Atomares Wettrüsten ist keine Lösung

Seite 2: Versprochene Abrüstung, vollzogene Aufrüstung

Die Bundesregierung hat, so wie alle deutschen Regierungen der letzten Jahrzehnte, erklärt, dass Deutschland eine führende Rolle in der atomaren Abrüstung übernehmen will. Durch eigene atomare Aufrüstung würde Deutschland Glaubwürdigkeit und Verhandlungsmöglichkeiten verspielen.

Aus russischer Sicht sind die Atomwaffen in Büchel eine Bedrohung. Putin hatte bereits 2015 angekündigt, auf eine Stationierung der B61-12 in Deutschland mit Gegenmaßnahmen zu reagieren. Das Referendum vom 28.02., mit dem Weißrussland seinen Status als atomwaffenfreie Zone aufgegeben hat, zeigt, dass die Pläne zur Stationierung von russischen Atomwaffen in Weißrussland keine reinen Gedankenspiele sind.

Auch aus Polen sind in den letzten Jahren immer wieder Forderungen nach Nato-Atomwaffen laut geworden. Wenn Deutschland in dieser Krise atomar aufrüstet, lässt sich den östlichen Nachbarländern nicht vermitteln, warum sie auf Atomwaffen verzichten sollten.

Solange wir uns für unsere eigene Sicherheit auf Atomwaffen verlassen, werden andere danach streben und die Gefahr ihres Einsatzes wächst. Diese Erkenntnis hat Helmut Schmidt, den Vater des Nato Doppelbeschlusses, 2009 dazu veranlasst, gemeinsam mit Egon Bahr, Hans-Dietrich Genscher und Richard von Weizsäcker zu einer radikalen Abkehr vom Prinzip der atomaren Abschreckung und zum Abzug der Atomwaffen aus Deutschland aufzufordern.

Die Bündnissolidarität in der Nato darf nicht dazu führen, dass ein selbstmörderisches atomares Wettrüsten beginnt. Bereits 2020 haben 56 ehemalige Staats- und Regierungschefs, Außen- und Verteidigungsminister aus Nato Ländern mit einem offenen Brief ihre Länder zu atomaren Abrüstung und zum Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen aufgerufen. Aus Deutschland haben der ehemalige SPD-Verteidigungsminister Rudolf Scharping und der ehemalige Grüne Außenminister Joschka Fischer unterzeichnet.

Putins Drohungen und der Kommentar von Donald Trump, er hätte schon längst Atomwaffen gegen Russland eingesetzt, wäre er noch Präsident, zeigen, wie real die Gefahr für das globale Überleben ist. Es gibt keine sicheren Hände für Atomwaffen.

Der tiefe Schock über den brutalen Krieg Russlands gegen die Ukraine darf nicht dazu führen, dass der Unterschied zwischen konventioneller und atomarer Aufrüstung in Vergessenheit gerät. Ein atomares Wettrüsten kann nicht gewonnen werden, sondern erhöht die Gefahr eines Atomkrieges.

Die Bundesregierung muss deshalb klarstellen, dass der Kauf der F-35 keine Vorentscheidung über die Zukunft der nuklearen Teilhabe und die Stationierung der B61-12 Atomwaffen bedeutet.

Die Debatte über die Zukunft der nuklearen Teilhabe muss jetzt geführt werden.

Anstatt an der völkerrechtswidrigen nuklearen Teilhabe festzuhalten, muss Deutschland dem Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen beitreten, der demokratisch von der großen Mehrheit der Staatengemeinschaft beschlossen wurde.

Dr. Inga Blum ist aktives Mitglied der Organisation Internationale Ärzt:innen für die Verhütung des Atomkriegs, die 1985 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Zudem ist sie Mitglied im Internationalen Vorstand der IPPNW. Darüber hinaus engagiert sie sich in der Kampagne ICAN, die 2017 ebenfalls den Fridensnobelpreis erhielt.