Apokalypse oder Wandel? Die Zukunft der Menschheit steht auf dem Spiel

Apokalyptische Landschaft

Apokalypse – Gemälde des englischen Malers düsterer Landschaftsszenen Albert Goodwin, 1903. Bild: Gemeinfrei

Die Menschheit steht am Scheideweg. Kapitalismus und Krisen bedrohen unser Überleben. Gibt es noch Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft? (Teil 2 und Schluss)

Man könnte sagen, es ist mangelnde Anpassungsfähigkeit von Menschen, die entschiedenes Handeln in den Überlebensfragen und -problemen unserer Zeit hemmt. Das ist nur ein Teil der Ursachen der fortschreitenden apokalyptischen Zustände und Entwicklungen.

Die wirtschaftlichen Systeme, die sich in der heutigen Menschheit ausgebreitet haben und die Lebensverhältnisse beherrschen, beruhen auf kapitalistischen Prinzipien. Dies gilt für den westlichen, auf Privatwirtschaft beruhenden liberalen Kapitalismus, aber auch für den in anderen Teilen der Welt herrschenden staatlich gelenkten Kapitalismus.

Kapitalistisches Denken, Handeln und Produzieren zielt auf Profitmaximierung und auf eine rationale, möglichst effektive Verwertung der eingesetzten Produktionsmittel, ohne dabei Aspekte der Nachhaltigkeit, der Ethik und möglicher negativer sozialer Folgen wesentlich zu berücksichtigen.

Profitmaximierung erfordert ständige Erweiterung der Produktion ("Wachstum") und Vermehrung der produzierten Waren sowie ihre rasche Ersetzung durch neue Produkte, außerdem die Ausdehnung des Marktes und die Beseitigung divergierender Produktions- und Wirtschaftsverhältnisse.

Wachstumszwang und seine Folgen für Mensch und Umwelt

Der Erfolg des Wirtschaftens nach kapitalistischen Prinzipien beruht auf der wirtschaftlichen Effektivität und – zumindest beim modernen Kapitalismus – auf dem Wohlstandszuwachs bei denen, die an den Wirtschaftsprozessen beteiligt sind, wenn auch der Gewinnzuwachs ungleich verteilt wird.

Die Erfolgsseite lässt Menschen, denen Kapitalanhäufung und Wohlstand oberste Richtschnur ist, die Seite der nachteiligen Folgen leicht übersehen.

Grenzen des kapitalistischen Systems

Es ließe sich nachweisen, dass nahezu alle hier benannten Probleme und Krisen nicht nur mit menschlicher Ignoranz, Unfähigkeit, Unwilligkeit oder gar Böswilligkeit zu tun haben, sondern mit der kapitalistischen Ausrichtung der herrschenden Wirtschaftssysteme zusammenhängen.

Das Prinzip der Profitmaximierung führt nicht nur zu einer Wirtschaft, die die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit ruiniert, sondern zerrüttet auch menschliches Zusammenleben. Es führt zu Konkurrenzstreben, in dem sich jeder durchsetzen will und erschwert gemeinsames, solidarisches Handeln, in den einzelnen Gesellschaften und unter Völkern.

Der Konkurrenzkampf zwischen Ländern, nationaler Egoismus, Imperialismus der Großmächte, ihr Wettrüsten ist Ausdruck der Auswirkung kapitalistischer Prinzipien im politischen Bereich.

Ungezügeltes Wachstum der Wirtschaft, des Verbrauchs und Konsums verursachen Raubbau an den natürlichen Ressourcen – ohne dass für ihre Erneuerung gesorgt wird – und belasten Umwelt und Menschen. Vermehrter Wohlstand bedeutet nicht mehr Lebensqualität!1

Es ist unter kapitalistischen Verhältnissen schwierig, gemeinsame Lösungen der Überlebensprobleme der Menschheit zu finden und entsprechende übergreifende Abmachungen zu treffen.

Alternativen zum Kapitalismus: Schwierige, aber notwendige Suche

Es ist klar, dass kapitalistisches Wirtschaften ein massives Behauptungs- und Beharrungsvermögen besitzt und nicht leicht zu verändern oder gar zu ersetzen ist. Es ist ein Moloch, der Menschen und Natur frisst – und er wird von großen Profiteuren mit allen Mitteln verteidigt.

