Bankenkrise nächster Akt: Kein Grund zur Panik?

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Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) wirft ein scharfes Schlaglicht auf fehlende Regulierung und falsche Geldpolitik. Mit den Turbulenzen um die Credit Suisse ist die Krise nun auch in Europa angekommen.

Es musste eigentlich allen klar gewesen sein, dass es im Bankensektor wieder knallen würde. Die Frage war nur, zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort es zuerst zu großen neuen Bankenpleiten kommen würde.

Dass es mit der Silicon Valley Bank (SVB) nach der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 nun zur zweitgrößten Bankenpleite in der Geschichte der USA kam, deutet schon die Dimension des Problems an.

Damals wurden Schockwellen über den gesamten Planeten geschickt. Man sollte also Beruhigungsformeln, wie sie jetzt, auch von Bundeskanzler Olaf Scholz, gepredigt werden, nur mit größter Vorsicht genießen. Denn die Hausaufgaben wurden seit der Finanzkrise vor 15 Jahren nicht oder nur sehr unzureichend gemacht.

Einbruch bei der Schweizer Bank Credit Suisse (CS)

Dass es nach einer scheinbaren Beruhigung an den Börsen am gestrigen Mittwoch an den Kapitalmärkten wieder zu heftigeren Turbulenzen kam, zeigt die anhaltende Nervosität. Denn die Sorge vor einer tiefer gehenden Bankenkrise dominiert die Finanzmärkte. Besonders stark gingen die Aktien aus dem Finanzsektor wieder in den Keller.

Außerordentlich heftig war der Einbruch bei der Schweizer Bank Credit Suisse (CS). Der Aktienkurs der angeschlagenen Großbank brach zeitweise um 30 Prozent ein. Die Papiere waren zwischenzeitlich nur noch 1,55 Franken (1,59 Euro) wert. 2007 lag der Wert noch bei 96 Franken.

Etwas Beruhigung – der Handel mit CS-Aktien musste zwischenzeitlich immer wieder ausgesetzt werden – gab es nach der Eröffnung der US-Börsen. Allerdings schlossen die CS-Papiere um gut 24 Prozent im Minus bei 1,70 Franken. Das Vertrauen in die Bank ist zusehends geschwunden.

Credit Suisse hat im vergangenen Jahr einen Verlust von 7,3 Milliarden Franken eingefahren. Seit Monaten ziehen, wie bei der SVB in den USA, die Kunden ihr Geld ab. Allein im vierten Quartal 2022 flossen gut 110 Milliarden Franken ab, im gesamten Vorjahr waren es rund 123 Milliarden.

Der saudische Großaktionär

Der Kursrutsch hatte aber vor allem damit zu tun, dass der saudische Großaktionär Saudi National Bank (SNB) weitere Finanzhilfen für die Bank "absolut" ausgeschlossen hat. Das erklärte SNB-Aufsichtsratschef Ammar Abdul Wahed Al Khudairy in einem Interview gegenüber Bloomberg TV. Die Bank ist seit vergangenem Herbst der größte Aktionär der Credit Suisse.

"Das Konkursrisiko wird so hoch gehandelt wie noch nie", hat die Schweizer Handelszeitung getitelt. Sie verwies darauf, dass die Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps) auf Rekordhöhe geschossen sind.

Aktuell müssen Gläubiger der CS 4.80 Franken bezahlen, um 10.000 Franken abzusichern, die sie der Bank geliehen haben.

Handelszeitung

Die Börsen gingen in Europa und weltweit erneut in den Keller. Ganz vorne bei den Verlusten waren Bankaktien. Der deutsche Leitindex Dax ging am Mittwoch mit einem Verlust von 3,3 Prozent aus dem Handel, er wurde wieder deutlich unter die Marke von 15.000 Zählern gedrückt.

Ein neuer Akt der alten Krise

Real haben wir es aber mit keiner neuen Bankenkrise zu tun, sondern nur mit einem neuen Akt der alten Krise, die seit 2008 zum Normalzustand mutiert ist. Denn die wurde nie überwunden, sondern über die Geldpolitik der Notenbanken nur verdeckt.

