu viel Macht in der Wirtschaft und im Finanzwesen" bejahen 23 Prozent in der Gesamtbevölkerung, 39 Prozent der AfD-Anhänger, 49 Prozent der Muslime (die von Israel ein gutes Bild haben), 56 Prozent der Muslime (die von Israel ein schlechtes Bild haben), und 68 Prozent der Muslime, die häufig die Moschee besuchen.
Die Aussage "Juden haben zu viel Macht in der Politik" bejahen 18 Prozent in der Gesamtbevölkerung, 34 Prozent der AfD-Anhänger, 38 Prozent der Muslime (die von Israel ein gutes Bild haben), 53 Prozent der Muslime (die von Israel ein schlechtes Bild haben), und 60 Prozent der Muslime, die häufig die Moschee besuchen.
Die Aussage "Juden haben zu viel Macht im Bereich der Medien" bejahen 18 Prozent in der Gesamtbevölkerung, 31 Prozent der AfD-Anhänger, 41 Prozent der Muslime (die ein gutes Bild von Israel haben), 53 Prozent der Muslime (die ein schlechtes Bild von Israel haben), und 64 Prozent der Muslime, die häufig die Moschee besuchen.
Die Aussage "Juden nutzen ihren Status als Opfer des Völkermords im Zweiten Weltkrieg zu ihrem eigenen Vorteil aus" bejahen 34 Prozent in der Gesamtbevölkerung, 48 Prozent der AfD-Anhänger, 52 Prozent der Muslime (die ein gutes Bild von Israel haben), 61 Prozent der Muslime (die ein schlechtes Bild von Israel haben), und 65 Prozent der Muslime, die häufig eine Moschee besuchen.
Der signifikant höhere Verbreitungsgrad antijüdischer Einstellungen unter Muslimen schlägt sich auch in der Wahrnehmung jüdischer Opfer von Diffamierungen und Gewalt nieder.
Nach einer Studie der European Union Agency for Fundamental Rights (EU-Agentur für Grundrechte) aus dem Jahr 2013 schätzten bei Fällen von körperlicher Gewalt oder ihrer Androhung 40 Prozent der Betroffenen die Täter als Personen "mit extremistisch muslimischer Orientierung" ein: "Deutlich seltener wurden sie als links- oder rechtsgerichtet wahrgenommen."