Doch "ein abrupter Übergang in eine antikapitalistisch strukturierte Wirtschaft und Gesellschaft wäre selbst für Marxisten und Linke nicht wünschenswert. Dies ginge nur unter heftigen Widerständen, mit enormen lebensweltlichen Brüchen und menschlichen Opfern, wahrscheinlich nicht ohne Gewalt. Für eine Übergangszeit wären nicht einmal die materiellen Lebensgrundlagen der Bevölkerungen gesichert."2

Demokratie im Spannungsfeld mit dem Neoliberalismus

Fatal ist auch, dass die westlichen Demokratien ein Bündnis mit dem Neo-Kapitalismus eingegangen sind – es wären auch andere Wirtschaftsformen denkbar. Gesellschaftliche Freiheit wurde mit wirtschaftlichem Liberalismus gleichgesetzt, persönliche Entfaltung mit wirtschaftlichem Wachstum, soziale Ausrichtung mit der "sozialen" Marktwirtschaft.

Einerseits verstellt das den Blick auf alternative Wirtschaftsmodelle, auf der anderen werden die unübersehbaren "Sumpfblumen" (George Grosz) kapitalistischen Wirtschaftens freiheitlich-demokratischen Verhältnissen angelastet.

Schritte zur Transformation des Wirtschaftssystems

Es bleibt wohl nicht anderes übrig, als auf eine Veränderung kapitalistischen Wirtschaftens zu setzen. Es wird auch in keiner Gesellschaft rein nach kapitalistischen Prinzipien gewirtschaftet.

Überall greifen Regierungen regulierend und abmildernd ein. In den entwickelten Länder flankieren Sozialsysteme die Produktionsprozesse. In demokratisch verfassten Ländern interagieren kapitalistisch orientierte Interessengruppen mit sozial oder ökologisch orientierten Vereinigungen, die auf Wirtschaft und Politik Einfluss nehmen. Der Druck von einzelnen, die sich mit Gleichgesinnten zusammenschließen, zeigt Wirkungen.

Es ist schwierig, aber nicht aussichtslos, kapitalistisch ausgerichtetes Wirtschaften zu modifizieren, hin auf Wachstumsbeschränkung, Gewinnmäßigung, Nachhaltigkeit, soziale Rücksichtnahme, gesellschaftliche und globale Solidarität, Gemeinwohlberücksichtigung, "Non-Profit"- Investitionen …

Zumindest die Einsicht unter den Beteiligten müsste greifen, dass kapitalistisches Wirtschaften sich selbst die Grundlagen entzieht, wenn es einen für die Menschheit letzten Endes ruinösen Kurs verfolgt.

Tatsächlich hat die Suche nach alternativen Wirtschafts- und Gesellschaftskonzepten längst begonnen und wirkt sich auf Unternehmen und Politik aus – wenn auch zögerlich und von der breiten Öffentlichkeit wenig wahrgenommen.

Apokalypse oder Wandel? Szenarien für die Zukunft

Ich wende mich nicht nur gegen "Apokalypse-Blindheit", sondern auch gegen eine "Apokalypse-Gläubigkeit", die keine Auswege mehr sieht. Ich behaupte nicht, dass der in der modernen säkularen Apokalyptik beobachtete Lauf der Dinge und ihr dort erwartetes Ende unrealistisch seien.

Wogegen ich mich wende, ist der Fatalismus und Determinismus, der apokalyptischen Geschichtssicht oft bestimmt. Die Fixierung auf ein Endereignis ist nicht zwingend. Genauso wenig wie optimistische Prognosen sicher sind, müssen pessimistische Voraussagen zwangsläufig eintreffen.

Es ist nicht ausgemacht, dass die Bemühungen, apokalyptisch erscheinenden Entwicklungen Einhalt zu gebieten, erfolglos sein werden und auch, dass Geschichte keinen Raum mehr für – vielleicht unerwartete – Änderungen und Wendungen bietet.

Es sind andere Szenarien für ein "Ende" denkbar, als sie moderne Apokalyptiker erwarten. In der jüdisch-christlichen Tradition gibt es nicht nur die apokalyptische Sicht auf die Geschichte, sondern auch andere Visionen, die politisch relevant wurden (Jesaja 2,4; 11, 6–9: "Schwerter zu Pflugscharen").

