Arbeiten für nix

Wie die Agentur für Arbeit Betrug unterstützt

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Mit dem bloßen Versprechen, künftig Arbeitsplätze im Bereich der Werbegestaltung schaffen zu wollen, entlockte ein Troisdorfer Kaufmann der Arbeitsagentur Bewilligungen für sogenannte "Trainingsmaßnahmen". Für den Unternehmer eine feine Sache: Seine neuen Arbeitskräfte kosteten ihm keinen Cent.

Bis zu zwei Monaten zahlte die Bundesagentur für Arbeit das Arbeitslosengeld weiter, sozusagen als Lohnersatz, sowie eine Fahrkostenpauschale von 36 bzw. 40 Cent pro Kilometer an die "Arbeitnehmer zur Probe". Auf diese Weise "beschäftigte" die Firma Prodemis in Troisdorf allein in diesem Jahr über dreißig Personen. Für Null Euro. Der Fall wurde erst jetzt bekannt, weil ehemalige Mitarbeiter nun die Medien informierten. Der Grund - drei von ihnen erhielten über die, vom Arbeitsamt subventionierte Probezeit hinaus, tatsächlich einen Anstellungsvertrag - aber kein Geld. Bekannt wurde auch, dass die Firma mindestens bis März 2004 außer beim Arbeitsamt - nirgends eingetragen war, weder im Handelsregister noch beim zuständigen Gewerbeamt in Troisdorf. Dennoch vermittelte das Arbeitsamt bundesweit "Mitarbeiter" für diese "Firma".

In einigen Fällen wurden die Arbeitssuchenden, wie Helene S. aus Bornheim bei Bonn, vom Arbeitsamt zur Annahme der Tätigkeit bei Prodemis verpflichtet. Denn das ihr im Januar dieses Jahres übersandte "Angebot einer Arbeitsstelle" war mit einer Rechtsfolgenbelehrung verbunden, in der es heißt: "Wenn Sie ohne wichtigen Grund die Ihnen angebotene Beschäftigung nicht annehmen oder nicht antreten oder das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch ihr Verhalten verhindern ...trifft eine Sperrzeit ein."

Frau S. hatte also keine Wahl und trat die Stelle an. Nach drei Monaten erhielt sie zum 1. April 2004 auch einen Anstellungsvertrag, den sie jedoch lieber nicht unterschrieb, sondern zunächst einmal von einem Anwalt überprüfen ließ. Die Expertise gab ihr Recht. Zitat:

Als Gegenleistung (Vergütung) für Ihre Arbeitsleistung sieht der Anstellungsvertrag überhaupt keine Zahlung eines Mindestlohnes vor. In § 3 ist bestimmt, dass Sie die ersten acht Wochen des Angestelltenverhältnisses umsonst arbeiten müssten. Auch danach sieht der Vertrag nur ausnahmsweise dann eine Entlohnung vor, wenn Ihr monatlicher Mindestumsatz 27.755,00 Euro "netto" erreicht. Für Sie besteht in diesem Zusammenhang auch noch die Schwierigkeit, beurteilen zu müssen, was "netto" bedeuten soll.

Zusammenfassend kommt der Anwalt zu der Einschätzung: "Dass Ihnen der Abschluss des vorliegenden Anstellungsvertrages nicht zuzumuten ist." Frau S. verzichtete auf ein solches Arbeitsverhältnis.

Rainer S. aus Lennestadt ließ sich nach einer mehrwöchigen, vom Arbeitsamt finanzierten "Trainingsmaßnahme" zum 1. April anstellen und wartet bis heute auf seinen Lohn, da er die Stelle vom Arbeitsamt zugewiesen bekam, stellte er seine Forderung über 2.256 Euro dem Arbeitsamt in Rechnung. Doch die Bundesagentur für Arbeit betrachtet sich als nicht zuständig und als vollkommen unschuldig an der Misere der von ihr "vermittelten" Kunden.

Die Geschäftsstellenleiterin der Agentur für Arbeit in Siegburg, Gudrun Klenke, schrieb an den um seinen Lohn geprellten Rainer S:

Sollten Sie von Seiten des Arbeitgebers keine finanziellen Aufwendungen für Ihre Arbeitsleistung erstattet bekommen haben, so bedauere ich das. Es würde sich in diesem Fall um eine Arbeitsrechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber handeln, an der die Agentur für Arbeit nicht beteiligt ist.