Wir hatten an dieser Stelle wiederholt darauf hingewiesen: Die Notmaßnahmen, mit denen die Notenbanken einst auf die Finanzkrise reagierten, waren nie zurückgenommen worden. Nur kurzzeitig wurde zwischenzeitlich das Gelddrucken vermindert.

Beim kleinsten Anzeichen einer abflauenden Konjunktur beschleunigte die EZB die Notenpressen wieder. In der Corona-Krise liefen sie dann auf Hochtouren.

Die Geldschwemme wurde aus großer Not heraus dann erst im letzten Jahr - viel zu spät - zurückgenommen. Da hatte sich die fatale Wirkung in Form einer ausufernden Inflation längst ausgebreitet. Deutlich war die Inflation schon vor dem Ukraine-Krieg angestiegen, der gerne als Ausrede benutzt wird.

Dabei war die Inflation in Deutschland schon im November 2021 auf sechs Prozent gestiegen, als der Überfall nicht einmal absehbar war. Der Krieg hat die Inflation nur noch weiter in die Höhe getrieben.

Es müsste eigentlich allen klar gewesen sein, dass diese Geldschwemme irgendwann zu einer starken Inflation führen musste. Man kann nicht dauerhaft den Leitzins auf null senken, Negativzinsen für Einlagen bei den Zentralbanken einführen und über die Notenpressen die Bilanzsummen der Notenbanken um Billionen erhöht.

Was als Notmaßnahme einen Effekt haben kann, wird zum Problem, wenn es zum Normalzustand wird. Die EZB blähte ihre Bilanzsumme sogar auf fast neun Billionen Euro auf. Es wurde viel Geld gedruckt, um Anleihen von Staaten aufzukaufen, damit der Schuldendienst für deren ausufernde Schulden bezahlbar bleibt.

Eigentlich wollte man Zeit für Reformen erkaufen. Letztlich stieg die Europäischen Zentralbank (EZB) damit in die illegale Staatsfinanzierung ein. Die Frage war nur, welcher Katalysator die Inflation offensichtlich machen würde. An den Geldmärkten und bei Immobilienpreisen war sie seit Langem sehr deutlich, Blasenbildungen längst augenfällig.

Dieser Rückblick ist wichtig, um die Vorkommnisse um die SVB und andere Bankenprobleme, die sich für die nächste Zeit abzeichnen, verstehen zu können.

Dass der Bundeskanzler herumposaunt, es gebe wegen der SVB-Pleite keinen Grund zur Sorge, bedeutet real genau das Gegenteil. Wenn solche Beschwörungsformeln kommen, wie vor 15 Jahren von Bundeskanzlerin Merkel, sollte man damit beginnen, sich ernsthaft Sorgen zu machen.

Scholz: "Wir haben gelernt"

Scholz behauptet nun, dass es seit dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers erhebliche Fortschritte gegeben habe. "Wir haben gelernt. "Lessons learned", das kann man an dieser Stelle sagen", meinte Scholz und fügte an.

Es sind erhebliche Reformen der öffentlichen Aufsichtsinstitutionen, aber auch für das Management von Banken durchgesetzt worden.

Man könne an der "sehr klaren und scharfen Reaktion" der US-amerikanischen, der britischen, der europäischen und auch der deutschen Behörden sehen, dass diese Lage sehr genau beobachtet sowie schnell und zügig gehandelt werde.

"Das ist das Beste, was man zur Sicherheit von Anlagen unternehmen kann. Insofern ist das wirklich kein Grund, dass sich irgendjemand hier in Deutschland große Sorgen machen muss", sagte Scholz.

Die Vorgänge um die Schweizer Großbank zeigen nun, wie in der Finanzkrise 2008, dass die Halbwertszeit von solchen Aussagen schon wieder sehr kurz ist.

Das Problem ist, dass es mit der Regulierung der Finanzmärkte alles andere als weit her ist. Darauf hatte unter anderem der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman immer wieder hingewiesen. "Wir haben die Lektion nicht gelernt", erklärte er vor drei Jahren.

