Böller-Verbotsdebatte: Warum die Ärztekammer eine klare Meinung hat

Symbolbild zeigt Silvesterfeuerwerk

Symbolbild: Pixabay Licence

Verletzte Kinder und Jugendliche schon Tage vor Silvester. Augenärzte bereiten sich auf Hunderte Patienten vor. Was ein Verbot zur Corona-Zeit brachte.

Erste Meldungen über verletzte Kinder und Jugendliche machten bereits vor dem diesjährigen Verkaufsstart für Silvesterfeuerwerk am Samstag die Runde: Schon kurz vor Weihnachten waren ein Elfjähriger und ein 14-Jähriger im Landkreis Fürstenfeldbruck mit Feuerwerkskörpern attackiert worden – mutmaßlich durch andere Jugendliche mit Restbeständen vom Vorjahr.

Nach Polizeiangaben wurde an der S-Bahn-Haltestelle Maisach ein Bodenfeuerwirbel nach dem Elfjährigen geworfen, der Verbrennungen zweiten Grades im Schulter- und Halsbereich erlitt und mit einem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus geflogen werden musste.

Der 14-Jährige in Olching erlitt durch einen Böllerwurf leichtere Hautverbrennungen am Nacken. Ob die tatverdächtigen Jugendlichen dies jeweils beabsichtigt hatten oder den Opfern einen Schrecken einjagen wollten und die Gefahr unterschätzt hatten, weil die "Kracher" so leicht verfügbar sind, ist nicht bekannt.

Böllern dürfen nur Erwachsene, aber bisher auch betrunken

Die Bundespolizei hatte Anfang Dezember nicht zum ersten Mal vor unsachgemäßem Umfang mit Feuerwerkskörpern gewarnt. Nur wer volljährig ist, darf demnach zum Jahreswechsel Feuerwerk zünden – und zwar nur in Deutschland zugelassene Böller und Raketen der Kategorie F2.

In Geschäften darf Silvesterfeuerwerk nur an den letzten drei Tagen des Jahres und nur an Erwachsene verkauft werden. Der Alkoholkonsum vor dem Zünden von Böllern durch Erwachsene allerdings in Deutschland nicht reglementiert. Der Verband der pyrotechnischen Industrie verteidigte sich in der Böller-Verbotsdebatte 2021 sogar mit dem Argument, dass in der Regel Alkohol im Spiel sei, wenn es beim unsachgemäßen Gebrauch von Pyrotechnik Verletzte gebe.

Alkoholkonsum in der Silvesternacht gilt jedoch mindestens ebenso als "Tradition" wie das Böllern – und die Einhaltung einer bisher nicht gesetzten Promille-Grenze dürfte schwer zu kontrollieren sein. Zumal Einsatzkräfte der Polizei in den letzten Jahren – ebenso wie Rettungskräfte – zum Teil selbst mit Böllern angegriffen wurden.

Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt hat dazu eine klare Meinung und forderte zum diesjährigen Verkaufsstart ein Verbot von privatem Silvesterfeuerwerk.

Warum Notaufnahmen an Silvester Überlastung droht

"Dieses Thema muss endlich angegangen und auf die Tagesordnung der nächsten Innenministerkonferenz gesetzt werden", erklärte er am Samstag.

"Bleibt die Politik weiter untätig, trägt sie mit dazu bei, dass sich Jahr für Jahr tausende Menschen durch Silvester-Feuerwerk verletzen und mitunter Ärztinnen und Ärzte, Rettungs- und Ordnungskräfte mit Knallkörpern bedroht oder tätlich angegriffen werden."

Der falsche, fahrlässige und "alkoholisiert beeinträchtigte" Umgang mit Böllern und Raketen führe zu teils schweren Verletzungen und belaste die Notaufnahmen der Kliniken.

"Gerade Verletzungen an Augen und Ohren häufen sich in der Silvesternacht. Besonders erschreckend ist, dass viele Kinder und Jugendliche zu Opfern werden. Auch leiden Menschen mit Atemwegserkrankungen, Schwangere und Menschen mit (Kriegs-)Traumata unter dem Lärm, den Explosionen und der Umweltverschmutzung durch die Feuerwerkskörper", betonte Reinhardt.

Hunderte Augenverletzungen zum Jahreswechsel

Bundesweit waren zum letzten Jahreswechsel 780 Menschen mit Augenverletzungen behandelt worden. "Wir erwarten leider nicht, dass die Zahlen nach unten gehen", sagte die Potsdamer Augenärztin Ameli Gabel-Pfisterer in dieser Woche dem RBB.

Die Verbotsdebatte hatte wegen der drohenden Überlastung der Krankenhäuser in den Corona-Jahren Fahrt aufgenommen. Zum Jahreswechsel 2020/2021 hatte die Bundesregierung deshalb ein Böller-Verkaufsverbot verhängt. Damals ging die Zahl der Augenverletzungen laut Gabel-Pfisterer "von 500 auf ungefähr 80" zurück. "Das macht sehr, sehr viel aus."

Ein Großteil der Verletzten habe gar nicht selbst geböllert, betont die Augenärztin.