Der Agentur ist angeblich kein Schaden entstanden

Dennoch behauptete der Sprecher der Bonner Agentur, Paul Moser gegenüber Telepolis: Vom Betrieb wurde Bewerbern um einen Arbeitsplatz die Möglichkeit von Trainingsmaßnahmen angeboten. Diese haben dann durch jeweilige Rückfrage mit ihrer Vermittlungsfachkraft bei der Agentur für Arbeit dieses Angebot realisiert. Es ist somit nicht zutreffend, dass Zwang zur Teilnahme an der Maßnahme von der Agentur für Arbeit Bonn/Rhein-Sieg ausgeübt wurde.

Was interessiert es die nach BAT oder Beamtenbesoldungsgesetz entlohnten Inhaber eines krisensicheren Arbeitsplatzes, wer genau was mit dem von ihnen verwalteten so Geld treibt?. Der Fisch stinkt vom Kopf her - und sind es nicht die Chefs in Nürnberg, die seit Jahren vormachen, wie herrlich sich fremder Leute Geld ausgeben lässt: Nürnberger Geschichten.

So sieht die Agentur für Arbeit bisher auch keine Veranlassung, sich vom Verantwortlichen der Firma Prodemis, Konstantin S., die von der Agentur bezahlten Fahrtkosten und Löhne ersetzen zu lassen. Auch die Krankenkassen müssen selbst sehen, wie sie an die, ebenfalls nicht gezahlten Beiträge kommen. So mahnte etwa die Barmer Ersatzkasse bei ihrem Mitglied Rainer S. am 7.7.2004 die aus seiner Angestelltenzeit bei Prodemis noch ausstehenden Beiträge an, " die durch die Fa. Prodemis bis zum heutigen Tage nicht erfolgt ist".

Berechnungen der - nicht nur im Köln-Bonner Raum, sondern auch in Hessen und Süddeutschland angeworbenen - "Mitarbeiter" zufolge, wurden über die Monate allein für Fahrtkosten mehrere tausend Euro durch die Bundesanstalt gezahlt. Der Agentur, so ihr Bonner Sprecher Paul Moser gegenüber Telepolis, sei ja schließlich kein Schaden entstanden. Moser: "Der Betrieb selbst hat keine finanzielle Förderung erhalten."

Nein, Prodemis hat von der Bundesagentur direkt kein Geld - nur kostenlose Arbeitskräfte und einen beachtlichen privaten "Fuhrpark" erhalten. Denn ihr Auto mussten die Dank der Bundesagentur kostenlosen Mitarbeiter selbst besorgen. Natürlich wurden die im Außendienst entstandenen Fahrtkosten ebenfalls nicht ersetzt.

Erstaunlich, denn bereits am 12. November 2003 hielt Raphael Warda, die damalige rechte Hand des Firmeninhabers, in einem Memorandum für seinen Chef S. die Inhalte eines zuvor mit einem "Herrn Lange Arbeitsamt Bonn" geführten Telefonats fest. In diesem Text erscheint dieser Herr Lange als sehr einfühlsamer Mensch- jedenfalls gegenüber der Firma Prodemis. In der Notiz heißt es:

Herr Lange teilte mir soeben mit, dass es von mehreren, von ihm nicht zu benennenden Personen mündliche Beschwerden bezüglich Prodemis S. gab, die beinhalten, dass es sich bei Prodemis S. um eine unseriöse Scheinfirma handle, die ihr unternehmerisches Risiko vom Arbeitsamt in Form von so genannten Trainingsmaßnahmen finanzieren lassen würde. Diese Beschwerden sind von Herrn Lange jedoch weder weiterverfolgt noch seinem Vorgesetzten mitgeteilt worden...

Nach der Rolle dieses Herrn Lange befragt, hüllt sich die Arbeitsagentur bisher in Schweigen. Das ist nicht wirklich erstaunlich - scheint es doch auch einige privatdienstliche Verbindungen zwischen Angehörigen der Arbeitsagentur und der Firma Prodemis gegeben zu haben. So heißt es in einem Beschwerdebrief an die Arbeitsagentur vom 15.8.2004:

Welche Mitarbeiter alle in den Fall verwickelt sind, kann ich Ihnen nicht sagen, aber nur soviel - ich kenne zusätzlich Mitarbeiter des Arbeitsamtes Köln, die in einem privaten persönlichen Verhältnis zu S. stehen und ihm auch ohne Wissen Ihrer Dienststelle in vielen Fällen "geholfen" (haben). Die Hilfe war bestimmt nicht immer legal.

Damit kann sich nun die Staatsanwaltschaft Bonn beschäftigen. Unter dem Aktenzeichen 554 Js 243/04 wird möglicherweise nicht nur verwaltet, sondern sogar ermittelt.