Biowaffen, Infowar oder Kalashnikov?

Die gefährlichste Waffe ist ein Jugendlicher mit einer leichten Waffe

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Die USA rüsten unter Führung ihres Präsidenten angesichts der beschworenen neuen Gefahren auf, die nicht mehr von Soldaten einer Nation mit ihren traditionellen Waffen ausgehen, sondern angeblich vornehmlich von terroristischen Gruppen mit biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen und Cyberangriffen auf Computersysteme, die die gesamte Infrastruktur aufrechterhalten. Daneben sollen auch die übrigen High-Tech-Waffenarsenale weiter ausgebaut und modernisiert werden (Wohlfahrtprogramm für Spione?).

Allerdings wurden in letzter Zeit weder biologische noch Info-Waffen bei kriegerischen Auseinandersetzungen eingesetzt. Bei 46 der seit 1990 ausgebrochenen 49 regionalen Konflikte wurden und werden lediglich "leichte Waffen" verwendet. Nur im Golfkrieg kamen überwiegend schwere Waffen zum Einsatz. Weil sich diese Kämpfe jedoch nicht in den westlichen Ländern abspielen, bleibt dieser sowohl technische wie kommerzielle Hintergrund der blutigen Wirklichkeit der Kriege mit leichten Waffen gewissermaßen verborgen, während man sich über die angebliche Bedrohung durch neue Waffen womöglich nur einen weiteren Vorsprung in der mehr und mehr wissensbasierten Rüstungstechnologie und neue Feindbilder zu gewinnen hofft, die eine weitere Aufrüstung durch neue Verteidigungs- und Angriffsmittel rechtfertigen.

Auch Großbritannien, treuer Verbündeter der USA im Kampf gegen "verbrecherische Nationen" und ihren möglichen Massenvernichtungswaffen wie dem Irak, beabsichtigt, die Anti-Terror-Gesetzgebung zu verschärfen und sie auf neue Feinde auszurichten. Jetzt warnte aber auch die British Medical Association in einem Bericht, daß die Fortschritte in der Gentechnik mißbraucht werden könnten, um immer gefährlichere Waffen herzustellen. Bislang sei die Anwendung biologischer Waffen auch für die Angreifenden ein zweischneidiges Schwert gewesen, weil sich die Ausbreitung der Keime nicht steuern läßt und daher auch auf den Angreifer zurückschlagen können. Doch mit dem Wissen, das durch das internationale Human Genome Project, also durch die Kartierung des gesamten menschlichen Genoms, und durch das Human Genetic Diversity Project, das die Sicherung der Gene von bedrohten ethnischen Gruppen zum Ziel hat, zustande kommen werde, könnten sich womöglich in einigen Jahren die jetzt noch bestehenden Einschränkungen überwinden lassen.

Möglich sei jedenfalls die Herstellung von biologischen Waffen zum Völkermord, wenn man sie auf die winzigen genetischen Unterschiede zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen einstellt: "Aus der genetischen Perspektive gibt es mehr Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen Menschen und Völkern als Unterschiede. Doch es gibt die Unterschiede, und sie können einzeln oder in Kombination die Mitglieder einer sozialen Gruppe von denen einer anderen trennen." Der genetische Krieg klinge zwar heute noch wie Science Fiction und sei auch noch mit ziemlicher Sicherheit in der Praxis unmöglich, aber solche Methoden würden, wie viele Wissenschaftler warnen, bald vorhanden sein. Die gegenwärtige Situation sei in dieser Hinsicht mit den Erkenntnisdurchbrüchen zu Beginn dieses Jahrhunderts in der Atomphysik vergleichbar, aus denen sich relativ schnell die Atombombe entwickelte. Dasselbe könnte sich in der Gentechnik mit "genetischen Bomben" ergeben (Stellt Israel eine ethnische Bombe her?).

Überdies gäbe es jetzt bereits leicht über das Internet weltweit zugängliche Rezepte zur Herstellung biologischer Waffen (Biowaffen leicht zu erhalten). Und da Genmanipulationen zu einer normalen Labortechnik werden, bestünde das Risiko, daß auch solche Informationen immer leichter zugänglicher werden. Bereits jetzt wird Gentechnik dazu benützt, um Krankheitskeime für biologische Waffen aufzubessern, indem sie etwa gegen Antibiotika resistent gemacht werden. Zudem sei eine im Dienst der Therapie stehende Erforschung von Mikroorganismen und die gentechnische Herstellung von solchen, die auf bestimmte Genkonstellationen ausgerichtet sind, von einer Forschung nahezu ununterscheidbar, die auf die Erzeugung von gefährlicheren biologischen Waffen aus.

Immerhin fordert die British Medical Association nicht zum Eintritt in die Rüstungsspirale auf, sondern zu einem internationalen Bann im Hinblick auf die Produktion biologischer Waffen. Es gibt zwar ein Abkommen über das Verbot biologischer Waffen, das jedoch von wichtigen Staaten, darunter auch die USA, noch nicht unterzeichnet wurde und bislang sowieso unwirksam war, weil es keine wirklichen Verifikationsmechanismen enthält. Dazu müßte die Arbeit in den universitären, militärischen und kommerziellen Forschungsinstitutionen von einem internationalen Gremium überprüft werden können, wobei etwaige Projekte militärischer Forschung entdeckt, aber natürlich auch Spionage in einem Wissenschaftssektor betrieben werden, der prosperiert und hohe Gewinne verspricht. Die Chancen stehen also nicht gut.

