Betreutes Denken rettet die Demokratie – nicht
Seite 2: Digital Services Act: "Einpflanzung des betreuten Denkens"
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So teilt Anton Hofreiter die Überzeugung, Verkünder der wissenschaftlichen Wahrheit auf Erden zu sein, mit der UN-Pressesprecherin Melissa Fleming, wie sie diese zuletzt 2022 auf dem Sustainable Development Impact Meeting des Weltwirtschaftsforums (WEF) geäußert hat.
Die Übereinstimmung mit den Vereinten Nationen und deren "Common Agenda" findet sich auch in dem Standpunkt, die Menschen "dazu ermutigen (zu müssen), einen gemeinsamen, empirisch gestützten Konsens über das öffentliche Gut von Fakten, Wissenschaft und Wissen zu entwickeln". (Telepolis berichtete jeweils.)
Vor diesem Hintergrund nimmt es nicht wunder, dass nach dem "Great Narrative" nun "Desinformation" und die "Rückgewinnung des Vertrauens" in diesem Jahr die Schwerpunkte des WEF-Zauberbergs in Davos darstellen (Telepolis berichtete).
Schließlich beruft sich auch die EU bei ihrer Anti-Desinformations-Partnerschaft mit der Nato sowie bei der Durchsetzung des umstrittenen Digital Services Act (DSA) auf diesen Grundsatz (Telepolis berichtete auch hier ausführlich).
"Einpflanzung des betreuten Denkens"
Der ehemalige Richter und – ehemalige – Träger des Bundesverdienstkreuzes Manfred Kölsch sprach in diesem Zusammenhang am 18. Januar in der Berliner Zeitung von einer "Einpflanzung des betreuten Denkens":
Das Maß, an dem die Beurteilung als Desinformation ausgerichtet ist, wird von der Europäischen Kommission gesetzt – das aber heißt, dass politisch unliebsame Meinungen, ja wissenschaftlich argumentierte Positionen gelöscht werden können, und nicht nur das: Bei einer Einstufung als rechtswidrig drohen soziale Konsequenzen.
(Der Bürger) wird dazu gedrängt, seine Mitteilungen an die Plattformen an dem auszurichten, was in den aktuellen politischen Meinungskorridor passt. (…) Das Lebenselement freiheitlicher Grundordnung – die ständige geistige und demokratische Auseinandersetzung auch mit gegenteiligen Meinungen – wird deshalb verkümmern.
Betreutes Denken wird eingepflanzt. Mit den in dem DSA äußerst vage formulierten Generalklauseln wird auf diese Weise eine indirekte Zensur ausgeübt.
Manfred Kölsch: Richter warnt: Meinungsfreiheit in der EU in akuter Gefahr, Berliner Zeitung
Mit Blick auf die offensichtliche politische Mobilisierungskraft des viel diskutierten Correctiv-Artikels stellt sich vor allem die Frage, wie sich eine in dieser Weise kontrollierte öffentliche Sphäre auf die jüngere Generation auswirken wird – zumal jene, die als "digital natives" in eine "kuratierte" virtuelle Realität hineingeboren werden.
Vorstellungen darüber, wie eine weniger informierte als nach "wissenschaftliche Prinzipien" formierte Gesellschaft aussehen könnte, sind wesentlich älter als die aktuelle Debatte um AfD- und Agrardiesel-Verbot.