Beginnt jetzt Italien zu taumeln?
Schon vor der Abstufung durch Moody's wollte Monti nicht ausschließen, dass auch Italien bald Rettungsmilliarden beantragen könnte
Ein leichtes Aufatmen ging am Freitag durch Italien, weil die Zinsen bei einer Anleiheauktion am Freitag sogar niedriger als zuvor ausfielen, obwohl die Ratingagentur Moody's die Kreditwürdigkeit des Landes erneut um zwei Stufen herabgestuft hat. Doch die Zinsen sind weiterhin zu hoch für das hoch verschuldete Land, weshalb Ministerpräsident Mario Monti insinuiert, auch Italien könnte an Rettungsmilliarden interessiert sein.
Der Abstufungsreigen in Europa geht weiter. In der Nacht auf Freitag hat Moody's nun auch die Kreditwürdigkeit des drittgrößten Eurolands in die Nähe der Ramsch-Schwelle gesenkt. Gleich um zwei Stufen setzt die Agentur die Bonitätsnote von Italien von A3" auf "Baa2" herunter. Eine Stufe darunter liegt die Ramschgrenze "Baa3", auf die Spanien vor einem Monat gelandet ist, womit der Gang unter den Rettungsschirm vorgezeichnet wurde. Davon ist Italien nicht mehr weit entfernt, weil auch Moody's die Zukunft des Landes negativ bewertet. Es darf damit gerechnet werden, dass die Agentur also bald nachsetzt.
Begründet wurde der Schritt damit, dass steigende Kosten für die Refinanzierung der Staatsschulden zu erwarten seien und das Land angesichts eines Vertrauensverlusts seinen Zugang zum Finanzmarkt verlieren könne. Dazu wurde auch eine "Ansteckungsgefahr" durch Griechenland und Spanien ausgemacht:
Italy is more likely to experience a further sharp increase in its funding costs or the loss of market access than at the time of our rating action five months ago due to increasingly fragile market confidence, contagion risk emanating from Greece and Spain and signs of an eroding non-domestic investor base.
Beeindrucken ließ sich Moody's aber nicht davon, dass ausgerechnet am Donnerstag Italien seine Staatsanleihen sogar deutlich günstiger versteigern konnte als noch vor einem Monat. Sogar 7,5 Milliarden Euro konnte Rom einnehmen und musste für Anleihen mit einer Laufzeit von 12 Monaten nur noch eine Rendite von knapp 2,7% bieten. Das war deutlich weniger als die fast 4% vor einem Monat. Damit ist die Zinsentwicklung für Italien am Primärmarkt ganz anders als für Spanien, das weiter Rekordzinsen liefern muss. Es hilft den Iberern nichts, wenn ständig neue Sparpläne ausgearbeitet werden, gegen die sich auch immer stärkerer und heftigerer Widerstand entwickelt (Proteste in Spanien radikalisieren sich).
Für Spanien werden auch aus hohen Risikoaufschlägen am Sekundärmarkt stets höhere Zinsen am Primärmarkt, wenn das Land Staatsanleihen versteigert. In Italien ist das nicht der Fall. Am Freitag ging die Schere trotz der Abstufung sogar noch weiter auseinander. Während am Sekundärmarkt der Risikoaufschlag gegenüber zehnjährigen Bundesanleihen deutlich in Richtung der Marke von 500 Basispunkten stieg, womit etwa 6,5% Zinsen anfallen, musste das Land bei einer Anleihe-Auktion erneut geringere Renditen bieten. Für dreijährige Anleihen, für die mehr Vertrauen als für einjährige nötig ist, lag die Rendite im Durschnitt bei 4,65%. Damit lag sie ebenfalls signifikant unter den 5,3%, die noch vor einem Monat geboten werden musste. Als Folge ging auch am Sekundärmarkt der Risikoaufschlag wieder zurück und die Mailänder Börse ging mit einem Gewinn von fast 1% aus dem Handel. Die Warnungen der Ratingagentur verhallten am Freitag also ungehört.
