Atomare Gerüchteküche
Die Aufrüstung mit Nuklearwaffen ist auch nach dem Sturz des Hussein-Regimes ein heißes Thema im Nahen Osten, bei dem gezielt Gerüchte lanciert werden
Mit ihrer Reise nach Teheran haben der britische, der deutsche und der französische Außenminister gezeigt, dass sich Abrüstung auch ohne Drohung mit Militärgewalt erreichen lässt. Zumindest hat Iran versprochen, nun den Zusatz zum Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen, uneingeschränkt Inspektionen zuzulassen und die Anreicherung von Uran einzustellen. Möglicherweise aber verschiebt sich jetzt das Problem der nuklearen Aufrüstung auf ein neues Land: Saudi-Arabien.
Saudi-Arabien, der langjährige Partner der USA in der Golfregion, der nicht nur für das Erdöl sorgte, sondern durch den Ölreichtum auch ein wichtiger Handelspartner und der weltweit größte Waffeneinkäufer ist, versucht mittlerweile gegen muslimische Terroristen im eigenen Land vorzugehen. Auch winzige Schritte auf dem Weg zu einer Demokratie wurden angekündigt. Das wieder von US-Truppen, wie von Bin Ladin gefordert, befreite Saudi-Arabien ist aber in der Gunst der US-Regierung wegen der möglichen Verstrickung mit al-Qaida stark abgefallen. Auch wenn der Druck auf das fundamentalistische Königreich von Seiten der US-Regierung sehr zurückhaltend ist, sucht man in Saudi-Arabien möglicherweise doch Schutz durch Abschreckung, falls der Nahe Osten weiter von der Bush-Regierung umgebaut werden sollte.
Letzten Monat berichtete bereits der Guardian, dass in einem Strategiepapier der saudischen Regierung die Notwendigkeit erwogen wird, Atomwaffen zu erwerben (Saudi-Arabien denkt über Aufrüstung mit Atomwaffen nach). Schon länger streben die arabischen Länder an, die gesamte Region als atomwaffenfreie Zone zu erklären, doch dem widersetzen sich die heimliche Atommacht Israel und die USA. Angeblich sei in dem Papier diskutiert worden, ob man zur Abschreckung nicht in eine Allianz mit einem Staat eintreten könne, der Atomwaffen besitzt und Schutz anbietet. Dafür böte sich derzeit wohl als einziges Land Pakistan an, das nicht nur auch islamisch ist, sondern auch das Geld benötigt, da es sich in einem teuren Wettrüsten mit Indien befindet (Wettrüsten zwischen den Atommächten Indien und Pakistan).
Die saudische Regierung hatte schnell zurückgewiesen, sich mit Atomwaffen aufrüsten zu wollen. Auch wenn solche Absichten nicht von der Hand zu weisen sind, scheint man derzeit in der angespannten Region gerne gezielt Informationen zu verbreiten, um politische Zwecke zu verfolgen. So wurde angeblich von amerikanischen Regierungsmitglieder die Information verbreitet, dass Israel bereits seine aus Deutschland stammenden U-Boote mit Atomraketen ausgestattet habe (Israel hat aus Deutschland stammende U-Boote mit Atombomben ausgestattet). Diese Behauptung hat Israel zurück gewiesen.
Ob nun die Mitteilung, die von einem vertrauenswürdigen Pakistaner stammen soll, stimmt, dass Pakistan und Saudi-Arabien ein geheimes Abkommen über eine "Nuklearkooperation" geschlossen hätten, wird gleichfalls ungewiss bleiben, aber als Gerücht wirken. Angeblich soll Kronprinz Abdullah bin Abdulasis bei seinem Besuch Pakistans in der letzen Woche, ein solches Abkommen getroffen haben. Pakistan und Saudi-Arabien würden von der weiteren Verbreitung von Atomwaffen ausgehen. Saudi-Arabien könnte sich auch durch den Iran bedroht fühlen.
Der pakistanische Informant soll weiterhin gesagt haben, dass beide Länder ein solches Abkommen strikt leugnen würden. Und genau dies ist natürlich geschehen. Auch ein Mitarbeiter des US-Außenministeriums wies das Gerücht als unwahrscheinlich zurück. Man sei gewiss, dass Pakistan angesichts der Haltung der US-Regierung weder an Nordkorea noch an Saudi-Arabien Atomwaffen liefern werde.
Unterstützt wird das Gerücht, das von einem Mitarbeiter der konservativen Washington Times stammt, der auch für die Nachrichtenagentur UPI tätig ist, von Generalmajor Aharon Zeevi Farkash, dem Chef der militärischen Abwehr Israels. Er berichtete am Dienstag während einer Anhörung vor einem Knesset-Ausschuss über die wachsende Bedrohung der Region durch Atomwaffen. Farkash verwies vor allem auf den Iran, sagte aber auch, dass Saudi-Arabien Nuklearsprengköpfe aus Pakistan für seine Raketen haben wolle. Yuval Steinitz, Vorsitzender Ausschusses, sagte, es gäbe die Annahme, dass Saudi-Arabien das pakistanische Atomkraftwerk finanziert habe und dass ein stillschweigendes Abkommen gebe, "dass Saudi-Arabien von Pakistan Nuklearsprengköpfe erhält, wenn der Iran sich nuklear aufrüstet". Steinitz meinte allerdings, er wissen nicht, ob es tatsächlich solche Absichten gebe. Fall es zutreffen sollte, würde dies von den USA verhindert werden.