"Wir stehen heute schlechter da, um mit einer Krise umzugehen, als 2007", schrieb er mit Blick auf die vielen Zombie-Banken und Zombie-Unternehmen, die künstlich über die Geldpolitik am Leben gehalten wurden. Wichtige Reformen im Finanzsystem seien bestenfalls zaghaft angegangen worden, das System sei weiterhin kaum reguliert.

"Im Allgemeinen haben wir sehr wenig getan, um die Probleme zu lösen, die die große Rezession verursacht haben", erklärt er. Jetzt sei man "ohne Stoßdämpfer" unterwegs: "Wenn sich morgen ein Kollaps ereignet, sind die Werkzeuge zur Reaktivierung der Wirtschaft viel schwächer." Er hatte schon damals die steigende Verschuldung von Unternehmen und Verbrauchern im Blick. Man sollte seine Worte ernst nehmen. "Sicher" sei nur, "dass wir nun schlechter vorbereitet sind".

In den USA ist die ohnehin unzureichende Regulierung, die Barack Obama etwas verstärkt hatte, von Ex-Präsidenten Trump sogar zum Teil wieder dereguliert worden. Zuvor wurde Banken mit Vermögenswerten im Umfang von 50 Milliarden Dollar etwas strenger auf die Finger geschaut.

SVB: Seit 2018 nicht mehr "systemrelevant"

Unter der Trump-Regierung wurde die Grenze aber von 50 auf 250 Milliarden Dollar heraufgesetzt, weshalb die SVB seit 2018 nicht mehr zu den "systemrelevanten" Instituten zählte. Nach Ansicht vieler stellte der Schwellenwert von 50 Milliarden eine "unnötige Belastung" dar. Natürlich hatte auch der SVB-Vorstandsvorsitzende Greg Becker im Kongress für die Anhebung des Schwellenwerts argumentiert.

Die Bank müsse viel Zeit und Geld aufwenden, um die Vorschriften einzuhalten, anstatt Kredite für die Schaffung von Arbeitsplätzen zu vergeben. Er meinte, "mittelgroße" Banken wie SVB stellten "keine systemischen Risiken" dar.

Ein Problem vieler Banken ist, dass sie sich wie die SVB auch mit Staats- und Hypothekenanleihen vollgesaugt haben. Das Geld der Einleger musste aber gewinnbringend angelegt werden, dass im Fall der SVB von Start-Ups bei der Bank geparkt worden war.

Aber es ist bekannt, dass eine schnelle Anhebung von Leitzinsen irgendwo im Finanzsystem zu einem "Trauma" führen würden, worauf auch der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz hinweist.

Er verweist auch darauf, dass der Chef der US-Notenbank (Fed) erst kürzlich vor dem Kongress versichert hatte, dass die finanzielle Lage der US-Banken solide sei. Süffisant fügt der Nobelpreisträger auch an, dass es der Fed-Chef Jerome Powell war, der unter Trump an der Schwächung der Bankenregulierung mitgestrickt hatte. Zwar meint Powell nun UXH, dass man sich keine Sorgen machen müsse, doch Stiglitz verweist auf "zahlreiche historische Erfahrungen" die darauf hindeuten, "dass wir uns Sorgen machen sollten".

Das Problem ist nicht auf die SVB beschränkt, dass bei steigenden Zinssätzen ältere Anleihen an Wert verlieren. Ihre Kurse sinken an den Geldmärkten. Das ist dann ein geringeres Problem, wenn man die Anleihe bis zum Ende der Laufzeit halten kann und der Staat die Anleihe plus Rendite ausbezahlt.

Wer aber verkaufen muss, da wie bei der SVB – oder auch bei der Credit Suisse – die Anleger viel Geld aus Bank abziehen, macht hohe Verluste. Der aktuelle Marktwert von alten Anleihen liegt nämlich nun deutlich unter ihrem Nennwert, also unter dem Wert, den der Staat nach Ablauf zurückzahlt.