Dantes Spruch über den Eingang zum Inferno "Lasst alle Hoffnung fahren" ist nicht die einzig mögliche Haltung gegenüber den zerstörerischen Tendenzen unserer Epoche. Apokalyptik kann die Wahrnehmung der Realität und darin liegender Möglichkeiten verzerren und Engagement für eine bessere Zukunft lähmen.

Kritisch muss auch die geheime Option für die Katastrophe bedacht werden, die apokalyptischem Denken zugrunde liegen kann, sei es, dass die "Apokalypse als Hoffnung" betrachtet wird (Läuterung der Menschheit und Neugestaltung der Welt) oder nur, dass der Apokalyptiker mit seinen Prognosen recht behalten will.

Die Rolle der Angst in der gesellschaftlichen Transformation

Vielleicht benötigt der heutige Mensch die alten apokalyptischen Symbole und Bilder, um seine Ängste artikulieren zu können – und auch um Heilungs- und Hoffnungsperspektiven in einer kranken und bedrohten Welt entwickeln zu können. Die Angst wahrzunehmen, auszuhalten und zur Sprache zu bringen, ist der erste Schritt für die Abkehr von einer Lebensweise, mit der Menschen auf die Dauer sich selbst und ihre Lebensgrundlagen zerstören.

Dies ist auch die notwendige Voraussetzung dafür, dass einer Politik die Unterstützung entzogen wird, die die destruktive Weise unseres Lebens und Produzierens im großen Stil organisiert und in Gang halten will.

Mit der Apokalyptik muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass wir in einer "Frist" leben, die jederzeit zu Ende gehen kann, dass es ein "Zu-Spät" gibt.

Dies ist im Übrigen nicht nur die Situation unserer Zeit, sondern unseres Lebens überhaupt. Immer stehen wir vor der Aufgabe, unsere Chancen und Möglichkeiten zu erkennen und zu ergreifen, immer sind wir von Unsicherheit, Scheitern und dem Ende unseres Lebens bedroht; Gelingen gibt es nur unter diesen Bedingungen.

Liegt uns daran, diesen Planeten als lebenswerten Raum und für ein humanes Dasein zu bewahren, so kann es nicht die Aufgabe sein, uns mit apokalyptischen Desastern oder einer Endkatastrophe abzufinden. Es gilt vielmehr, sie aufzuhalten und zu verhindern. Wir sind also – um mit G. Anders zu reden – "da wir an die Möglichkeit des 'Zeitendes' glauben … Apokalyptiker, aber da wir die von uns selbst gemachte Apokalypse bekämpfen, sind wir – diesen Typ hat es zuvor nicht gegeben – Apokalypse-Feinde."3

Der Theologe Dietrich Bonhoeffer schreibt 1942/43 – in einer wahrhaft apokalyptischen Situation4:

Mag sein, dass der jüngste Tag morgen anbricht, dann wollen wir gern die Arbeit für eine bessere Zukunft aus der Hand legen, vorher aber nicht.

Globale Zusammenarbeit als Schlüssel zum Überleben

Bei all dem, was wir hier in den Blick nehmen, ist es schwer verständlich, warum sich so viele Betroffene nicht gegen diejenigen und ihre Systeme wenden, die Weltzerstörung und Menschenvernichtung organisieren, ebenso, dass so viele nicht sehen, dass nur gemeinsames Bemühen das Überleben der Menschheit in einer lebenswerten Welt sichern kann.

Ist es überhaupt möglich, dass die Menschheit überlebt, was ja von manchen heutigen Apokalyptikern bestritten wird?

Ich habe diese Frage – "Wird die Menschheit überleben?" – einem modernen "Orakel" gestellt, dem viel wissenden Bot von ChatGPT. Das Fazit der Antwort lautete:

Letztlich hängt das Überleben der Menschheit von der Fähigkeit ab, kluge Entscheidungen zu treffen, technologische Innovationen verantwortungsvoll zu nutzen und globale Zusammenarbeit zu fördern. Die Herausforderungen sind groß, aber mit den richtigen Maßnahmen und einer kollektiven Anstrengung könnte die Menschheit langfristig überleben.