Die Sparprogramme haben Italien wieder zurück in die Rezession geführt
Doch klar ist, dass angesichts des Schuldenberg Italiens auch diese Zinsen noch viel zu hoch sind. Das Land ist mit mehr als 120% der jährlichen Wirtschaftsleistung verschuldet, was nur von Griechenland übertroffen wird. Der Schuldenberg ist schon auf 1,9 Billionen Euro Deshalb ist Italien im Verhältnis zu Spanien noch anfälliger für steigende Zinsen, denn Spaniens Schulden liegen bei 1,1 Billionen und knapp 69% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Der Chef der italienischen Notenbank Ignazio Visco hält einen Zinssatz, wie ihn Italien am Freitag für dreijährige Anleihen bezahlen musste, nur für langfristige Anleihen erträglich. Visco meint damit Laufzeiten von mindestens zehn Jahren.
Auch in Italien geht ein immer größerer Teil des Haushalts für den Schuldendienst drauf und damit werden Sparbemühungen zunichte gemacht. Erwartet wird deshalb auch, dass das Land 2012 ein höheres Defizit als geplant ausweisen wird, auch wenn Italien noch immer die Stabilitätsmarke von 3% erfüllen könnte. Spanien dagegen wird deutlich darüber liegen, auch wenn die Bankenrettung mit bis zu 100 Milliarden Euro sich nicht auf das Defizit auswirken sollte (Spanien erhält erneut mehr Zeit für Defizitabbau).
Nicht falsch ist aber ein Teil der Begründung, die Moody's für die Abstufung Italiens angeführt hat. Schließlich haben die Sparprogramme auch Italien wieder zurück in die Rezession geführt. Die Wirtschaft schrumpft schon mindestens drei Quartale in Folge und die europäische Statistikbehörde Eurostat zeigt auf, dass der Prozess an Fahrt aufgenommen hat.
Wegen der sich vertiefenden Rezession sind auch in Italien die Arbeitslosenzahlen gestiegen und damit wächst auch das Risiko, dass Italien die Einsparungsziele verfehlt, meint die Ratingagentur. Denn mit einer Rezession gehen Steuerausfälle und steigende Sozialausgaben einher. Das werde sich wieder negativ auf das Vertrauen an den Finanzmärkten und die Möglichkeiten zur Beschaffung frischen Geldes auswirken, meint Moody's:
Italy's near-term economic outlook has deteriorated, as manifest in both weaker growth and higher unemployment, which creates risk of failure to meet fiscal consolidation targets. Failure to meet fiscal targets in turn could weaken market confidence further, raising the risk of a sudden stop in market funding.
Angesichts der letzten Anleiheauktionen scheint das Risiko eines abrupten Abbruchs der Refinanzierung über die Finanzmärkte aber mehr als zweifelhaft. Das gilt besonders, wenn man bedenkt, dass sich sogar Spanien weiter über die Finanzmärkte refinanzieren kann, wenn auch zu sehr hohen Zinsen. Diese für Italien angeführte Begründung lässt aber vermuten, dass Spanien unmittelbar vor einer neuen Abstufung steht, womit die Anleihen des Landes als Ramsch eingestuft werden, was eine deutliche Zuspitzung bedeuten würde. Damit droht dann tatsächlich eine Ansteckung für Italien. Damit hat man es erneut mit einer selbsterfüllenden Prophezeiung zu tun, wie sie im Rahmen der Wetten gegen den Euro bekannt sind (Wetten gegen den Euro).
In Spanien wird gerade alles getan, um die Abwärtsspirale zu verstärken
Die spanische Regierung hat ein neues Sparpaket im Umfang von 65 Milliarden Euro beschlossen. Die Mehrwertsteuer wird, so hat Madrid am Freitag verkündet, am 1. September um gleich drei Punkte auf 21 Prozent angehoben. Auch der verminderte Steuersatz steigt von 8% auf 10% und auf etliche Produkte und Dienstleistungen wird zukünftig der Normalsatz fällig. Auch andere Steuern werden erhöht , zudem wird das Weihnachtsgeld (14. Monatsgehalt) im öffentlichen Dienst gestrichen. Insgesamt entzieht man so der Bevölkerung weiter massiv Kaufkraft, was die enorme Arbeitslosigkeit von fast 25% noch deutlich weiter anwachsen lassen und die von Moody's beschriebenen Effekte nach sich ziehen dürfte.