Ein wenig beachtetes Problem ist, dass angesichts einer hohen Inflation auch länger laufende Anleihen über die Geldentwertung deutlich an Wert verlieren. Die wurden nicht selten wegen der Geldschwemme sogar zu sehr geringen Zinssätzen oder sogar mit negativen Renditen von den Staaten losgeschlagen. Sie verlieren derzeit mit der hohen Inflation zusätzlich deutlich an Wert.

Auch das wird zum Problem für Banken, bleibt die Inflation weiter hoch. Die Notenbanken befinden sich nun in einer Zwickmühle, in die sich eigenhändig manövriert haben. Das Grundproblem liegt daran, dass viel zu lange mit einer Zinsnormalisierung gewartet wurde. Erst als die Inflation aus dem Ruder lief, wurde schnell gehandelt wurde, vielleicht zu schnell. Das führt nun wiederum zu großen Problemen.

Die FED ist nun in der sehr schwierigen Lage, zu entscheiden, ob der gerade von Jerome Powell angekündigte Kurs zur verstärkten Inflationsbekämpfung beibehalten und ein deutlicher Zinsschritt nächste Woche verkünden wird, wie der Fed-Chef Powell gerade in Aussicht gestellt hatte.

Geht die FED den Zinsschritt nicht, macht sie deutlich, dass die Lage im Bankensystem ernster ist, als sie zugibt. Vermutlich wird sie den Mittelweg gehen, den Leitzins weiter erhöhen, aber statt um 50 Basispunkte nur um 25 Punkte wie zuletzt im Februar.

Krise der Signature Bank: Auf Krypto gesetzt

Die Probleme im Finanzsektor in den USA sind aber längst nicht auf die SVB beschränkt. Denn nach der SVB wurde auch noch die Signature Bank aus New York geschlossen, was schon zu "Bank-Runs" bei Regionalbanken führte, wie man sie ebenfalls aus der Finanzkrise kennt.

Die Signature-Pleite war nach Lehman und SVB die drittgrößte in der US-Geschichte.

Die Signature hatte auf Krypto-Banking gesetzt. Es ist bekannt, dass auch bei den Krypto-Währungen die Blase längst am Platzen ist. Das wurde spätestens durch den Zusammenbruch der Krypto-Börse FTX unmissverständlich klar, die sich seit November des vergangenen Jahres in einem Insolvenzverfahren befindet.

Im Januar musste dann der Krypto-Broker Genesis Gläubigerschutz anmelden. Weitgehend unbeachtet blieb, dass schon vor dem Zusammenbruch der SVB und der Signature vor einer Woche die kleine Kryptobank Silvergate wegen der FTX-Insolvenz ihr Geschäft aufgegeben und eine freiwillige Liquidation eingeleitet hatte.

Auch hier sehen wir die negativen Spillover-Effekte, die schließlich gerne zu Dominoeffekten führen. Die spielen auch bei Bankenkrisen stets eine bedeutsame Rolle.

Für den Wirtschaftsnobelpreisträger Stiglitz steht die relativ große SVB "für mehr als nur den Zusammenbruch einer einzelnen Bank". Der neue Kollaps stehe "stellvertretend für ein tiefgreifendes Versagen in der Regulierungs- und Geldpolitik". Und wie bei der Finanzkrise von 2008 war auch dieser Vorgang "vorhersehbar und wurde vorhergesagt".

Er hofft darauf, dass nun diejenigen, die zu diesem Schlamassel beigetragen haben, eine konstruktive Rolle bei der Schadensbegrenzung spielen können. Er erhebt den frommen Wunsch, dass nun Banker, Investoren, Politiker und die Öffentlichkeit "diesmal endlich die richtigen Lehren ziehen". Er fordert eine "strengere Regulierung, um sicherzustellen, dass alle Banken sicher sind".

Dazu sollten alle Bankeinlagen versichert sein und die Kosten sollten von denjenigen getragen werden, die am meisten davon profitieren: wohlhabende Einzelpersonen und Unternehmen sowie diejenigen, die sich am meisten auf das Bankensystem verlassen, basierend auf Einlagen, Transaktionen und anderen relevanten Messgrößen.