Bildungsministerium will den Euromaidan als neuesten Nationalmythos etablieren

Seite 4: Russland als ewiger Unterdrücker

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Der Holodomor als Opfermythos ist in der heutigen Ukraine für patriotische Ideologen unverzichtbar, um die Opferrolle des ukrainischen Volkes in der Geschichte zu unterstreichen - auch die Reaktorexplosion von Tschernobyl 1986 wird dazu benutzt. Verantwortliche und Täter sind aus dieser Sicht immer "die Russen".

"Das ist ein Standard des ukrainischen nationalistischen Selbstverständnisses", erklärt Frank Golczewski. Nationalukrainische Ideologen betonten im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, dass Russen und Ukrainer nicht nur verschiedene Völker26, sondern auch, dass die Russen der Hauptgegner der Ukrainer seien. "Jeder Gegensatz und jedes politische Problem wird von Nationalisten in diesen Gegensatz eingestellt."

Mit solchen Bildern versucht ein aktuelles Dokument des ukrainischen Bildungsministeriums für den Schulunterricht den früheren Präsidenten Viktor Janukowitsch (links) als anti-ukrainischen Komplizen oder wörtlich "Marionette" Putins darzustellen.

Eben diese nationalukrainische Variante scheint sich gesellschaftlich in der Ukraine immer stärker durchzusetzen. Dort sei derzeit ein mentaler Wandel im Gange, erläutert Schulbuchforscher Robert Maier. "Russland wird als derjenige angesehen, der die Ukraine bedroht und ihre Souveränität in Frage stellt." Genau das werde man dort von interessierter Seite in die Geschichte zurück verlängern, meint er, frei nach der Devise: Russen haben Ukrainer schon immer unterdrückt.

Die Möglichkeit besteht also, dass in ukrainischen Lehrbüchern demnächst derartige Interpretationen lange vergangener Ereignisse vermehrt auftauchen. Für die aktuellsten Ereignisse (Euromaidan und Konflikt um Krim und Ostukraine) ist genau das schon im Gange.