Beim Anwaltsnotdienst auf dem G 7 Gipfel

Seite 6: Im Camp der Demonstranten herrschte ein Regime eigener, ungeschriebener Regeln

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Eine kleine Begebenheit am Rande möchte ich noch - colorandi causa - erwähnen. Sie gibt einen Eindruck von der Sichtweise und den Wertevorstellungen einiger Demonstranten.

Am Abend ließen wir uns an einem rustikalen Holztisch eines typisch bayrischen Gasthauses nieder. Neben uns saß ein Paar. Sie verstummten, als wir uns setzten. Wie wir nachher erfuhren, hielten sie uns für Polizisten. Mit der Zeit bekamen sie Fetzen unseres Gespräches mit und sprachen uns an. Sie hatten mitbekommen, dass wir als "Legal Team" zu den "Guten" gehören. Sie seien von einer Organisation, die sich "Rote Hilfe" nennt.

Im Laufe des Gespräches bekam ich einen Einblick in die engagierte linke Demonstrationswelt. Ganz offensichtlich gibt es, als Gegenpart zur Polizei, "professionelle" Demonstranten. Sie verfügen über eine eigene hocheffektive Demonstrationslogistik. Ich hörte von einer Gruppe, die sich "Ermittlungsausschuss" nennt. Menschen, die sich um die rechtlichen Aspekte der Demonstrationen kümmern. Sie sorgen dafür, dass die Demonstranten im Bedarfsfall anwaltliche Hilfe bekommen. Außerdem dokumentieren sie eventuelle Rechtsverstöße der Polizei bei den Demonstrationen. Ich erfahre auch, dass man als Anwalt z.B.in Berlin an diesem Zirkel nur teilnehmen darf, wenn man sich verpflichtet, in bestimmten Verfahren - z.B. Sexualstraftaten - nicht zu verteidigen. Ich erfahre ferner, dass man als Mitglied der Roten Hilfe nicht mit jedem sprechen darf, ohne sich erheblicher Kritik auszusetzen.

Im Camp der Demonstranten herrschte ein Regime eigener, ungeschriebener Regeln, die für einen Außenstehenden überraschend anmuten. Auf dem Gelände gab es ein Küchenzelt, das sie als "Volxküche" bezeichnen. Es wurden nur vegane Speisen angeboten. Als den Demonstranten von den Anwohnern Bleche mit Apfelkuchen gebracht wurden, entspann sich eine Diskussion, ob Apfelkuchen vegan sei und im Zelt verteilt werden dürfe. Anderenfalls müsse er vor dem Küchenzelt aufgeteilt werden.

Eine Gruppe selbsternannter Regelüberwacher, die sogenannte "awareness group", hatte die Regel aufgestellt: Männer dürfen im Camp nicht mit freiem Oberkörper herumlaufen. Die Begründung dafür sei, dass die Frauen das auch nicht könnten. Das Gesetz, das ich hinter dieser Regelung zu erkennen glaube, lautet wohl: In einer Gruppe darf man nur das tun, was alle können. Andernfalls fühlen sich die benachteiligt, die etwas nicht können. Juristische Probleme nicht nur auf Seiten der Polizei und der bayrischen Behörden.

Der Montag ist nur insoweit erwähnenswert, weil der Anwaltsnotdienst eine Pressekonferenz abgehalten hat. Diese fand aber, obwohl zahlreiche Fernsehteams erschienen waren, im Meer der Medien kaum Widerhall. Für die rechtlichen Bedenken interessierte sich das Fachpublikum nicht: "Just bad, bad news is good news."