Bevölkerungsrückgang in China: Steht die Weltmacht vor einem Wendepunkt?

Chongqing im Südwesten Chinas

Chongqing im Südwesten Chinas. Bild: ABCDstock, Shutterstock.com

Bevölkerungsrückgang, wirtschaftliche Turbulenzen, Arbeitermangel: Gelingt China die Wende? Warum das Phänomen weltweit Sorgen bereitet.

Die Vereinten Nationen sagen China einen Bevölkerungsrückgang von historischem Ausmaß voraus. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte sich die Einwohnerzahl des Landes halbieren – ein Szenario mit weitreichenden Folgen.

Die in Hongkong erscheinende South China Morning Post sieht schon jetzt Folgen der sinkenden Geburtenraten und alternden Gesellschaft.

Ein Blick auf die Zahlen

Laut der Zusammenfassung der Ergebnisse der "United Nations’ 2024 World Population Prospects" könnte China bis zum Jahr 2100 rund 786 Millionen Menschen verlieren, wodurch die Bevölkerungszahl auf ein Niveau ähnlich dem der späten 1950er-Jahre sinken würde.

Die UN geht dem Dokument zufolge davon aus, dass China "den größten absoluten Bevölkerungsverlust [(von 204 Millionen) zwischen 2024 und 2054" erleiden wird, gefolgt von Japan und Russland mit einem potenziellen Rückgang von 21 Millionen bzw. zehn Millionen.

Die Ursachen des Bevölkerungsschwundes

Mehrere Faktoren tragen zu dieser Entwicklung bei: Die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter sinkt, die Heiratsquote geht zurück und die Entscheidung gegen Kinder wird immer populärer.

Nach Schätzungen des China Population and Development Research Centre wird die Geburtenrate in China im Jahr 2022 bei 1,09 Kindern pro Frau liegen. In Shanghai, einer der wohlhabendsten Städte des Landes, fiel die Rate 2023 sogar auf 0,6.

Zum Vergleich: Die weltweite Fertilitätsrate liegt bei 2,25 Lebendgeburten pro Frau, während eine Rate von 2,1 notwendig ist, um die Bevölkerungszahl stabil zu halten.

In Deutschland lag die Geburtenrate im Jahr 2021 bei 1,58; in Frankreich bei 1,83; in den USA bei 1,66 (alle Angeben von der Weltbank).

Indiens Aufstieg zur bevölkerungsreichsten Nation

Bereits im April vergangenen Jahres hat Indien China als bevölkerungsreichstes Land der Welt abgelöst. Die Zahlen könnten sogar noch höher sein. Allerdings konnte Indien aufgrund der Coronavirus-Pandemie eine geplante Volkszählung nicht durchführen.

China hingegen verzeichnete im selben Jahr zum zweiten Mal in Folge einen Bevölkerungsrückgang um 2,08 Millionen auf 1,4097 Milliarden.

Langfristige Auswirkungen

Nach dem Abklingen der Pandemie erwarten die Demografen zwar einen kurzfristigen Anstieg der Geburtenzahlen, die langfristigen Prognosen gehen jedoch von einem anhaltenden Rückgang aus.

Eine Erhebung in China im Februar hatte ergeben, dass dieser prognostizierte Bevölkerungsrückgang China vor Herausforderungen in Bezug auf die langfristigen wirtschaftlichen Aussichten, die Altersvorsorge und die Beschleunigung der Automatisierung stellt.

Globale Perspektiven

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Weltbevölkerung noch in diesem Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichen wird, wahrscheinlich in den 2080er-Jahren, mit einer Bevölkerung von etwa 8,2 Milliarden Menschen.

Die Vereinten Nationen erwarten, dass die Weltbevölkerung im Jahr 2100 um sechs Prozent oder rund 700 Millionen Menschen kleiner sein wird als noch vor zehn Jahren angenommen.

Gründe dafür sind unter anderem niedrigere Geburtenraten als erwartet in einigen der bevölkerungsreichsten Länder – vor allem eben in China.

Und warum ist das alles ein Problem?

Auch in vielen Industriestaaten ist die demografische Entwicklung problematisch: Die Geburtenrate sinkt stetig, was weitreichende Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft mit sich bringt. Experten warnen, dass eine anhaltend niedrige Geburtenrate generell tiefgreifende Probleme verursachen kann, die die wirtschaftliche Stabilität und das soziale Gefüge eines Landes gefährden.

Alternde Bevölkerung und Arbeitskräftemangel

Eine der unmittelbarsten Auswirkungen einer niedrigen Geburtenrate ist die zunehmende Alterung der Bevölkerung. Der Anteil der älteren Menschen wächst, während die Zahl der jungen Menschen, die ins Erwerbsleben eintreten, abnimmt.

Dieses Ungleichgewicht führt zu einem Arbeitskräftemangel, der die wirtschaftliche Produktivität und Innovationskraft bedroht. Unternehmen kämpfen bereits jetzt darum, offene Stellen zu besetzen, was das Wirtschaftswachstum verlangsamt.

Sozialsysteme unter Druck

Die alternde Bevölkerung stellt auch eine enorme Belastung für die Sozialsysteme dar. Weniger Erwerbstätige müssen mehr Rentner unterstützen, was zu steigenden Steuern und/oder gekürzten Leistungen führen kann. Insbesondere Renten- und Gesundheitssysteme geraten unter Druck, da die Ausgaben für die älteren Generationen steigen.

Gedämpftes Wirtschaftswachstum

Ein geringes Bevölkerungswachstum wirkt sich auch negativ auf das Wirtschaftswachstum aus. Eine wachsende Bevölkerung erhöht die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen, was die Wirtschaft ankurbelt. Umgekehrt kann eine stagnierende oder schrumpfende Bevölkerung zu einer schwächeren Nachfrage und damit zu einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums führen.