Beim Anwaltsnotdienst auf dem G 7 Gipfel

Seite 4: Es gibt nur drei Kategorien von Personen: Polizist, Teilnehmer/Demonstrant/Störer und Journalist

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Der Sonntag beginnt früh für uns. Die Straße nach Klais soll um 7.00 Uhr für den gesamten Verkehr gesperrt werden. Klais ist ein Dreihundertseelendorf in unmittelbarer Nähe zum Schloss Elmau, wo das G-7-Treffen stattfindet. Also heißt es, kurz nach sechs loszufahren. Die B2 ist leer. Überall Polizeifahrzeuge und Beamte, die die Strecke absichern. Im Zweifel soll auf dieser Straße Obamas Tross nach Elmau fahren. Am Himmel stehen Polizeihubschrauber, wie die Libellen. Langsam scannen sie das Geschehen am Boden. Fette Transporthubschrauber starten und landen in der Nähe des Schlosses. Ein Hybrid zwischen Flugzeug und Hubschrauber, Osprey (Seeadler) genannt, zieht schnell über uns hinweg. Ein Gruß der amerikanischen Streitkräfte.

Am Ortseingang von Klais werden wir von einem Polizeiposten gestoppt. Wir weisen uns aus. Die Einfahrt nach Klais ist versperrt, Zugang nur für Einwohner, Polizei und akkreditierte Journalisten. Unser Auto können wir hier nicht parken. Ich steige aus. Der Kollege parkt unseren Wagen zwischen den Mannschaftswagen der Polizei auf einem nahegelegenen Gasthof. Die Polizisten halten ihn wegen der Dreistigkeit für einen der Ihren. Ich werde an der Einfahrt von zwei Beamten abgeholt. Sie sind verwirrt, weil es hier nur drei Kategorien von Menschen gibt: Polizist, Teilnehmer/Demonstrant/Störer und Journalist. Zuschauer oder Beobachter in neonfarbenen Leibchen sind nicht vorgesehen.

Ich werde als Demonstrant eingestuft. Ein weiterer Polizeibeamter übernimmt mich. Wir versuchen, anhand des Bescheides den Demonstrationsort zu bestimmen. Es handelt sich um einen kleinen Raum vor dem Bahnhof, ca. halb so groß wie ein Fußballfeld. Davon abgehend die Bahnhofstraße. 50 Meter sind als Demonstrationsstrecke ausgewiesen. Man kann also getrost von der "Klaiser Pfanne" sprechen. Am Ende der Demonstrationsstrecke steht eine schwarze Wand Hamburger Bereitschaftspolizei. Ich nähere mich auf wenige Meter und werde sofort angerufen. "Kein Durchgang zum Dorf!"

Der Demonstrationsbereich wird auf einer Seite durch einen Zaun abgegrenzt, der die Straße von einer Wiese trennt. Auf der anderen Seite steht ein Gasthof, der an das Bahnhofsgebäude grenzt. In Richtung Garmisch verläuft, als Verlängerung der Bahnhofstraße, ein Wirtschaftsweg, der hauptsächlich von Fahrradfahrern genutzt wird. 12 km bis Garmisch-Partenkirchen. Zwischen dem Wirtschaftsweg und der B2 führt die Bahnstrecke nach Mittenwald. Die Bahnstrecke ist gesperrt. Am Ortsausgang, auf dem Wirtschaftsweg, liegt eine kleine Brachfläche, die als Abstellplatz für die Fahrräder des Radkorsos dienen soll. Zwei Mannschaften der Bundespolizei in ihren Fahrzeugen bewachen die Schienen.

Links von uns erheben sich Berge. Von hier hat man einen weiten Blick über die Wiesen zwischen Bergwald und Bahn. Ein Bundespolizist schaut gelegentlich mit seinem Fernglas über das Gelände. Ich gehe zurück zum Bahnhof. Ein Beamter aus Sachsens-Anhalt spricht uns an. Er teilt uns mit, dass er hier zuständig sei und für uns als Ansprechpartner zur Verfügung stünde. Auf dem Bahnsteig und am Bahnhof stehen zahlreiche Gruppen von Bereitschaftspolizisten der Bundespolizei. Auf einem an den Bahnhofsplatz grenzenden Parkplatz parken Dutzende von Mannschaftswagen. Es herrscht reges Treiben.