Nur wenige Monate vor der Jahrtausendwende steht die Welt vor einer sich ausbreitenden Epidemie am ethnischer, sektiererischer und krimineller Gewalt. Millionen von Menschen sind durch Tod und Verwundung bedroht, und viele Millionen weitere müssen mit Hunger, Heimatlosigkeit und psychischen Traumata rechnen.

Michael Klare

Gleichwohl wäre das nur eine Möglichkeit, künftige Formen des Völkermords zu verhindern, der auch mit traditionellen Waffen noch immer ausgeführt wird. Die meisten derzeit geführten Kriege finden zwischen verschiedenen Ethnien und Kulturen statt und werden mit leichten Waffen ausgeübt, mit denen vorwiegend unbewaffnete Zivilisten getötet werden. Waren im Ersten Weltkrieg nur fünf Prozent der Opfer Zivilisten, so sind es jetzt 90 Prozent der Getöteten und Verwundeten. Immer trifft dies auch Kinder, sei es als Opfer oder als Kindersoldaten. Michael Klare beschreibt daher in der Zeitschrift Bulletin of the Atomic Scientists unsere Zeit nicht als eine des biologischen oder des Cyberkrieges, sondern als "Kalashnikov-Zeitalter", dessen tödlichstes Kampfsystem der junge Mann darstellt, der mit einer AK-47 oder einer ähnlichen leichten Waffe ausgerüstet ist und Tötungsleistungen zustandebringt, die man eigentlich von einer nationalen, technisch hochgerüsteten Armee erwarten würde. Beispiele dafür sind Liberia, Algerien, Angola, Bosnien, Burundi, Kambodscha, Tschetschenien, Kolumbien, Kongo, Haiti, Ruanda, Somalia oder Uganda (Kriege der Zukunft).

Krieg finde heute kaum mehr zwischen nationalen Armeen um ein strategisches Ziel statt, sondern meist innerhalb eines Staates. In aller Regel sind daran paramilitärische und irreguläre Kampfverbände beteiligt, die unbewaffnete Zivilisten angreifen, um eine Volksgruppe auszulöschen, Tribut zu fordern, Kämpfer einzuziehen, Rache zu üben oder das Vertrauen der Menschen in die Regierung zu untergraben. Die nationale Armee ist oft nur weitere Fraktion in einer bereits sozial und ethnisch fragmentierten Gesellschaft. Bürgerkrieg und ethnischer Krieg sind die "allgemeinen Formen von militärischer Gewaltausübung im späten 20. Jahrhundert." Krieg wird in armen Ländern oft zu einer permanenten Lebensform, zumal die Jugendlichen oft keine Ausbildung durchlaufen oder andere Fertigkeiten besitzen, um auf den "zivilen" Arbeitsmarkt eine Chance zu haben. Das ursprüngliche Ziel des Kampfes geht dabei oft verloren, der Unterschied zwischen Krieg und Banditentum verschwimmt, die bewaffneten Gruppen stellen sich Geld in den Dienst von irgendwelchen Parteien oder steigen in den Drogenhandel ein.

Aber solche Kriege können nur stattfinden, so Michael Klare, wenn die Möglichkeit besteht, große Mengen an leichten Waffen erwerben zu können. 80-90 Prozent aller Opfer der letzten Kriege entstanden durch solche leichten Waffen wie Gewehre, Granaten, Maschinengewehre, Landminen oder andere tragbare Waffen: "Lediglich mit AK-47ern ausgerüstet kann eine kleine Bande von Jugendlichen in ein Dorf eindringen und Hunderte von Menschen in wenigen Minuten töten oder verletzen." Nach dem Kalten Krieg wurden leichte Waffen billig in großen Mengen auf den Markt gespült, und sie werden weiterhin in großen Mengen hergestellt. Man nimmt an, daß gegenwärtig 125 Millionen automatische Waffen weltweit vorhanden sind. 5-10 Milliarden Dollar Umsätze werden jährlich weltweit mit dem Handel mit leichten Waffen erzielt. Der schwarze Markt ist groß und undurchschaubar. Der Vorteil leichter Waffen: sie sind leicht zu bedienen, sie können wegen ihres geringen Gewichts leicht mitgenommen werden und großen Schaden ausrichten.

Ursache der Kriege mit leichten Waffen gibt es viele, die sich nicht durch Aufrüstung bekämpfen lassen: Armut, Korruption, Fanatismus oder Unterdrückung. Möglicherweise ließe sich die Zirkulation der Waffen durch internationale Abkommen ein wenig eindämmen, aber davon ist leider wenig zu erwarten. Das sieht man allein schon bei den Versuchen, die Herstellung und den Handel mit Landminen einzuschränken (Stolperdrähte für den Anti-Minen-Vertrag).