Bereitet sich das Pentagon auf einen möglichen Drohnenkrieg mit China vor?

Eine Hero-400-Drohne des US-Militärs vor dem Flug, Mai 2022

Eine Hero-400-Drohne des US-Militärs vor dem Flug, Mai 2022. Bild: Daniel Childs, DVIDS / Public Domain

Die USA wollen eine Armada von Killerrobotern entwickeln und bauen lassen. Das Replikator-Programm hat ein klares Ziel. Warum es gefährlich ist.

Anfang des Monats erklärte das Pentagon, dass man ein neues Drohnenprogramm gestartet habe. Dafür seien vier Waffenhersteller ausgewählt worden. Ende des Jahres soll es erste Testflüge der "Enterprise Test Vehicle" (ETV) geben.

Entwickelt und gebaut werden soll dabei ein neuer Typus an Drohnen, die über 800 Kilometer weit fliegen und eine "kinetische Last" tragen können, wobei die Waffen kostengünstig, schnell herstellbar und modular sein sollen.

Schwärme von Suizid-Drohnen

Es wird vermutet, dass die ETV-Initiative mit dem sogenannten "Replicator Program" verbunden ist, das im August 2023 vom US-Verteidigungsministerium präsentiert wurde. Das Replicator-Projekt, das mit 500 Millionen Dollar für das laufende Jahr ausgestattet ist und 2025 dieselbe Finanzierung erhalten soll, konzentriert sich auf den Einsatz tausender "all-domain attritable autonomous (ADA2) systems", also autonome, für alle Bereiche geeignete Systeme.

Im Prinzip ist damit gemeint: billige, wahrscheinlich mit künstlicher Intelligenz (KI) ausgestattete Kampfmaschinen, in Form von sich selbststeuernden Booten, großen Roboterflugzeugen und Schwärmen an kleineren Kamikaze-Drohnen.

Die smarte Masse

Die stellvertretende US-Verteidigungsministerin Kathleen Hicks erklärte bei der Vorstellung des Programms, dass es bei der Initiative darum gehe, dem wachsenden chinesischen Militär etwas entgegenzusetzen.

"Replikator soll uns helfen, den größten Vorteil der [Volksrepublik China] zu überwinden, nämlich die Masse. Mehr Schiffe. Mehr Raketen. Mehr Menschen", sagte Hicks.

Wir werden der Masse der chinesischen Volksrepublik unsere eigene Masse entgegensetzen. Aber unsere wird schwieriger zu planen, schwieriger zu treffen und schwieriger zu schlagen sein. Mit klugen Menschen, intelligenten Konzepten und smarter Technologie wird unser Militär wendiger sein, mit Dynamik und Nachdruck, die aus dem kommerziellen Sektor kommen.

Der neue Typus von Tötungsmaschinen

Bis August 2025 sollen tausende ADA2-Systeme bereitstehen, die massenhaft einsetzbar wären, um die chinesischen Streitkräfte in einem Einsatzfall zu überwältigen.

Mit dem neuen Roboter-Drohnenprogramm verabschiedet sich das US-Verteidigungsministerium von dem, was die Entwicklungsabteilung des Pentagon, die Defense Innovation Unit (DIU), als "zu technisierte" und "arbeitsintensive" Drohen bezeichnet. Um den neuen Typus zu entwickeln, sind vier Firmen ausgewählt worden: Aduril Industries, Integrated Solutions for Systems, Leidos Dynetics und Zone 5 Technologies.

Die neuen Drohnen werden kleiner und schneller massenhaft zu produzieren sein, als die Predator- oder Reaper-Drohnen, die im sogenannten "Antiterrorkrieg" seit 25 Jahren als Kampf-Fluggeräte vom US-Militär eingesetzt, vom Boden aus gestartet und per Fernsteuerung gelenkt werden. Die ETVs sollen zudem vielfältiger einsetzbar sein. Man zielt zum Beispiel darauf ab, sie auch aus Cargo-Flugzeugen heraus in den Flugbetrieb versetzten zu können.

Ukraine-Krieg und selbststeuernde Drohnen

Mit dem Replikator-Programm wird bereits eine autonome Kampfdrohne finanziert. Es ist die 23 Kilogramm schwere, Panzer zerstörende Switchblade 600, wie das Pentagon Anfang Mai bekannt gab. Sie wird vom ukrainischen Militär eingesetzt, um sich gegen russische Angriffe zu wehren.

Der Ukraine-Krieg hat den Trend Richtung autonome Kampfdrohnen forciert. Denn auf dem Schlachtfeld zeigte sich, dass ferngesteuerte Drohnen von Russland durch elektronische Störung der Kommunikation bekämpft werden können. Autonome Systeme hingegen sind fähig, ihr Ziel anzuvisieren und ihre Mission fortzusetzen, selbst wenn die Verbindung mit dem Bodenpersonal unterbrochen wird.

