Bildbereinigung durch Google Earth

Vermutlich auf Druck des britischen Militärs ersetzte Google Bilder von britischen Stellungen im Irak durch Vorkriegsbilder

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Die Meldung machte die Runde in den Medien. Angeblich würden "Terroristen", wie der Daily Telegraph am 13. Januar berichtete, im Irak Bilder von britischen Stallungen um Basra benutzen, um diese anzugreifen. Bei gefangen genommenen Aufständischen habe man entsprechende Ausdrucke gefunden, in einem Fall, bei dem das Shatt al Arab Hotel zu sehen war, waren auf die Rückseite die genauen Längen- und Breitengrade aufgeschrieben worden. In diesem Hotel befindet sich das Hauptquartier des Staffordshire-Regiments. Die Angreifer würden immer genauer von großen Entfernungen aus ihre Ziele treffen.

Unklar blieb allerdings, wie alt die Bilder von Basra waren, Beweise dafür, dass die Aufständischen ihre Angriffe, die täglich mit Mörsergranaten erfolgen, tatsächlich aufgrund der Google Earth-Bilder ausführten, hatte das britische Militär nicht, wie man auch einräumte. Ein Geheimdienstoffizier hatte gesagt, dass die Existenz der Ausdrucke Beweis genug sei: "Wer würde sonst Google Earth-Ausdrucke von einem unserer Militärstützpunkte besitzen?"

Auf den Bildern seien Gebäude und "verwundbare Ziele" wie Zelte, Wasch- und Toilettenblöcke oder Parkplätze für nur leicht gepanzerte Land Rovers detailliert zu sehen gewesen. Soldaten, die in dem Hotel stationiert sind, drohten, dass sie Google anzeigen würden, falls sie aufgrund der Bilder getroffen würden. Und das auch, wenn Google bereits die entsprechenden Orte auf den Bildern unkenntlich gemacht oder gelöscht hätte. Die Terroristen hätten schließlich bereits Kenntnis davon, wo sie Soldaten "essen, schlafen und auf die Toilette gehen".

Das britische Militärlager am Shatt al Arab – vor und nach der Bildbereinigung.

Nun meldet der Telegraph, dass die britischen Militäreinrichtungen im Irak nach Aufforderung durch das britische Militär aus den Bildern entfernt worden seien, um Angriffe zu verhindern. Zuerst hätte Google lediglich die Bilder von den Militärstützpunkten unschärfer gemacht, so dass sich Einzelheiten nicht mehr sehen ließen. Ein Sprecher von Google soll dem Daily Telegraph erklärt haben, dass man in Verbindung mit dem Militär im Irak stehe und die Bitten zur Kenntnis nehme, aber über die Gespräche nicht berichten wolle. Der Telegraph schätzt diese Antwort offenbar nicht und schreibt mit erhobenem Finger: "Man braucht nur 30 Sekunden, um auf die Website von Google Earth zu gelangen und nach verwundbaren Orten zu suchen."

Der deutsche Google-Sprecher Stefan Keuchl versucht das Ansehen von Google gegenüber den Kritikern der einen Seite zu retten, während Google diesen nachgibt: "Google Earth ist über zwei Miollionen Mal von Menschen auf der ganzen Welt heruntergeladen worden. Die überwältigende Mehrheit dieser Anwender nutzt das Programm in rein friedlicher Absicht." Man könne das Bildmaterial auch von anderen Quellen erhalten. Das stimmt, schließlich bezieht es Google von diesen.

Von Google Earth wurden allerdings die Stellen, an denen sich Militärstützpunkte befinden, nicht geschwärzt oder sonst unkenntlich gemacht, wie ein Blogger schnell herausfand. Stattdessen hat man statt der Bilder aus dem Jahr 2004 oder 2005 alte Satellitenbilder von 2002 eingesetzt. Das ist verständlich, da man bei Google nicht für Angriffe von Aufständischen verantwortlich gemacht werden will, andererseits wird damit natürlich Google Earth insgesamt fragwürdig, weil Benutzer ohne Hinweise nie wissen können, ob Ausschnitte bearbeitet worden sind. Offenbar hatte Google die Satellitenbilder von Digital Globe erhalten, wo sie noch einen Tag länger zu sehen gewesen waren, dann aber auch entfernt wurden und womöglich nur noch durch direkte Bestellung und für mehr Geld erhältlich sind. Es gibt Tausende von Orten im Irak und anderswo, die aus Sicherheitsgründen "bereinigt" werden könnten und müssten. Ist erst einmal der Damm gebrochen, muss sich Google fragen lassen, wo man aufhören will – zumindest, ob man dies immer hinter dem Rücken der Benutzer machen sollte. Zwei Jahre alte Bilder sollten zudem eigentlich keinen allzu großen Informationswert mehr haben.

Nachdem der britische Register am 17. Januar darauf aufmerksam gemacht hatte, dass sich mit einem Programm Vorher/Nachher-Bilder von älteren und neueren Google Earth-Bildern erstellen ließen, in denen auch die britischen Militärstützpunkte in der Version von 2004 zu sehen waren, ist auch diese Website offline.

Der Telegraph fasst nun natürlich nach, nachdem Google sich willens gezeigt hat, Bilder auf Druck zu ersetzen. Zwar seien in Großbritannien einige Militärstützpunkte angeblich unscharf gemacht worden, beispielsweise das Hauptquartier der SAS in Hereford – was Stefan Greens allerdings mit guten Gründen in Frage stellt -, aber es gäbe noch weitere wie den Marinestützpunkt in Portsmouth oder die Zentrale des MI6 in London, die deutlich zu sehen seien und Terroristen von Nutzen sein könnten. Und dann gibt es auch noch die Infrastruktur, beispielsweise Elektrizitätswerke. Damit wird das Gefährdungspotenzial von Google Earth prinzipiell endlos ausgedehnt.

Den Sicherheitsfantasien dürften, vornehmlich in Städten, keine Grenzen gesetzt sein. Und wenn Google auf Wunsch des britischen Militärs Bilder im Irak ersetzt, wie könnte sich der Konzern Wünschen von Sicherheitskräften anderer Länder widersetzen, was auch immer sie zu verbergen haben? Schnell könnte der genaue Blick auf die Erde, den Google Earth für jedermann ermöglicht hat, einen Flickenteppich von alten und neuen Bildern und von sichtbaren und unsichtbaren Zonen weichen – möglicherweise auch ausdifferenziert für die Internetbenutzer unterschiedlicher Länder.