Befürchteter Zwangsauszug ärmerer Familien aus London

Stadtteilverwaltungen warnen vor Konsequenzen der Sparpolitik

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Im Herbst hatte der britische Finanzminister George Osborne auf einem Parteitag der Konservativen eine Kürzung der Sozialleistungen als "hart, aber fair" angekündigt (Britische Regierung will harte, aber faire Sparmaßnahmen einleiten). Die Regierung beabsichtigt, das strukturelle Staatsdefizit von 109 Milliarden Euro wesentlich auch durch Kürzungen von Sozialleistungen abzubauen. Steuererhöhungen kämen dafür nicht hauptsächlich infrage, der Großteil der Einsparungen müsse bei den Regierungsausgaben ansetzen, so Osborne.

Man bemühte sich dem großen Projekt einen Anstrich sozialer Gerechtigkeit zu geben. Alle sollten den "Gürtel enger schnallen", man kennt dies auch von Parolen hierzulande. So wurden neue Pläne für das Kindergeld laut, wonach es Familien, in denen "mindestens ein Elternteil über 44.000 Pfund verdient", keins mehr bekommen sollte. Was manche Familien, die zur Wählerschaft der Tories gehören, etwas verschreckt haben dürfte.

Die Ankündigung, staatliche Sozialleistungen auf 500 Pfund pro Woche beschränken zu wollen, löste eine größere Unruhe aus, hauptsächlich unter Wählerschichten und Wohlfahrtsorganisationen, die den Tories weniger nahestehen. Das Argument, mit dem man der Kritik an den Kürzungen der Sozialleistungen an grundsätzlichen Fronten begegnet, ist auch in Deutschland im Umlauf. Die Kürzungen werden als höhere Fairness dargestellt und mit der Drohung gespeist, dass es "alternativlos" nur so gehe, um überhaupt die Sozialleistungen sicherstellen zu können.

Es ist nicht richtig, wenn Empfänger von Sozialleistungen mehr Geld bekommen als Personen, die arbeiten. Deswegen wollen wir eine Deckelung der Leistungen einführen - um wieder Fairness in unser Wohlfahrtssystem hineinzubringen und dabei denen die Unterstützung zu garantieren, die sie brauchen.

Den Klassiker neu aufgelegt hat ein Sprecher des Department of Work and Pensions gegenüber dem Guardian-Redakteur Randeep Ramesh, der in seinem Bericht konkrete Konsequenzen dieser Politik deutlich macht. So sieht sich der Rat eines Londoner Stadtbezirks, der Camden Council, durch die angekündigten Kürzungen der Sozialleistungen damit konfrontiert, demnächst weit über 700 Haushalte davon in Kenntnis zu setzen, dass sie sich auf einen Umzug vorbereiten müssen.

Sobald die Kürzungen beschlossen sind, können sie sich ihre gegenwärtigen Wohnungen nicht mehr leisten. Denn ihnen würden c.a. 90 Pfund die Woche fehlen, um die Miete bezahlen zu können. Nach ersten Versuchen, den Mietmarkt zu sondieren, der für die Familien, meist mit drei Kindern, insgesamt über 2.800 Erwachsene und Kinder allein im Stadtbezirk des Camden Council, infrage kommt, zeige sich, dass dies im Raum London schwierig ist. Man sei mittlerweile bei der Suche nach Wohnungen in Bradford, Birmingham oder Leicester, alle weit von London entfernt.

Dem Zeitungsbericht zufolge ist Camden, wo die Mieten überdurchschnittlich teuer sind, nicht der einzige betroffene Stadtbezirk. Von ganz ähnlichen Problemen würden auch andere Stadtbezirke - und verwaltungen, auch solche mit konservativer Mehrheit im rat, berichten, genannt wird Westminster und Haringey. Auch dort habe man damit angefangen, neue Wohnungen sehr weit draußen oder entfernt zu suchen.