Auch im Urlaub an der digitalen Leine

Ohne mobile Internetnutzung ist Urlaub kaum mehr denkbar, aber sie macht die Welt endgültig zum Dorf

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Früher war man meist weg, wenn man in Urlaub reiste. In den Zeiten ohne Handy und Internet war man in aller Regel nicht erreichbar und damit losgelöst nicht nur von der Arbeitswelt, sondern auch vom alltäglichen sozialen Umfeld. Dieser Schnitt, diese Leere, dies Schwarze Loch ist heute immer weniger vorhanden, man muss es konsequent und aktiv schaffen, indem man sich selbst abhängt und unerreichbar macht - oder man fährt in die wenigen Orte, die dies noch ermöglichen.

Immer verbunden zu sein, ist natürlich auch eine Folge der der Geräte, die wie das Smartphone, der Tablet-Computer oder das Netbook schön klein und leicht wurden, überall hineinpassen, kaum mehr etwas wiegen und natürlich auch im Urlaub und Ausland gute Informations-, Unterhaltungs- und Kommunikationsdienste bieten, auf die man kaum verzichten möchte.

Alles unter der digitalen Glocke. Bild: F.R.

Eine in den Annals of Tourism Research erschienene Studie von Kelly MacKay von der Ryerson University und Christine Vogt von der Michigan State University macht noch einmal deutlich, was zwar seit Jahren bekannt ist, aber eben weiter zunimmt. Die mobilen Geräte lösen nicht nur die Grenzen von Arbeit und Freizeit auf, sondern sie durchlöchern auch immer stärker den Urlaub (Arbeiten im Urlaub), zumindest das herkömmliche (Angestellten)Verständnis von Urlaub, bei dem man sich möglichst vollständig von der Arbeitswelt abkoppelt und untertaucht. Aber selbst wenn dies noch möglich ist, so scheinen die Menschen, ausgestattet mit den technischen Möglichkeiten permanenter Verbindung, nicht mehr loslassen zu können und an der Leine zu hängen.

Jetzt schickt man kaum mehr Postkarten oder telefoniert gar von einem Münztelefon, sondern man verfolgt auch im Urlaub mit, was die Freunde und Bekannten so machen, mailt, chattet, simst, telefoniert im Hotelzimmer, auf der Fahrt oder vom Strand und postet Bilder und Nachrichten auf allen Kanälen. Die Welt ist so in einem anderen Sinn, als dies McLuhan meinte, zum Dorf geworden, bzw. das Dorf, aus deren Überwachungs- und Kontrollgemeinschaft die Menschen früher in die Anonymität der Städte geflohen sind, verfolgt die Menschen weltweit und lässt sie aus der "Heimat" nicht mehr entkommen, zumal sich die Orte weltweit auch immer weiter angleichen, das Fremde allmählich verschwindet und zur Folklore oder Fassade wird.

Dass sich das alltägliche Leben in der digitalen Glocke auch in den Urlaub erstreckt, wenn die Touristen die Geräte mitführen und die Infrastruktur vorhanden ist, verwundert eigentlich nicht weiter. Im Urlaub wird das Internet sogar manchmal mehr genutzt als Zuhause oder in Arbeit. Die Studie hat Umfragen aus den Jahren 2005-2007 ausgewertet, also zu Beginn der technischen Mobilisierung. Schön während dieser Zeit nahm die mobile Internetnutzung deutlich zu, vor allem bei den gut Ausgebildeten und den Jüngeren. Die festgestellten Trends und Erwartungen dürften sich seitdem massiv weiter verstärkt haben. Befragt wurden mehr als 700 Menschen, die eine Reise geplant hatten. Für eine Prämie von 100 US-Dollar füllten sie Fragebögen vor der Reise aus, für 25 US-Dollar gaben sie vor, während und nach der Reise an, wie sie IT nutzen. Das hatten allerdings nur 201 Personen gemacht (die Hälfte Frauen, Durchschnittsalter 59 Jahre, 71 Prozent mit einem Jahreseinkommen über 60.000 US-Dollar, 30 Prozent bereits in Rente). Nur 24 hatten damals ein Notebook und 20 Prozent ein internetfähiges Handy. Gleichwohl wurde das Internet nicht nur zur Planung der Reise genutzt, sondern auch von der Mehrheit während der Reise. Die Internetnutzung für die Reiseplanung war sogar höher als die während der Arbeit. Fast alle, die die Reisefragebögen ausfüllten, nutzten das Internet über Notebooks oder Handys. Sie hatten digitale Kameras und MP3-Player bei sich und nutzten Navigationssysteme

Der Trend geht nach der Studie dahin, dass die Internetnutzung sich nicht nur aus der häuslichen Umgebung auf den Urlaub ausgeweitet hat, sondern auch, dass die verstärkte mobile Internetnutzung während des Urlaubs auch die alltäglichen Gewohnheiten verändert. Für die Tourismusbranche dürfte klar sein, dass die Kundenzufriedenheit mit der Möglichkeit steigt, immer und überall online gehen und alle Reiseschritte von der Information bis zur Buchung über das Internet vornehmen zu können.

Vorerst werden nur wenige im Urlaub freiwillig in eine digitale Klausur gehen wollen, allerdings könnte es gut sein, dass das Bedürfnis wächst, sich zumindest zeitweise einmal vollständig auszuklinken. Möglicherweise werden Offline-Reisen zum nächsten Abenteuerurlaub, zumindest wäre man damit wieder in der Fremde und müsste sich von den Bedingungen vor Ort überraschen lassen, mit denen man ohne permanente Vorab- und Echtzeitinformation aus der digitalen Wolke konfrontiert wäre.