Wie wollen, wie sollten Menschen leben? Doch wohl alle mit ausreichenden materiellen Ressourcen, in Frieden, Zufriedenheit und Würde! Darin wird die Mehrheit der Menschheit übereinstimmen. Aber warum gelingt es nicht, dies nicht nur für eine Minderheit – von der ein Teil mehr als ausreichende Lebens-Mittel beansprucht -, sondern für alle Menschen herzustellen? Reichen die Ressourcen nicht?

Ressourcen für alle? Eine Frage der Verteilung

Ich habe auch diese Frage dem Bot von ChatGPT gestellt: "Können alle Menschen mit ausreichenden materiellen Ressourcen, in Frieden, Zufriedenheit und Würde leben?" Die Zusammenfassung der Antwort war:

Theoretisch ist es möglich, dass alle Menschen mit ausreichenden materiellen Ressourcen in Frieden, Zufriedenheit und Würde leben. Praktisch erfordert dies jedoch tiefgreifende Veränderungen auf individueller, gesellschaftlicher und globaler Ebene. Es erfordert den politischen Willen, soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten zu bekämpfen, Menschenrechte zu respektieren und globale Herausforderungen wie den Klimawandel anzugehen.

Es ginge also, wenn … Aber eigentlich bräuchte man die künstliche Intelligenz nicht, um diese Fragen zu beantworten. Jeder vernünftige und informierte Mensch könnte das auch ohne ChatGPT.

Unter Gesichtspunkten der Vernunft, Ethik und des langfristig gesehenen Eigeninteresses von Ländern/Gesellschaften ist es absolut notwendig, dass die politischen, wirtschaftlichen, religiösen Führer der wichtigsten Staaten und ihre einsichtigen Bürger ihre Diskrepanzen überwinden und in einem Anti-Apokalypse- und Überlebens-Pakt an der Lösung der großen globalen Probleme gemeinsam und wirksam arbeiten:

  • zur Durchsetzung des Weltfriedens,
  • zur Beseitigung der materiellen und sozialen Notlagen,
  • zum Umbau der Wirtschaft zu ressourcen-, klimaschonendem, nachhaltigem und kooperativem Wirtschaften,
  • zur Einhaltung von humanitären Mindestrechten,
  • zur Überwindung von Unwissenheit, Fanatismus, Spaltung, Hetze …

Es ist traurig und unsinnig, dass dies nur in Ansätzen gelingt.

Agenda 2030: Globale Ziele und ihre Umsetzung

Die 2015 verabschiedete Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit ihren Zielen zur nachhaltigen Entwicklung gilt für alle Länder, aber die Ziele werden nur schleppend verwirklicht, einzelne Länder – so eine Gruppe um Russland – blockieren, andere priorisieren Schlüsselziele nicht, wie die USA, die das für das Ziel "Frieden" nicht tun.

Dabei könnten die durch internationale Friedensabkommen frei werdenden immensen Rüstungsausgaben für Projekte verwendet werden, die menschliches Wohlbefinden in aller Welt fördern und so Ursachen für Konflikte, Instabilität und Migrationsbewegungen beseitigen.

Berechnungen zeigen, dass bei Änderung der Nahrungsmittelproduktion, der landwirtschaftlichen Methoden (jeweils mit Verzicht auf Giftstoffe) und des Essverhaltens 10 Milliarden Menschen innerhalb der Belastungsgrenzen unseres Planeten gesund und ausreichend ernährt werden können.

Individuell können wir durch einen nachhaltigen, suffizienten, weniger aufwendigen Lebensstil dazu beitragen, dass die natürlichen Ressourcen auch für nachfolgende Generationen ausreichen und Menschen in ärmeren Ländern die notwendigen Mittel und faire Lebensbedingungen bekommen.

Wenn wir allerdings nicht dafür sorgen, dass sich Politik und Wirtschaft darum bemühen, ist das zwar nicht sinnlos, genügt aber nicht, um die notwendigen Änderungen herbeizuführen.

Wir stehen vor der Wahl, jeder einzelne, jede Gruppe, jedes Unternehmen, jede Nation: Welche Welt wollen wir haben, für uns und unsere Nachkommen? "Life and business as usual" mit apokalyptisch-dystopischen Folgen? Oder beharrliche Arbeit "for better life in a friendly, fair and sustainable world"?