Neben den Flug-Drohnen wollen die USA noch den Bau einer Armada von ferngesteuerten Killerdrohnen auf See befördern. Auch das ist Teil der verstärkten Bemühungen des Pentagon, sich auf einen möglichen Konflikt mit China vorzubereiten, um, wie Hicks sich im Mai ausdrückte, "Konflikte abzuschrecken und, falls die Abschreckung fehlschlägt, den Krieg zu kämpfen und zu gewinnen."

Gegen China, für Taiwan

In Washington verweist man dabei auch immer wieder auf einen denkbaren Angriff Chinas auf Taiwan. Die USA sind Unterstützer und wichtigster Waffenlieferant der sich selbst verwaltenden Inselrepublik.

"Es ist ein entscheidender Schritt zur Bereitstellung der Fähigkeiten, die wir benötigen, in dem Umfang und der Geschwindigkeit, die notwendig sind, um weiterhin einen freien und offenen Indopazifik zu sichern", sagte Admiral Samuel Paparo, Befehlshaber des US-Kommandos für den Indopazifik.

Seit einiger Zeit haben die Spannungen mit Beijing insbesondere in Hinsicht auf Taiwan, dem Zentrum der weltweiten Chipherstellung, zugenommen. So hat Washington damit begonnen, von der sogenannten "strategische Ambiguität" bezüglich der Ein-China-Politik Beijings, die den Anspruch auf die Inselrepublik einschließt, abzurücken, während Biden erklärte, Taiwan bei einem chinesischen Angriff zu verteidigen.

Chinas militärische Modernisierung

Das ist sicherlich auch ein Grund, warum China darauf drängt, sich militärisch neu aufzustellen. Der chinesische Präsident Xi Jinping hat einen Plan auf den Weg gebracht, womit die Volksbefreiungsarmee bis 2027 in eine moderne Streitkraft transformiert werden soll, die dem US-Militär im Pazifikraum ebenbürtig ist. Bis 2049, dem hundertsten Jahrestag der Machtübernahme durch die Kommunistische Partei, will man die chinesische Armee zu einem "Weltklasse-Militär" umbauen.

Nach Angaben des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts (Sipri) hat China in den letzten zehn Jahren mehr als 280 Kampfdrohnen exportiert – hauptsächlich die Wing-Loong I und II sowie die CH-3 und CH-4 in den Nahen Osten, nach Nordafrika und Südasien.

Kollateralschaden Zivilbevölkerung

Der Trend zu Killerrobotern wird mit großer Sorge betrachtet. Denn autonome, KI-gesteuerte, roboterartige Kampffahrzeuge, die in Massen billig produziert werden, würden Kriege und Kampfeinsätze noch weiter von menschlicher Verantwortung und Rechenschaft befreien.

"Die eindeutige Gefahr besteht darin, dass diese Drohnen in größerem Umfang eingesetzt werden, was die Frage aufwirft, ob die Zivilbevölkerung zu Schaden kommen könnte", erklärte Priyanka Motaparthy, Leiterin des Projekts für Terrorismusbekämpfung, bewaffnete Konflikte und Menschenrechte am Menschenrechtsinstitut der Columbia Law School, gegenüber The Intercept.

"Stop Killer Robots"

Während im ukrainischen Militär über den Einsatz von KI für Tötungseinsätze von russischen "Kriegverbrechern" diskutiert wird, gibt es bereits seit über einem Jahrzehnt die Kampagne "Stop Killer Robots", der sich 250 Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch angeschlossen haben. Sie wollen erreichen, dass Killerroboter gesetzlich verboten werden.

Die Kampagne verweist darauf, dass schon die von Bodenpiloten ferngesteuerten Kampfdrohnen, die die USA seit 2001 auf der ganzen Welt für gezielte Tötungen einsetzen – letztlich sind es außergerichtliche Hinrichtungen –, vielfältige Verheerungen angerichtet haben.

So wurden bei rund 91.000 derartigen Luftangriffen in sieben großen Konfliktgebieten – Afghanistan, Irak, Libyen, Pakistan, Somalia, Syrien und Jemen – in zwanzig Jahren bis zu 48.308 Zivilisten getötet, wie eine Analyse von Airwars, einer in Großbritannien ansässigen Gruppe zur Überwachung von Luftangriffen, aus dem Jahr 2021 ergab.

Daher wird gefordert, dass es zumindest, solange kein generelles Verbot von Killerrobotern vereinbart wird, klare, transparente und juristisch einklagbare Einsatzregeln geben muss.