In Spanien kommt ohnehin noch die massive Bankenkrise zur Wirtschaftskrise hinzu und die Möglichkeiten der Finanzierung über die Kapitalmärkte brechen längst ab. Spanische Banken hängen wegen der Kapitalflucht immer stärker am Tropf der Europäischen Zentralbank (EZB). Schon 77% aller EZB-Kredite gingen im Juni an spanische Banken. In nur einem Monat stiegen sie um gut 17% auf gut 337 Milliarden Euro und damit auf einen neuen Rekordwert. Die Anleihen bei der EZB haben sich in einem Jahr versiebenfacht. Dass Spanien angesichts dieser Entwicklung noch lange darum herumkommt, über die Bankenrettung hinaus ganz unter den EU-Rettungsschirm zu gehen, wird immer unwahrscheinlicher.
Monti pokert weiter
Sogar das große Italien schließt längst nicht mehr aus, dass man in irgendeiner Form Geld aus dem temporären Fonds (EFSF) oder aus dem dauerhaften (ESM) benötigen wird. Wie der spanische Regierungschef Mariano Rajoy hatte auch der italienische Ministerpräsident bisher stets behauptet, natürlich keine Rettungsmilliarden zu benötigen. Während Rajoy mittlerweile eingestehen musste, dass das Land ohne externe Hilfe abstürzen würde (Spanien stellt Nothilfe-Antrag), läutete Mario Monti im Laufe der Woche die Kehrtwende ein. Nach dem Treffen der Finanzminister in Brüssel, auf dem die Eckpunkte der spanischen Bankenrettung bestimmt wurden, erklärte Monti, auch "Italien könnte interessiert sein".
Er betonte zwar, dass derzeit an keinem Nothilfe-Antrag gearbeitet werde, aber er "schließe für die Zukunft nichts aus". Es wäre "gefährlich zu behaupten, Italien werde niemals unter den Rettungsschirm gehen" oder Hilfen aus dem EFSF oder ESM nötig haben. Monti hatte mit diesen Äußerungen für große Aufregung gesorgt, schließlich ist klar, dass die Rettungsfonds schon mit Spanien an ihre Grenzen kommen. Doch an einen Gang unter den Rettungsschirm denkt Monti nicht. Sein Vorstoß wäre dagegen nur logisch, wenn sich bewahrheitet, dass Spanien für die Bankenrettung Kredite zu besonders günstigen Konditionen bekommt. Der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos hat diese Woche angedeutet, der Zinssatz könne möglicherweise sogar unter 3% liegen.
Warum sollte sich Italien teuer für mehr als 6% langfristig über den Kapitalmarkt refinanzieren, wenn es das Geld auch für 3% von den EU-Rettungsfonds erhalten kann? Bei den 100 Milliarden Euro, die Spanien bekommen soll, sind das drei Milliarden Euro pro Jahr, die man mehr oder weniger im Haushalt zur Verfügung hat. Monti setzt das Thema deshalb auf die Tagesordnung, um die Landsleute langsam auf den Schritt vorzubereiten. Eine Voraussetzung dafür hat er mit seinem spanischen Kollegen gegenüber Deutschland dafür durchgesetzt (Merkel fällt bei EU-Gipfel auf ganzer Linie um).
Schließlich wurde auf dem letzten EU-Gipfel beschlossen, dass eine begrenzte Rettung nicht mit der übliche Kontrolle durch die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) verbunden ist, mit der die Souveränität von Griechenland, Irland und Portugal massiv eingeschränkt wurde. Monti hatte dafür mit der geballten Macht und Schuldenlast seines großen Landes gepokert und dafür auch die spanische und französische Unterstützung erhalten. Er kann also ab Herbst damit rechnen, günstige Kredite des ESM zu bekommen, ohne dass es zu massiven Auflagen kommt. Das war eines der zentralen Ziele von Monti und deshalb ist es logisch, dass Monti nun auch die Früchte ernten will.