Vor dem Demonstrationsort ist ein Videoüberwachungsfahrzeug aufgestellt. Im Bahnhofsbereich weisen provisorisch aufgehängte Schilder darauf hin, dass der Bahnhofsvorplatz videoüberwacht wird. Die Bundespolizei, die für die Bahnstrecke und den Bahnhof zuständig ist, hat eine Gitterschleuse über die Bahngleise gelegt. Die Straße, auf der wir gekommen waren, ist - in Höhe des Bahnhofs - von dem parallellaufenden Gehweg durch ein Geländer getrennt. Auf Höhe der Schleuse ist das Geländer unterbrochen. Auf den Bahnsteigen rechts und links der Schleuse steht Polizist an Polizist. Außerdem haben sich noch zu beiden Seiten je zwei Hundeführer mit ihren Dienstschutzhunden platziert. Im Schatten eines Dachvorsprungs des Bahnhofs hat sich eine Gruppe Bereitschaftspolizisten aufgestellt. Dort werden sie in Reih und Glied stehen, bis sie, nach einer Stunde, von einer anderen Gruppe abgelöst werden.

Es ist schon am frühen Morgen warm und schwül. Für 8.00 Uhr ist eine Demonstration von 500 Teilnehmern im Bereich der Pfanne geplant. Später soll dann ein Fahrradkorso aus Garmisch, auf dem Wirtschaftsweg hinzustoßen. Gegen 8.00 Uhr sitzt eine Demonstrantin auf dem Bordstein am Bahnhofsplatz. Mit weiteren ist auch kaum zu rechnen, weil die einzige Zufahrtsstraße seit einer Stunde für jedweden Verkehr gesperrt ist.

Einige Zeit später sehen wir eine Handvoll Demonstranten auf dem Gehweg an der B2. Sie werden von einer Gruppe Landespolizisten bis zum Durchlass begleitet. Am Weg über die Bahngleise übernimmt die Bundespolizei. Die Teilnehmer werden in der Schleuse überprüft. Die Vier werden dann von fünf oder sechs Bundespolizisten zum Bahnhofsplatz begleitet. Anfänglich stehen diese noch um die Teilnehmer gruppiert. Nach einigen Augenblicken dürfen sich die Neuankömmlinge frei in der "Pfanne" bewegen. Sie nehmen neben der einsamen Demonstrantin Platz. Es handelt sich um völlig unauffällige Personen fortgeschrittenen Alters, die auch als Wanderer durchgegangen wären.

Noch immer schwirren die Hubschrauber am Himmel. In großer Zahl hatte sich die Presse aufgestellt. Ca. zwanzig bis dreißig Fernsehteams und andere Journalisten warteten auf den Knall. Sie erwarteten, dass sich die fünfhundert Demonstranten nicht auf eine Demonstrationsstrecke von 50 Metern einschränken lassen würden. Offensichtlich hofften die internationalen Pressevertreter auf spektakuläre Bilder. Sie stürzten sich auf den kläglichen Haufen von Demonstrationsteilnehmern und versuchten auch noch den letzten und unwichtigsten Tropfen an Information aus ihnen herauszupressen. Bald saßen die Demonstranten wie entsaftete Informationszitronen da. Die Presse verlor ihr Interesse.

Neben den Teilnehmern boten sich zahlreiche Sonderpolizeikräfte als Interviewpartner an. Da gab es z.B. die Kommunikationsteams der thüringischen und der Bundespolizei. Außerdem zeigten sich die Pressepolizisten der Landes- und der Bundespolizei gesprächsbereit. Allen gemein waren ihre auffälligen Warnwesten mit der entsprechenden Aufschrift. Langeweile machte sich breit. Die Wartegemeinschaft war, bis zur Freigabe der B2 in der "Pfanne" festgesetzt. Lediglich der Wirtschaftsweg nach Garmisch war frei. Angesichts der Wärme und der Strecke von 12 Kilometern wollte aber niemand diesen Pfad nehmen.