Brasilien zeigt, wie man einen neuen Kalten Krieg vermeiden kann
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Präsident Lula praktiziert gelebte Multipolarität. Dabei wendet er sich nicht ab von Washington. Warum das ein positives Signal ist. Ein Gastbeitrag.
Als die Brics-Gruppe [Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika] Ende August ihr jährliches Gipfeltreffen abhielt, wurde weithin über dieses Ereignis berichtet, das eine wachsende Herausforderung für die von den USA geführte Weltordnung signalisierte.
Zum ersten Mal erweiterte sich die Gruppe beträchtlich und spiegelt damit einer wachsenden Ambition wider, die nicht unbedingt von jedem der ursprünglichen Mitglieder geteilt wurde. Man konnte sich fragen, ob eine echte Herausforderung der US-Hegemonie unmittelbar bevorstand.
Für die größte Nation Lateinamerikas muss die Teilnahme an einer zunehmend selbstbewussten Brics-Gruppe jedoch nicht im Widerspruch zu einer guten Arbeitsbeziehung mit Washington stehen. Das hat der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva auf der UN-Generalversammlung im September bewiesen.
Lulas geschickte Diplomatie machte sein Land zum wohl größten Gewinner des jährlichen Treffens der Staats- und Regierungschefs der Welt und zeigte fast im Alleingang, dass eine wirklich unabhängige Außenpolitik in einer Zeit zunehmender Spannungen zwischen den Supermächten noch nicht ausgeschlossen ist. Er tat das, indem er wesentliche Bereiche von gemeinsamem Interesse mit den Vereinigten Staaten identifizierte und konkrete Schritte unternahm, um Flexibilität und Dialogbereitschaft zu zeigen, auch in Bezug auf den Ukraine-Krieg.
Als Lula, der im Januar eine beispiellose dritte Amtszeit angetreten hatte, zu Beginn seiner Rede ankündigte, dass "Brasilien zurück ist", wurde er von den Mitgliedern der Generalversammlung, die Brasilien traditionell eröffnet, mit Applaus unterbrochen. Lula betonte in seiner Ansprache viele der Punkte, die er auch bei der Übernahme des G20-Gipfels in Indien Anfang September angesprochen hatte: die Dringlichkeit, den Klimawandel zu bekämpfen, die Notwendigkeit, diplomatische Lösungen für bewaffnete Konflikte zu finden, und die Bedeutung, die wachsende Ungleichheit in der Welt zu überwinden.
Lulas Rückkehr auf das UN-Podium zwanzig Jahre nach seiner ersten Rede als Präsident bedeutete eine erfreuliche Rückkehr Brasiliens zu alter Form, ein Land, das sich seit Langem für die Uno als bedeutendes Forum der internationalen Diplomatie einsetzt. In der Tat war Lula neben dem südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa der einzige Vertreter der Brics-Staaten, der an der diesjährigen Generalversammlung teilnahm.
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Lula nutzte seine Rede, um die Uno dafür zu kritisieren, dass sie nicht in der Lage ist, ihre Relevanz zu zeigen. Er beschrieb die Sackgasse, in der sie sich seiner Meinung nach befindet, und forderte Reformen, die, so Lula, die Bedeutung der Organisation erhöhen können.
Die internationale Gemeinschaft muss sich entscheiden: Auf der einen Seite gibt es die Ausweitung von Konflikten, die Vertiefung von Ungleichheiten und die Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit. Auf der anderen Seite die Erneuerung der multilateralen Institutionen, die sich der Förderung des Friedens verschrieben haben.
Er verurteilte die einseitig verhängten Sanktionen und das anhaltende Embargo gegen Kuba. Er kritisierte auch die ineffektive Isolation des UN-Sicherheitsrats, der durch die "Aktionen seiner ständigen Mitglieder, die illegale Kriege auf der Suche nach territorialer Expansion oder Regimewechsel führen, diskreditiert ist. Die Lähmung des Rats ist der beste Beweis für die Notwendigkeit und Dringlichkeit, ihn zu reformieren und ihm mehr Repräsentativität und Effizienz zu verleihen".
Lula machte deutlich, dass sein Land ein größeres Mitspracherecht in einer tatsächlich funktionierenden und effektiven Uno wünscht, und nicht den Rückzug aus einem Gremium, das zur Bedeutungslosigkeit verurteilt ist.
Lulas Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am nächsten Tag zeigte seine vorsichtige und unparteiische Diplomatie, die auf ein baldiges Ende des Krieges in der Ukraine abzielt. Wie die meisten Staaten des Globalen Südens hat Brasilien den Beziehungen zu beiden Kriegsparteien Priorität eingeräumt, da es sich der hohen wirtschaftlichen Kosten einer Fortsetzung des Konflikts bewusst ist.
Obwohl er den Einmarsch Russlands in sein viel kleineres Nachbarland deutlich kritisiert, hatte er sich bis dahin noch nicht persönlich mit Selenskyj getroffen. Da er dies nun endlich getan hat, untermauert Lula seinen Anspruch auf Fairness und Ausgewogenheit.
US-Präsident Joe Biden plädierte seinerseits aus einem anderen Blickwinkel für die weitere Bedeutung der Uno. Er bezeichnete das Ausbleiben weiterer Weltkriege, den Aufstieg von Hunderten von Millionen Menschen aus der Armut und die Ausrottung mehrerer verheerender Krankheiten als "ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, was wir erreichen können, wenn wir gemeinsam handeln und uns schwierigen Herausforderungen stellen."
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